MELBOURNE. Alexander Zverev hat das Finale der Australian Open glatt in drei Sätzen verloren. Ernüchterung macht sich breit. Es scheint, als müsste Tennis-Deutschland noch lange auf seinen nächsten Grand-Slam-Sieger seit dem Triumph von Boris Becker 1996 in Melbourne warten.
Keine Frage, Zverev ist ein begnadeter Spieler. Der 1,98-Meter-Hüne erfüllt körperlich und technisch alle Voraussetzungen, um sich mit einem Grand-Slam-Titel zu belohnen. Kaum einer ist athletischer, kaum einer kann schneller spielen. Und trotzdem blieb ihm auch im Finale von Melbourne der große Wurf verwehrt. Warum?
Weil es im Tennis nicht nur um Talent und harte Arbeit geht. Matches auf Spitzenniveau werden mit dem Kopf entschieden. Und hier zeigt sich der erfolgreichste deutsche Tennisprofi seit Becker zu anfällig. In zu vielen wichtigen Matches fehlen dem Hamburger die letzten paar Prozentpunkte. Klar, gegen einen Jannik Sinner kann man verlieren. Aber ein Spieler mit Zverevs Fähigkeiten muss in der Lage sein, auch den Weltranglistenersten konstanter unter Druck zu setzen. Der 27-Jährige spielte aber häufig nur mit.
Wie nahe gehe ich an die Grundlinie? Welches Risiko wähle ich in der Situation? Wie sehr gehe ich aufs Gas? Genau bei diesen Entscheidungen trennt sich die Spreu vom Weizen. Sie sind das Zünglein an der Waage. Sie haben weder mit Athletik, noch mit Technik und auch nur bedingt mit Taktik zu tun. Das ist Instinkt, Intuition und Selbstverständnis. Zverev lässt dies leider allzu oft vermissen.
»Ich bin nicht gut genug«, urteilte der Weltranglistenzweite nach dem verloren gegangen Match über sich selbst. Einsicht ist bekanntlich der erste Schritt zur Besserung. Man kann nur hoffen, dass Zverev mit seinem Team die richtigen Schlüsse aus der dritten Grand-Slam-Niederlage zieht. Vielleicht klappt es dann doch irgendwann mit dem lange ersehnten Titel. Man wünscht es ihm. Um es allerdings mit den Worten Johann Wolfgang von Goethes zu sagen: Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. (GEA)