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WM-Aus: DFB-Elf wieder zuhause

Mit dem Ausscheiden in der Vorrunde von Russland hat der deutsche Fußball seinen Tiefpunkt erreicht. Neue Impulse werden dringend gesucht.

WM-Abschied
Bundestrainer Joachim Löw auf dem Weg zum Flieger. Foto: Ina Fassbender
Bundestrainer Joachim Löw auf dem Weg zum Flieger. Foto: Ina Fassbender

MOSKAU. Nur noch ganz schnell weg. 16 Stunden nach der »Schmach von Kazan« suchte der Weltmeister das Weite. Noch am Abend des blamablen 0:2 (0:0) gegen Außenseiter Südkorea flog die deutsche Nationalmannschaft aus Kazan aus, zu einem kurzen Zwischenstopp in Moskau ein und um die Mittagsstunde zurück nach Frankfurt. Keine Minute länger in Russland, nur noch ganz schnell weg. Was als »Mission Titelverteidigung« gedacht war, endete mit einer totalen Bruchlandung und einer neuen historischen Erkenntnis: Auch deutsche Weltmeister können in der Vorrunde ausscheiden. Wie Italien 2010 und Spanien 2014. Aber mit einem 0:2 gegen Südkorea? Bei aller Wertschätzung der koreanischen Bemühungen ist das der absolute Tiefpunkt des deutschen Erfolgsfußballs.

Der einen Berg von unbeantworteten Fragen in Kazan zurückließ. Was motivierte den Bundestrainer eigentlich, eine zwar nicht glänzende, aber doch erfolgreiche Mannschaft nach dem 2:1 gegen Schweden wieder umzubauen? Und ausgerechnet die Akteure wieder aufzubieten, die beim Katastrophen-Auftakt gegen Mexiko schon unter Beweis gestellt hatten, dass die Geschwindigkeit des internationalen Fußballs inzwischen zu hoch für sie ist. Warum nominierte Joachim Löw erneut Sami Khedira und Mesut Özil? Aus alter Verbundenheit mit verdienten Spielern?

Was wird aus dem Bundestrainer? Der am Abend nach der Niederlage wirkte, als könne er nur mit Mühe noch Fragen beantworten, aber ansonsten doch eigentlich nur in Ruhe gelassen werden wollte. Als die unvermeidliche Frage nach persönlichen Konsequenzen gestellt wird, sagt Joachim Löw müde: »Ich bin heute Abend einfach nur enttäuscht. Wir haben es nicht verdient, wieder Weltmeister zu werden, wir haben noch nicht einmal die Vorrunde überstanden. Und wir sind in Russland verdient ausgeschieden.« Die Leichtigkeit habe gefehlt, die Dynamik, der Siegeswille, alles. »Wir haben es nicht geschafft, unsere normale Leistung auf den Platz zu bringen, woran das gelegen haben mag, wird zu analysieren sein«, sagt Löw. Er flüstert fast. »Für die personellen Wechsel übernehme ich die Verantwortung, ich war der Meinung, die richtige Mannschaft aufgestellt zu haben.« Was für eine verhängnisvolle Fehleinschätzung.

»Ich bin wirklich geschockt, dass wir es nicht geschafft haben, Südkorea zu schlagen.« Wie es mit ihm weitergeht, das »ist jetzt nicht der rechte Zeitpunkt, das zu entscheiden. Ich brauche erst einmal ein wenig Ruhe, wir werden über alles reden müssen«. Man habe natürlich immer gewusst, wie es in der Begegnung zwischen Schweden und Mexiko steht. »Wir wussten, dass wir Tore brauchten. Wir haben Verteidiger herausgenommen und Angreifer eingewechselt, es nutzte alles nichts.« Mario Gomez kam in die Mannschaft, Thomas Müller, Julian Brandt, alles Spieler, die Löw gegen Südkorea nicht in der Startformation sehen wollte. Um es im Laufe des Spieles zu revidieren.

Ob nun eine dunkle Phase im deutschen Fußball anbreche, wird Löw gefragt. Der Bundestrainer schaut, als überrasche ihn diese Frage. Dann sagt er: »Das glaube ich eigentlich nicht. Wir sind 2014 Weltmeister geworden, 2017 haben wir den Confed Cup gewonnen, wir haben das letzte Jahrzehnt des internationalen Fußballs beherrscht.« Aber was ist davon übrig geblieben? Es zählt zu den wesentlichen Erkenntnissen des Spitzensports, das vergangene Erfolge in der Gegenwart nichts mehr zählen. Manuel Neuer sagt: »2014 interessiert keinen mehr, es interessiert nur 2018.« Mats Hummels sagt: »Ich habe jetzt zwei Weltmeisterschaften gespielt, ein Triumph und ein Tiefpunkt, wir sind enttäuscht, wir waren nie dominant, vieles hat nicht gepasst, aber es ist das erste Mal in zwölf Jahren, dass Joachim Löw nicht erfolgreich ist.« Zur Zukunft des Bundestrainers will sich Hummels nicht äußern.

Löw erzählt noch etwas von überzeugenden Trainingsleistungen, von einer guten Vorbereitung in Südtirol, dabei war eigentlich die ganze Zeit klar, dass es in der Mannschaft atmosphärisch nicht stimmt. Die Weltmeister sahen sich immer noch als Weltmeister, meilenweit von denjenigen entfernt, die ihre Nachfolge antreten wollen. »Wir sind ein Team«, nichts als Lippenbekenntnisse, die der Realität nicht Stand gehalten haben.

In der Nationalmannschaft wird nun eine Rücktrittswelle erwartet. Sami Khedira, Mesut Özil, Thomas Müller? Ihnen gehört die Zukunft nicht mehr, und das wissen sie. Und dass ausgerechnet Joachim Löw, der seit zwölf Jahren im Amt ist, nun der große Neukonstrukteur des deutschen Spitzenfußballs werden soll, kann sich niemand wirklich vorstellen. Außer Reinhard Grindel, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), und Oliver Bierhoff, Nationalmannschaftsmanager. (GEA)

Bierhoff soll in Frankfurt die Zukunft, die Akademie aufbauen. Angesichts der Aktivitäten von Bierhoff entsteht da vermutlich eher eine Bühne für Sponsoren als ein Ort wissenschaftlicher Sinnsuche und der Erforschung neuer Wege. Der deutsche Fußball hat sich in den letzten Jahren mehr um Werbung und Marketing gekümmert als um die sportliche Qualität und Perspektive. Der Tiefpunkt ist erreicht, und der deutsche Fußball braucht dringend neue Impulse. (GEA)