Biyon Kattilathu hat schon in der eigenen Familie erlebt, dass das, was er macht, nicht nur auf Gegenliebe stößt. Heute hat er bei Facebook mehr als 750.000 Follower, aber vor einiger Zeit, am Anfang, da waren es nur 10.
Also schickte Kattilathu seinem Bruder eine Einladung, er möge doch bitte seine Seite liken, er brauche dringend Fans. Der Bruder aber erklärte, er könne das nicht machen. Seine Begründung: »Dann denken die Leute, dass ich ein Problem habe.«
Biyon Kattilathus Thema ist das glückliche Leben und wie man es erreicht. Seine Fan-Gemeinde liebt ihn dafür, er füllt Hallen mit seiner Show, spricht in Podcasts und verkauft massenhaft Bücher. Heute erscheint das nächste.
Es trägt den Titel »Die Fragen deines Lebens – Wie du alle Antworten in dir selbst finden kannst«. Es geht um Motivation, Liebe und den Sinn des Lebens.
Manche nennen ihn einen »Life Coach«, auch wenn er die Bezeichnung selbst nicht sonderlich mag. Erfolg hat er jedenfalls.
Kürzlich tanzte er als Promi im RTL-Quotenhit »Let's Dance« mit, was wahrlich nicht viele Verfasser von Ratgeberliteratur von sich behaupten können. Man kann ihn als eine Art Popstar der Szene beschreiben. Angeblich wurden schon Babys nach ihm benannt.
Für Kritiker ist er der König des Kalenderspruchs
Jenseits dieser Sphäre wird Kattilathu gleichwohl auch belächelt für das, was er tut. Dort wird er als Anführer einer Community betrachtet, der jede Originalität abgeht. Die Wandtattoos und Kalendersprüche mag und Sätze wie »Wir sollten anfangen zu leben, bevor wir dafür zu alt werden« ungefragt in die Familien-WhatsApp-Gruppe postet. Alles ziemlich seicht, so der Vorwurf.
Wenn man ihn trifft, ist von diesen beiden Polen der Debatte wenig zu spüren. An einem heißen Tag sitzt er auf der Terrasse eines Bonner Hotels und sorgt sich, dass alle genügend Wasser haben.
Kattilathu ist ein NRW-Kind, geboren in Hagen. Seine Mutter kam aus Indien nach Deutschland, weil Krankenschwestern gesucht wurden. Der Vater zog nach.
Eigentlich wollten ihn die Eltern »Björn« nennen, wie er erzählt. Da es im Indischen aber keine Buchstaben mit Umlaut (also »ö«) gibt und die Verwandtschaft mit der Aussprache fremdelte, wurde daraus Biyon.
»Ich glaube, dass ich gut zuhören kann. Und dass ich ehrliche und von Herzen kommende Ratschläge geben kann«, sagt Kattilathu, wenn man ihn fragt, was er gut kann - was also sein Geheimnis ist. »Was aber über allem steht, ist, dass ich Menschen einfach mag.«
Wenn er in seinen Shows auf der Bühne stehe, wolle er vorher gar nicht wissen, welche Fragen ihm sein Publikum stellen werde. Das würde die Situation verfälschen. »Ich will wie ein guter Freund sein, dem man bei einem Spaziergang erzählt, was man auf dem Herzen hat. Und ich selbst will auch mein Herz öffnen.« Es gehe um »Augenhöhe«.
Die Liebe ist ein Kleidungsstück
Liest man das neue Buch, fällt das mit der Augenhöhe direkt auf. Kattilathu spricht seine Leser mit »Du« an - so wie Ikea seine Möbelkäufer. Er schreibt zum Beispiel: »Da ich ein Mensch wie du bin, vielleicht nur mit einer etwas dunkleren Hautfarbe, sitzen wir beide im gleichen Boot.« Und zusammen wolle man doch eins: ein glückliches und erfülltes Leben, »in dem das wichtigste Kleidungsstück, das wir tragen, die Liebe ist.«
Man kann sich leicht darüber lustig machen und es als Kitsch abtun. Kattilathus Tour trägt den Titel »Lebe. Liebe. Lache.«, was man sich kaum ausdenken kann, weil es selbst für eine KI zu naheliegend klingt.
Man kann aber auch festhalten, dass Kattilathus Welt irgendwie wohltuend jeder Zynismus fehlt. In Zeiten, in denen man wegen der krisengeplagten Welt da draußen erstarren kann, bietet er einen Gegenentwurf an. Kattilathu schaut ganz auf das Ich.
»Viele stehen morgens auf und wollen die ganze Welt verändern. Dabei vergisst man, dass der erste Schritt wäre, ein besserer Mensch zu sein«, sagt er. Er ist überzeugt: »Wenn jeder in dieser einen Sekunde etwas Gutes machen würde, würde sich alles verändern.«
Kattilathu, der in Wirtschaftswissenschaften promovierte, hatte ein Ziel. Er wollte auf die Bühne und vor 1.000 Leuten stehen, wie er schreibt.
2007 nahm er an der Castingshow »Deutschland sucht den Superstar« teil, bei »Wer wird Millionär?« gewann er - nach etlichen vergeblichen Bewerbungen - 32.000 Euro.
Als er in seiner Szene schon ein Phänomen war, kam das Angebot, bei »Let's Dance« mitzumachen. »Mittlerweile werde ich von Leuten angesprochen, die mich in erster Linie als Tänzer betrachten. Damen kommen auf mich zu und wollen über Tango und Cha-Cha-Cha reden«, sagt Kattilathu. Damit hat er keinerlei Probleme.
Unfreiwillige Bekanntheit durch Pochers Parodie
Eher unfreiwillig bekannter wurde er, als Komiker Oliver Pocher anfing, ihn als »Dalai Karma« zu parodieren. Das Ganze geschah im Kontext der Trennung Pochers von seiner Ex-Frau Amira und ging ziemlich ins Persönliche.
Mehrfach unterstellte Pocher Kattilathu öffentlich eine Liebesbeziehung zu Amira. Beide widersprachen deutlich. Kattilathu verwies auch auf eine eidesstattliche Erklärung, die er dazu abgegeben habe. Es gebe einen Punkt, wenn man was sagen müsse, »besonders dann, wenn gewisse Grenzen überschritten werden«, erklärte er.
»Klar, ich war erschrocken über viele Nachrichten, die mich in dieser Zeit erreicht haben. Das hat mich wirklich erstaunt, wie viele Menschen dann kommen und sich in der Anonymität des Internets auch rassistisch äußern«, berichtet er.
Aber: Er könne das einordnen. »Mein Referenzwert ist die Geburt meines Kindes und die Strapazen, die damit verbunden waren. Mein Sohn lag nach der Geburt vier Wochen auf der Intensivstation«, sagt er. »Alles andere ist nun viel leichter zu ertragen, muss ich sagen.« Er klingt dabei nicht, als zitiere er einen Kalenderspruch.
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