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Aktuell INTERVIEW

Metzinger Tennisstar Laura Siegemund veröffentlicht erstes Buch

Die Metzinger Tennisspielerin gibt in ihrem Buch Hilfe, »um eine bessere Version von sich selbst zu werden«.

Die Metzingerin Laura Siegemund ist jetzt auch Buchautorin.  FOTO: WEBER/EIBNER
Die Metzingerin Laura Siegemund ist jetzt auch Buchautorin. FOTO: WEBER/EIBNER
Die Metzingerin Laura Siegemund ist jetzt auch Buchautorin. FOTO: WEBER/EIBNER

REUTLINGEN. Die noch aktive Metzinger Profi-Tennisspielerin Laura Siegemund hält schon seit geraumer Zeit immer wieder Vorträge im Bereich Leistungssport oder in Unternehmen, in denen es naturgemäß um Leistungen geht. Inzwischen ist sie unter die Buchautoren gegangen und hat jetzt ihr Erstlingswerk gemeinsam mit dem Sportwissenschaftler und Mentaltrainer Professor Dr. Stefan Brunner veröffentlicht. Allerdings ist es keine – wie für Sportler sonst so üblich – Autobiografie. Es ist ein mit Sportfotos von ihr bebildertes Fachbuch unter dem Titel »Wild Card. Herausforderungen mental meistern« und bietet Inspiration und Anregungen für alle, die an sich arbeiten wollen und »um«, so Laura Siegemund, »eine bessere Version von sich selbst zu werden«.

GEA: Laura, jetzt sind Sie nicht nur Tennisprofi, sondern auch Autorin. Sind Sie nur Co-Autorin oder eine gleich-berechtigte Voll-Autorin?

Laura Siegemund: Keiner von uns beiden Autoren ist auf ein Trittbrett aufgesprungen, wir sind beide gleichermaßen an diesem Buch beteiligt. Stefan und ich haben alles gemeinsam erstellt, uns alle Texte gemeinsam erarbeitet.

Was war Ihre Motivation, überhaupt ein Buch zu schreiben? Wie kamen Sie auf die Idee?

 Siegemund: Grundsätzlich schreibe und formuliere ich schon immer gerne, bringe meine Gedanken und Erfahrungen in meiner täglichen Arbeit oft zu Papier, um sie für mich zu sortieren. Ich verbringe den ganzen Tag mit Tennis und mit allem, was dazu gehört, an mir zu arbeiten, um in entscheidenden Momenten eine optimale Leistung abrufen zu können. Das gilt für die physische, die technische und vor allem auch die mentale Ebene. Zudem hatte ich schon länger vor, ein Fachbuch über Psychologie zu schreiben, weil sie mich schon immer fasziniert und interessiert hat und ich aufgrund meines Studiums und meiner Erfahrungen im Leistungssport darüber viel aus erster Hand berichten kann. Aber ich habe einen Anstoß gebraucht und den hat mir Stefan gegeben.

Das Buch-Cover von Laura Siegemunds Erstlingswerk. FOTO: GEA-REPRO/DPA
Das Buch-Cover von Laura Siegemunds Erstlingswerk. FOTO: GEA-REPRO/DPA
Das Buch-Cover von Laura Siegemunds Erstlingswerk. FOTO: GEA-REPRO/DPA

»Wir müssen verstehen, dass es darum geht, den eigenen Weg zu finden«

 Wie muss man sich die Zusammenarbeit vorstellen?

Siegemund: Wir haben uns optimal ergänzt, weil er durch seinen journalistischen Hintergrund Prägnanz und Struktur in den Inhalt bringen konnte. Ein Buch muss ja irgendwo anfangen und enden. Er hat mir geholfen, meine Gedanken und Notizen in Form zu bringen und stichhaltig wissenschaftlich zu untermauern. Ich habe Erfahrungen und Strategien aus meiner täglichen Praxis und meiner fast zwanzigjährigen Karriere einfließen lassen. Er hat Wissen aus seiner langjährigen Arbeit als Journalist und Mentalcoach mit eingebracht. Seine vielen Gesprächen mit Profis aus den unterschiedlichsten Leistungsbereichen haben meine Erfahrungen auf der Tour wertvoll ergänzt. Wir konnten uns sozusagen als zwei Profis auf psychologischer Ebene unterhalten und das hat inhaltlich Früchte getragen.

In welcher Zeit haben Sie dann das Buch geschrieben?

Siegemund: Es begann im ersten Corona-Lockdown. Plötzlich hatte ich Zeit. In der Phase, als alles lahmgelegt worden war, konnte ich mir konkrete Zeitfenster für die Arbeit am Buch nehmen. Im ersten Lockdown war ich in den USA und hatte dort eine Trainingsphase begonnen. Deshalb hatte ich einen geregelten Tagesablauf und mehr Zeit als sonst, wenn ich – wie normalerweise – auf Turnieren unterwegs bin. Die konnte ich sinnvoll fürs Schreiben und Gespräche mit Stefan über unsere Inhalte nutzen. Das hat alles perfekt für die Arbeit am Buch gepasst.

Aber was waren Ihre Beweggründe, von sich selbst zu erzählen?

Siegemund: Die meisten der herausfordernden Situationen, denen man im Profisport generell und im Tennis im Speziellen ausgesetzt ist, finden sich auch in anderen Lebensbereichen wieder, in denen es um Leistung geht. Die Themen, die wir ansprechen, sind allgegenwärtig, spannend und betreffen alle Menschen, die sich wünschen in anspruchsvollen Situationen besser agieren zu können und letztendlich das Beste aus sich herauszuholen, wenn's drauf ankommt. Diesen Menschen möchte ich Inspiration geben, ihren eigenen Weg zu finden, und ihnen konkrete Handlungsstrategien vorstellen, ihn dann auch konsequent zu gehen.

Woher wissen Sie, dass diese Themen allgegenwärtig sind?

Siegemund: Bei meinen Vorträgen habe ich immer wieder erlebt, dass ganz unterschiedliche Menschen anschließend auf mich zugekommen sind und gesagt haben: Das, was ich hier gehört habe, hat mich total abgeholt. Darin habe ich mich sehr wiedergefunden, indem, was ich leisten muss. Es hat mir geholfen, wie ich in der ein oder anderen Situation mit Druck, Nervosität, Kontrollverlust oder Zweifeln besser umgehen kann; was meine wahren inneren Motivationsgründe sind und wo meine Potenziale liegen.

Also wollten Sie das, was Ihnen selbst am Herzen liegt, weitergeben?

Siegemund: Ja, ich habe für mich entdeckt, wie viel Freude es mir bereitet, Menschen auf ihrem ganz persönlichen Weg zu helfen und ihnen etwas weitergeben zu können, das mich bereits auf meinem eigenen Weg vorangebracht hat. Es ist spannend, dass mein Wissen und meine Erfahrungen aus den Extremsituationen des Leistungssports so vielfältig anwendbar sind und im Leben in den unterschiedlichsten Facetten immer wieder auftauchen. Deshalb ist es mir auch wichtig zu betonen, dass es nicht ausschließlich ein Buch für Tennisspieler oder -trainer ist. Auch wenn Tennis die Ausgangssituation ist, so besteht das Hauptziel darin, alle ambitionierten Menschen anzusprechen, die an sich arbeiten und in ihrem Bereich besser werden möchten. Dabei ist es egal, ob es sich um Leistung in Schule, Sport, Musik, Politik, im Arbeits- und Geschäftsleben oder im Alltag handelt. An unsere eigenen Grenzen stoßen wir in all diesen Bereichen immer wieder. Es geht beispielsweise um Themen wie: mit den eigenen Emotionen klug umzugehen, mit psychischer Anspannung klarzukommen, Rückschläge wegzustecken, die Grundsteine für langfristiges persönliches Wachstum zu legen und Leistung auf den Punkt abrufen zu können – selbst wenn die Bedingungen es uns schwer machen.

Also ist es ein allgemeiner Ratgeber?

Siegemund: Es ist definitiv kein Handbuch mit Handlungsanweisungen nach der Gleichung: So musst du es machen, dann funktioniert’s. Es geht vielmehr darum die Leser anzuregen, sich mit sich selbst und dem eigenen Leistungsvermögen auseinanderzusetzen. Hierzu gebe ich Beispiele, wie ich mit konkreten Herausforderungen auf dem Platz umgehe und welche anderen Lösungsmöglichkeiten es noch gibt−Beispiele von anderen Hochleistern, die wiederum mit ihren Strategien erfolgreich sind. Welche Parallelen und welche Unterschiede in den Herangehensweisen gibt es? Welche Lösung könnte die richtige für dich sein? Das Ganze wird durch wissenschaftliche Belege und Theorien erläutert und fundiert. Wir alle müssen verstehen, dass es darum geht, den eigenen, ganz persönlichen Weg zum Erfolg zu finden. Wenn das Buch in den Menschen etwas bewegt, sie inspiriert und dazu anregt, sich mit sich selbst zu beschäftigen und nicht nur den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen – dann hat es schon viel erreicht.

Menschen möchten aber doch gerne Pauschallösungen serviert bekommen?

Siegemund: Ja, das ist genau das Problem an der Sache. Pauschallösungen gibt es im Hochleistungsbereich keine. Und das gilt nicht nur für den Sport. Der Weg zu dem, was wir selbst als Erfolg definieren, ist ein ganz individueller. Man kann sich zwar bei anderen was ›abgucken‹, die Hauptarbeit liegt aber darin, sich selbst kennenzulernen und das herauszukristallisieren, was für einen selbst – dauerhaft – am besten funktioniert.

Ist dieses Buch also ein erster Schritt dahin, dass Sie nach Ihrer Profilaufbahn als psychologische Beraterin arbeiten wollen?

Siegemund: Das kann ich mir auf alle Fälle beruflich vorstellen. Das Buch ist sicher schon ein Grundstein in Richtung Coaching, wie es auch meine Vorträge sind. Das ist ein Bereich, der mich in Zukunft mehr und mehr interessiert. Auch jetzt, während meiner aktiven Profizeit, möchte ich mich dahin gehend selbst immer weiterentwickeln und weiterbilden.

Warum haben Sie den Titel »Wild Card« gewählt?

Siegemund: Weil der Titel sehr viel von dem repräsentiert, was ich mit mir selbst in Verbindung bringe. In dem Wort steht wild. Das bin ich auch – auf eine positive Weise. Ich glaube, ich war und bin als Spielerin immer authentisch, immer voller Energie und Feuer – etwas wild eben. Ich habe die Dinge immer so gemacht, wie sie sich für mich richtig angefühlt haben, unabhängig davon, ob es der Meinung anderer Menschen entsprach oder nicht. Doch im Tennis-Fachjargon bedeutet dieser Begriff auch eine Art spezielle Eintrittskarte für ein Turnier, für das man eigentlich (noch) nicht qualifiziert ist. Ich habe einen meiner größten sportlichen Erfolge durch eine Wildcard eingefahren: den Sieg des Stuttgarter Porsche Grand Prix 2017. Das ist aber nur ein Grund für die Wahl dieses Titels.

»Es ist wirklich schön, wenn ich Menschen aus dem Herzen spreche und etwas weitergeben kann«

 Wieso?

Siegemund: In dem Begriff steckt ja noch vielmehr. Eine Wildcard gibt einem eine Chance zu zeigen, was man wirklich kann – genau das ist auch die Mission unseres Buches. Es soll dem Leser die Chance bieten, tief in sich zu schauen, seine Stärken und Schwächen zu erkennen, eine Bandbreite an konkreten Lösungsstrategien kennenzulernen und die besten für sich auszuwählen, um sich selbst weiterzuentwickeln. Im Tennis geht eine Wildcard oft an die, die etwas Besonderes haben, aber das eben noch beweisen müssen. Sie beinhaltet für mich etwas Freies, Unbefangenes und Unvorhersehbares, da sie oft auch an junge Spieler-innen geht, die noch nicht lange dabei sind. Aus Spielersicht ist es in jedem Falle eine Eintrittskarte für eine außergewöhnliche Reise, die es zu wagen gilt. Und dabei zu zeigen, was in einem steckt. Für die Leser gilt das gleiche Prinzip. Mithilfe unserer Anregungen selbst zu Lösungen zu kommen, ist der stärkste Weg. Für mich persönlich ist Wildcard ein sehr vielfältiger und wichtiger Begriff und deshalb war er auch so passend für das Buch. (GEA)

ZUR PERSON

Laura Siegemund, geboren am 4. März 1988 in Filderstadt, ist seit ihrer Jugend verbunden mit dem TC Metzingen und wohnt in Stuttgart. Mit dem Turniersieg 2020 im Doppel an der Seite der Russin Vera Swonarewa bei den US Open und dem Viertelfinal-Einzug bei den French Open 2020 feierte sie nach ihrem Sieg im Mixed bei den US Open 2016 und ihrem Einzeltriumph am 30. April 2017 beim Porsche Grand Prix in Stuttgart ihre größten Erfolge. 2017 erlitt sie auf dem Höhepunkt ihrer Laufbahn einen Kreuzbandriss und musste zehn Monate lang pausieren. Ihre bislang höchste Platzierung als Nummer 27 der Welt stammt vom August 2016. Sie hat ein abgeschlossenes Psychologiestudium und die A-Trainerlizenz des Deutschen Tennisbundes. Das Buch "Wild Card. Herausforderungen mental meistern. Vom Spitzentennis lernen. Im Leistungssport anwenden. Auf Chancen übertragen" von Laura Siegemund und Stefan Brunner, ist erschienen im Meyer & Meyer Verlag, umfasst 272 Seiten und kostet 30 Euro. (bib)