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Der jähe Absturz des Geheimfavoriten Österreich

Ralf Rangnicks Team wurde nach der beeindruckenden EM-Vorrunde viel zugetraut. Nach dem Aus ausgerechnet in Leipzig war der Nationaltrainer sichtlich mitgenommen

Diesmal helfen alle Fingerzeige nicht: Für Österreichs Trainer Ralf Rangnick (links) und sein favorisiertes Team ist die EM schn
Diesmal helfen alle Fingerzeige nicht: Für Österreichs Trainer Ralf Rangnick (links) und sein favorisiertes Team ist die EM schneller als erwartet vorüber Foto: Robert Michael/dpa
Diesmal helfen alle Fingerzeige nicht: Für Österreichs Trainer Ralf Rangnick (links) und sein favorisiertes Team ist die EM schneller als erwartet vorüber
Foto: Robert Michael/dpa

LEIPZIG. Es war ein doppelter Tiefschlag für Ralf Rangnick. Das völlig unerwartete Aus bei der Fußball-EM gegen die Türkei, die man im März im Testspiel noch mit 6:1 vom Platz gefegt hatte, traf ihn ins Mark. Und dann musste er die Bruchlandung des Geheimfavoriten auch noch ausgerechnet in Leipzig hinnehmen, seiner ehemaligen Wirkungsstätte. Mit versteinerter Miene und sichtlich mitgenommen machte Austrias Nationaltrainer deutlich, wie wenig man mit diesem jähen Ende der EM-Träume gerechnet hatte. »Für uns war klar, dass die Reise noch länger weitergeht«, sagte der 66-Jährige in die Mikrofone.

Und nun das. Die Alpen-Republik, wo der »Fußball-Professor« hoch verehrt wird, litt mit. »Komplette Leere bei Österreichs EM-Helden«, schrieb das Boulevard-Blatt Krone. Die Tageszeitung Kurier brach das Unerwartete sprachlich elegant auf die Metapher herunter: »Das österreichische Fußball-Märchen ist ausgelesen.« Entsprechend groß war die Ernüchterung. Nach einer beeindruckenden Vorrunde, in der Kapitän Marko Arnautovic & Co. sich den Gruppensieg vor den großen Fußball-Nationen Frankreich und Niederlande gesichert hatten, schien die Türkei nach der Papierform nicht viel mehr als eine Durchgangsstation auf dem Weg ins Viertelfinale zu sein.

Sensationelle Parade von Günok

Es wurde ein Sturmlauf mit 21:6 Torschüssen. Doch der Gegner ging effektiver mit seinen Chancen um. Rangnick monierte die eigene Abschluss-Schwäche und dass man bei zwei Eckbällen, als jeweils der türkische Verteidiger Merih Demiral traf, nicht gut verteidigt habe. Der Teamchef ließ in der Stunde der großen Enttäuschung einen dritten Gesichtspunkt nicht unerwähnt. »Wir hatten sicherlich nicht das notwendige Glück, sonst wäre die Chance von Baumi reingegangen.« Der Leipziger Christoph Baumgartner hatte in der Nachspielzeit die ganz große Kopfball-Gelegenheit zum Ausgleich. Doch mit einer Glanztat rettete Torhüter Mert Günok der Türkei den Sieg und stürzte zugleich Rangnicks Team ins Jammertal. »Das war eine der besten Paraden und für mich eigentlich ein sicheres Tor«, staunte der Freiburger Michael Gregoritsch, der zuvor Österreichs Anschlusstreffer markiert hatte. Auch auf der Gegenseite herrschte Verblüffung. »Ich konnte nicht glauben, was ich sehe. Er hat den Ball spektakulär gehalten«, sagte Doppel-Torschütze Demiral über den mit 35 Jahren ältesten Spieler des Sieger-Teams.

Als ein englischer Journalist diese Szene mit einer legendären Rettungstat des legendären englischen Torhüters Gordon Banks 1970 gegen Pelé verglich, sagte Rangnick nur ein Wort: »Stimmt.« Der türkische Nationalcoach Vincenzo Montella, der schon den FC Sevilla und AS Rom trainiert hat, lobte den aufopferungsvollen Abwehrkampf seiner Mannschaft: »Ich habe das türkische Herz heute gesehen und das ist es, was ich an diesem Land liebe.«

WM-Teilnahme erklärtes Ziel

Mit dieser Vielzahl an Tor-Möglichkeiten auszuscheiden, war für Österreich doppelt bitter. Zumal die Mannschaft mit erfrischendem Angriffsfußball auch in den Spielen zuvor sich viel Anerkennung verdient hatte. Rangnick mit leichtem Sarkasmus: »Alle vier Spiele von uns hatten den höchsten Unterhaltungswert.« Der Coach, der im Mai den Bayern abgesagt hatte, um seinen Vertrag als Nationaltrainer bis 2026 zu erfüllen, blickt nun in die Zukunft. Erst wartet die Nations League mit dem ebenfalls im EM-Achtelfinale ausgeschiedenen Slowenien sowie Norwegen und Kasachstan.

Im nächsten Jahr steht dann die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2026 in den USA, Mexiko und Kanada auf dem Programm. Dort teilzunehmen, ist das erklärte Ziel, nachdem Austria zuletzt 1998 in Frankreich bei einem World Cup mit von der Partie war. »Wenn wir so spielen wie hier bei der EM haben wir sehr gute Chancen, uns zu qualifizieren«, ist Rangnick überzeugt. Ob dann Marko Arnautovic (35), einer der profiliertesten Profis des Nachbarlandes, noch dabei sein wird, ist offen. In der Enttäuschung über das frühe EM-Aus sagte der Offensivspieler bei ServusTV lediglich, er müsse »das erst mal verkraften«. (GEA)