REUTLINGEN. Italien bringt jetzt Bootsflüchtlinge, die aus einem sicheren Herkunftsland kommen, in Lager in Albanien. Dort müssen sie ihren Asylantrag stellen, der dann innerhalb eines Monats bearbeitet wird. Abgelehnte Asylbewerber werden direkt abgeschoben, ohne jemals einen Fuß in die EU gesetzt zu haben. Das Projekt wird von anderen Mitgliedsländern mit Interesse beobachtet. Es bietet jedoch auch einige Fallstricke.
Juristisch in der Grauzone
Italien bewegt sich juristisch in einer Grauzone - mindestens. Das europäische Asylrecht wird umschifft, indem die neue Regelung nur für Bootsflüchtlinge in internationalen Gewässern angewendet wird. Trotzdem verstößt sie gegen die Regeln der Seenotrettung, die eigentlich verlangen, die Geretteten in den nächsten Hafen zu bringen. Zudem ist es zumindest fragwürdig, ob die 22 Herkunftsländer, die Italien als sicher einstuft, dies auch verdienen. Es wird sich zeigen, ob das italienische Modell vor den Gerichten Bestand haben wird.
Menschen von gefahrvoller Reise abhalten
Auf andere EU-Staaten lässt sich das »Meloni-Modell« ohnehin kaum anwenden. Albanien hat weiteren Anfragen bereits eine Abfuhr erteilt. Zudem scheitern Abschiebungen häufig an der mangelnden Kooperation der Herkunftsländer. Daher könnte es sein, dass die Lager bald aus allen Nähten platzen. Trotzdem bleibt zu hoffen, dass die Aussicht, auf unbestimmte Zeit in einem bewachten Lager in Albanien festzusitzen, einige Menschen davon abhält, die gefahrvolle Reise in überfüllten Booten über das Mittelmeer anzutreten. Insbesondere solche, die ohnehin kaum Hoffnung auf Asyl haben. Menschen, denen in ihrer Heimat wirklich Verfolgung droht, werden sich davon nicht abhalten lassen. Wirtschaftsflüchtlinge werden so aber vielleicht abgeschreckt. Und hoffentlich einige Leben gerettet.