STUTTGART. Die Berufung von Thomas Hitzlsperger hatte sich abgezeichnet. Immer mehr verdichtete sich die Gewissheit, dass sich der Aufsichtsrat des Zweitligisten VfB Stuttgart auf ihn festgelegt hat. Und am Ende konnte das Gremium dann gar nicht mehr anders, als die Personalie zu bestätigen.
Thomas Hitzlsperger (37) machte bei seiner Präsentation in Stuttgart ein Gesicht, als habe er ein Schloss gewonnen. Hitzlsperger, der weder über ein entsprechendes Studium verfügt noch bisher durch wirtschaftliche Expertise aufgefallen ist, noch überhaupt weiß, was am Ende da genau auf ihn zukommt, wirkte bei seiner Vorstellung aber gewohnt selbstbewusst – und selbstsicher. Dieser Thomas Hitzlsperger weiß sehr genau, was er kann. Und dieser Thomas Hitzlsperger ist in einer Weise ehrgeizig, wie sich das viele Zeitgenossen nicht wirklich vorstellen können.
Meister mit dem VfB Stuttgart 2007, im Alter von 18 Jahren in die Welt gezogen, um Fußballprofi zu werden. Nach England, der Mann weiß, was in der Fußballwelt los ist. Und er ist sich seiner Herkunft gewiss. »Wenn das entscheidend ist, was man in den ersten 18 oder 20 Jahren in seinem Leben gemacht hat, dann hätte ich keine gute Prognose gehabt. Ich habe mich entschieden, zu kämpfen«, sagt Hitzlsperger. Der kommissarische Präsident und Aufsichtsratsvorsitzende Bernd Gaiser sitzt daneben und macht ein Gesicht, als sei es genau das, worauf es ankommt, wenn man Vorstandsvorsitzender der VfB 1893 AG werden will.
»Der VfB braucht keinen Neustart, er muss an manchen Stellen neuen Schwung aufnehmen«
Hitzlsperger wird der starke Mann beim VfB Stuttgart. Am kommenden Dienstag übernimmt er offiziell die neue Position. Damit hat es dieser Mann in nur 40 Monaten geschafft, bis zur Clubspitze durchzustarten. Anfang Juni 2016 kehrte der ehemalige Kapitän mit einer Jobbeschreibung zu seinem Ex-Club zurück, die zu lang war für Visitenkarten. Vom »Beauftragten des Vorstandes in der Schnittstelle zwischen der Vereinsführung und dem Lizenzspielerbereich« zum Vorstandsboss in etwas mehr als drei Jahren, eine steilere Funktionärskarriere hat es bei diesem Club noch nie gegeben.
Für VfB-Ehrenpräsident Erwin Staudt »eine völlig richtige Entscheidung«, für Ex-Präsident Wolfgang Dietrich auch, mit einer Einschränkung: »Wenn es um die sportliche Kompetenz geht, absolut nachvollziehbar und richtig.« Aber das ist nicht die einzige Kompetenz, die in diesem Job gefragt ist.
Andere Kandidaten wie Jürgen Klinsmann, der ehemalige Präsident des FC Basel, Bernhard Heusler, oder Fortuna Düsseldorfs Ex-Vorstandschef Robert Schäfer konnten sich nicht durchsetzen. Vermutlich ging es dabei vor allem um Geldforderungen. Bernd Gaiser sagt das anders: »Wir hatten neun Bewerbungen, vier kamen in die engere Wahl, und Thomas Hitzlsperger hat das Anforderungsprofil am besten erfüllt.« Wobei das Anforderungsprofil offenbar in Teilen noch einmal anders akzentuiert worden ist. Was Gaiser nicht bestätigt: »Es war von vornherein sehr breit ausgelegt.« Was wohl heißen soll, die Spielräume waren immens. Hitzlsperger gab sich »froh und, ja, auch stolz« darüber, dass er ausgewählt wurde. »Danke«, sagt der Ex-Nationalspieler. Und erfindet es richtig, dass der Vorstand aus ihm, Stefan Heim (Finanzen) und Jochen Röttgermann (Marketing) nicht um eine zusätzliche Person erweitert wird, und er seine Vorstellungen als Verantwortlicher für die Ressorts Sport, Unternehmensstrategie und Kommunikation umsetzen kann. »Der VfB braucht keinen Neustart auf allen Ebenen, sondern muss sich noch mehr auf seine Stärken besinnen und an manchen Stellen mehr Schwung aufnehmen«, sagte Hitzlsperger. »Er hat die Qualifikation, ein guter Sportvorstand zu sein. Da es sich in einer Sport-AG Öffentlichkeitsarbeit ohnehin nur um den Fußball dreht, ist er auch der richtige Sprecher«, sagte Sozialdemokrat Staudt. Der künftige Präsident, der erst am 15. Dezember auf der Mitgliederversammlung gewählt wird, steht dann vor vollendeten Tatsachen. Das finden viele ausgesprochen unglücklich. Gaiser findet das nicht.
Sportdirektor Sven Mislintat rückt also nicht auf die Position des Sportvorstandes auf, weil das weiter Sache von Hitzlsperger bleibt. Gaiser: »Wir waren der Meinung, dass drei Vorstandsmitglieder für einen Zweitligisten genug sind.« Und Hitzlsperger macht absolut kein Geheimnis daraus, dass es ihm vor allem weiterhin um den Sport gehen wird: »Wir wollen zurück in die Bundesliga. Darum geht es in erster Linie.« (GEA)