BACKNANG. Es war ein bizarrer Samstagnachmittag für die Fußballer des SSV Reutlingen, die bei der TSG Backnang ohne ihren am Mittwoch entlassenen Trainer Philipp Reitter um Punkte kämpften. Denn irgendwie war ihr ehemaliger Chef beim 1:1 (1:1) gegen den direkten Konkurrenten im unteren Tabellendrittel der Oberliga doch überall präsent. »Heute war alles Philipp Reitter«, meinte Marcel Binanzer. »Sogar beim Aufwärmen standen noch seine Buchstaben auf den Hütchen drauf.« Das galt auch für die Handschrift des Spiels der Nullfünfer. »Klar. Wir lernen ja nicht in drei Tagen neu Fußballspielen«, versicherte der Torwart.
Insgesamt war den Gästen nach einem »kampfbetonten Spiel«, wie es Interimscoach Daniel Bogdanovic nannte, weder zum Jubeln, noch zum Heulen zu Mute. Nach dem Abpfiff herrschte eine seltsame Stimmung. Zunächst schien keiner so richtig greifen zu können, wie das Resultat nun zu bewerten sei. Klar wurde aber eines: Ein wenig traurig waren im Prinzip alle Kicker, dass es Reitter inmitten der Trainingswoche erwischt hatte. Tom Schiffel brauchte einige Sekunden, um die richtigen Worte zu finden, ehe er begann: »Ja...was soll ich dazu noch groß sagen. Ich habe es schon oft mitgemacht. Ruhe bringt es natürlich nicht rein.« Luca Meixner versicherte wie bereits zahlreiche andere: »Wir hatten ein gutes Verhältnis zu ihm, haben gut zusammengearbeitet. Aber letztendlich haben wir Spieler halt die Punkte nicht eingefahren. Es ist sehr, sehr bitter. Wenn wir zwei Spiele mehr gewinnen, redet wahrscheinlich niemand über eine Entlassung.«
Am Ende überwog wohl doch die Erleichterung, dass nach dem ersten Schock am Mittwoch am Samstag immerhin eine Niederlage und damit der zweite Tiefschlag ausblieb. »In Summe geht der Punkt in Ordnung«, bilanzierte Binanzer. »Es war ein großer Kampf.« Vor allem in der letzten Viertelstunde. Denn nachdem Daniel Breuninger die eigenen Farben schon nach neun Minuten in Führung köpfte und Niklas Benkerser (32.) die TSG Backnang zurückbrachte, musste der SSV alles reinwerfen, um den einen Zähler zu halten.
Plattenhardt geht voran
Ein wesentlicher Faktor, dass das gelang, war Routinier Luca Plattenhardt. Nicht nur, weil er in der 87. Minute auf der Linie klärte und das 1:2 verhinderte. Vielmehr, weil er mit einer Menge Einsatz und Kampfgeist voranging und seine Teamkameraden mitzog. Der 26-Jährige begann in der Innenverteidigung, agierte dort abgeklärt und zweikampfstark. Im Spielaufbau war er mit klaren Pässen eine sichere Stütze. Nachdem Rechtsverteidiger Manuel Walz nach 30 Minuten verletzt vom Rasen musste, übernahm »Platte« seine Position und zeigte, dass er dort nicht weniger gut aufgehoben ist. Sichtlich angestrengt rannte der regionalliga-erfahrene Kicker von vorne nach einem Vollsprint wieder in die eigene Hälfte und sicherte sich dort den Ball. Der 1,78-Meter-Mann wurde nicht müde zu kämpfen.
Binanzer hält Punkt fest
Ebenfalls eine gute Leistung zeigte Keeper Binanzer. In Summe erarbeitete sich Backnang vor 400 Fans im Etzwiesenstadion ein leichtes Chancenübergewicht - gerade in Durchgang zwei. Aber Reutlingens Nummer eins hielt den Punkt wieder und wieder fest. Machte das Heimteam Druck, war der 33-Jährige immer anspielbar und hatte gedankenschnell eine Lösung parat. Lediglich beim Distanzknaller von Niklas Benkeser in der 32. Minute war Binanzer chancenlos. Der 25-Meter-Schuss schlug unter der Latte ein. Insgesamt zeigte sich die ganze Defensivabteilung an Spieltag zwölf bissig.
Rückkehrer bringt Schwung
Derweil unterstrich Rückkehrer Riccardo Gorgoglione, wie wichtig er für die Offensive des SSV ist. Normalerweise bekannt für seine starken Dribblings, zeigte der 32-Jährige, dass er weitaus mehr Qualitäten mitbringt. Durch seine unzähligen Sprints ohne Ball in die Tiefe war er nicht nur ein ständiger Unruheherd für die Backnanger Abwehr, sondern schaffte auch Räume für seine Mitspieler und Anspielstationen. So war es auch eine Gorgoglione-Flanke, die Breuninger zur Führung nutzte, nachdem Meixner im Strafraum den Ball knapp verpasst hatte. In der 17. Minute hätte dieser Spielzug fast wieder geklappt. Doch dieses Mal traf Yannick Toth die Hereingabe nicht scharf genug. Der agile Offensivmann rieb sich auf, bis es nicht mehr ging. Nach 74 Minuten sank Gorgoglione zu Boden und ließ sich auswechseln. Ebenso lauffreudig zeigte sich Breuninger auf der anderen offensiven Mittelfeldposition. Auftritte, die Mut machen. (GEA)