METZINGEN. Bereits im vergangenen Jahr fragte man sich bei einem Besuch beim ITF-Profi-Turnier Metzingen Open am Bongertwasen ab und an: Dieses Gesicht kommt einem doch irgendwie bekannt vor. Oder etwa doch nicht? Und ja: Die Chancen für die Tennis-Fans aus der Region stehen tatsächlich sehr gut, dass ihnen dieser Mann aus Stuttgart schon einmal im Fernsehen oder auf Social Media begegnet ist. Die Rede ist von Nico Helwerth.
Der 38-Jährige war spätestens im vergangenen Sommer in aller Munde. Im Jugendsprech würde man sagen: Er ist so richtig viral und steil gegangen. Dafür benötigt es eine Erklärung: Helwerth ist beim Tennisweltverband (ITF) angestellt, unter dessen Dach auch die Metzingen Open ausgetragen werden. Der Stuttgarter ist einer von weltweit nur 30 Personen, die im Besitz der höchsten Schiedsrichterlizenz sind. Er ist damit bei den größten Turnieren in der ganzen Welt unterwegs. Vor allem bei den Grand-Slam-Turnieren, der Crème de la Crème des Tennissports. Diese werden von der ITF veranstaltet. Andere Turniere wie zum Beispiel die Boss Open in Stuttgart oder das Event am Hamburger Rothenbaum laufen hingegen unter der Organisation der Spielervereinigung ATP, die für die weltweite Herren-Turnierserie verantwortlich ist.
Helwerth hat bereits drei Endspiele als Stuhlschiedsrichter, der sogenannten Umpire, geleitet. Bei den Australian, den French und US Open. Mehr geht nicht. Seinen bekanntesten Auftritt hatte er jedoch 2023 im Sechzehntelfinale des Rasenklassikers in Wimbledon beim Duell zwischen dem inzwischen viermaligen Grand-Slam-Sieger Carlos Alcaraz aus Spanien und dem Chilenen Nicolas Jarry. Was war passiert? Ein etwas verunglückter Rückhandschlag des Weltranglistendritten verfehlte das Feld klar. Der Ball bewegte sich in Richtung des Schiedsrichterstuhls und Helwerth, der die gelbe Filzkugel völlig lässig mit der rechten Hand aus der Luft fischte und ihn danach zu einem Ballkind unter seinem Stuhl fallen ließ.
Die Zuschauer tobten und jubelten über diese kuriose Aktion. Dabei verzog der Schiedsrichter keine Miene. Völlig selbstverständlich blickte er ins Rund des weitläufigen Center Courts. Ganz nach dem Motto: Was habt ihr denn? Alle großen und renommierten britschen Medien wie beispielsweise auch die BBC berichteten darüber. »The Independent« ging sogar soweit und schrieb: »Wimbledon-Schiedsrichter Nico Helwerth mit dem Fang des Turniers.« Auch der offizielle Wimbledon-Instagram-Kanal hat den Catch des 38-Jährigen in einem Clip aufbereitet. Bis heute haben fast 14 Millionen Menschen das Video angeschaut. Eine absurde Zahl. Das findet auch Helwerth, der im GEA-Gespräch am Dienstag jedoch betont: »Klar, das war ja auch eine ganz lustige Sache. Aber aus Schiedsrichtersicht war es mehr Fame, als man eigentlich haben möchte. Denn auch bei uns gilt: Wenn man am nächsten Tag nicht weiß, wer der Schiedsrichter war, dann hast du einen guten Job gemacht.«
»Das macht genau den Reiz aus bei uns. Man hat jede Woche eine ganz andere Veranstaltung«
Was aber hat das ganze jetzt mit den Metzingen Open zu tun? Ziemlich viel. Denn im vergangenen Jahr war der Stuttgarter als Supervisor beim internationalen Profi-Turnier am Bongertwasen im Einsatz. Das ist eine Aufsichtsperson vom Tennis-Weltverband, die bei den Turnieren jeweils vor Ort ist, den Überblick über das Geschehen hat und als Ansprechpartner für alle Beteiligten dient. Auch für die Turnierleitung um Direktor Markus Gentner. Auch in diesen Tagen war Helwerth wieder in Metzingen dabei. Jedoch nicht als Supervisor. Dieses Jahr ist Sören Friemel mit dieser Aufgabe vertraut. Der 38-Jährige hingegen fungierte an den ersten Turniertagen als Coach für die jungen Stuhlschiedsrichter und gab seine Expertise in vielen Gesprächen und Analysen weiter.
Am Mittwoch ging es für Helwerth jedoch direkt weiter in Richtung Paris. Es sind bereits seine vierten Olympischen Spiele. 2012 in London feierte er seine Premiere. Damals noch als Linienrichter. Zwischen Wimbledon und Olympia also noch kurz zu Gast bei den Metzingen Open. Klingt irgendwie nach einem lästigen Pflichttermin. Doch ganz im Gegenteil. »Das macht genau den Reiz aus bei uns. Man hat jede Woche eine ganz andere Veranstaltung«, betont er. Natürlich seien die großen Turniere eine tolle Sache. Dann aber wieder bei einer kleineren und »familiäreren« Veranstaltung dabei zu sein, »wo man engeren Kontakt zum Turnierteam hat wie hier, finde ich auch sehr besonders«, sagt Helwerth, der nebenbei auch noch in einer Unternehmensberatung tätig ist und ergänzt: »Der Kontakt zur Basis ist sehr wichtig. Nur Grand Slams wäre nichts für mich. Du brauchst eine gute Mischung. Sonst weist du das alles auch nicht zu schätzen.«
»Eine wirklich hervorragende Veranstaltung. Hier wird an ganz viele Dinge gedacht, an die bei anderen Events in dieser Kategorie vielleicht nicht immer gedacht wird«
Helwerth, der auch Präsident des MTV Stuttgart ist, hat gefühlt alles gesehen, was die Welt des Tennissports zu bieten hat. Doch wie schätzt er die inzwischen dritte Auflage des internationalen Profi-Turniers im Ermstal ein? Der 38-Jährige muss es wissen. Er lobt: »Das ist eine wirklich hervorragende Veranstaltung. Hier wird an ganz viele Dinge gedacht, an die bei anderen Events in dieser Kategorie vielleicht nicht immer gedacht wird. Es ist ein sehr, sehr professionelles Umfeld mit einem extrem professionellen Auftreten.«
Er komme »super gerne hier her«, ergänzt Helwerth weiter. Der Schwabe hebt insbesondere auch die Bedingungen hevor, die die Jungprofis in Metzingen vorfinden. Es gebe viel Platz, sogar ein Gym und sehr gute Verpflegung. Zudem seien die Hotels alle nahe beieinander und die Plätze in einem hervorragenden Zustand. Unter dem Strich lautet das Urteil des Weltklasse-Schiedsrichters: »Die Metzingen Open haben mit Sicherheit sehr gute Chancen in der Preisgeld- und Turnierkategorie aufzusteigen. Hier ist sehr viel Potenzial vorhanden.« Mal schauen, was die Zukunft bringt. Für Helwerth steht jetzt erstmal Olympia auf dem Plan. Ein sehr abwechslungsreiches Programm. (GEA)