TÜBINGEN. Wie sehr Geschichte verbindet, zeigte sich zuletzt am Tübinger Institut für Sportwissenschaft (IfS). Die Länderspielpause kam für die vom damaligen Fußball-Dozenten Rainer Willfeld betreuten deutschen Hochschulmeister von 1994 genau richtig für ein Wiedersehen nach 30 Jahren. Der Termin war schon vor langer Zeit gewählt - und das keineswegs zufällig. Weil die Bundesliga und die 2. Liga Mitte November eine Länderspielpause einlegte, hatte auch der noch bis Oktober bei Zweitligist Greuther Fürth als Trainer tätige Alexander Zorniger frühzeitig zugesagt und ließ nun mit alten Kumpels alte Zeiten aufleben.
Zorniger ist quasi der »Promi« der 94er Meister-Truppe, hatte der heute 57 Jahre alte Uefa-Pro-Lizenz-Inhaber vor Fürth bekanntlich auch schon die Profiteams von Limassol auf Zypern und Bröndby IF in Kopenhagen sowie den einstigen Regionalligisten Sonnenhof-Großaspach, den damaligen Dritt- und Zweitligisten RB Leipzig sowie den Bundesligisten VfB Stuttgart trainiert. Mitte der 90er war er Schaltzentrale und Kapitän der Tübinger Uni-Mannschaft. »Es war ein Traum, die Jungs wiederzusehen«, sagte Zorniger und meinte damit natürlich auch den Trainer. »Ich wollte Alex unbedingt dabei haben, da er, bevor ich damals aus Togo zurück war, die Uni-Mannschaft betreut und trainiert hatte«, so Willfeld.
Erst Vize, dann deutscher Hochschulmeister: Ein so starkes Fußball-Team wie in den Jahren 1993 und 1994 hat die Uni Tübingen höchstens ein knappes Viertel Jahrhundert davor, zu Schlaghosenzeiten, erlebt. Beim Titelgewinn 1970 unter anderem am Ball: Schwabenpfeil Dieter Hoeneß - und ein gewisser Rainer Willfeld. Letzterer führte 1994 die Tübinger dann auch als Trainer zum Titel. Der große Wurf gelang durch ein 5:0 im Finale gegen die Auswahl der Universität Osnabrück. »Wichtig für einen Erfolg wie die Hochschulmeisterschaft ist zum einen die Qualität der Spieler, von denen viele höherklassig gespielt haben, aber natürlich auch die menschliche Komponente, die wir auf diesem Treffen erlebt haben«, erklärte der mittlerweile 79 Jahre alte Willfeld.
Dass er nach dem Meisterstück 1994 alle Hebel in Bewegung setzte, um die Tübinger auf Fußballreisen zu schicken, passt zu dem Globetrotter in Sachen Fußball. So war Willfeld in seinem langen Berufsleben weit mehr als nur Dozent am IfS, arbeitete er doch auch über 15 Jahre lang als Trainer und Entwicklungshelfer in verschiedenen, vor allem afrikanischen Ländern. Er coachte Auswahlteams von Togo, Vietnam, Burundi und Burkina Faso, dessen Nachwuchs er bei der U-17-Weltmeisterschaft in Nigeria bis ins Achtelfinale führte.
Das Fernziel der Uni-Mannschaft lag 1995 auf Japan, inklusive einer Reihe von Freundschaftsspielen. Von der Idee war der damalige Sportinstitut-Direktor Prof. Dr. Ommo Grupe begeistert. Über ihn entstand der Kontakt zu einem japanischen Assistenten, der gerade in Tübingen gearbeitet hatte. Grupe sagte damals: »Amerika kann jeder selber machen, wenn er Englisch spricht, Japan ist etwas ganz Besonderes.«
Unter anderem gab es in Fernost einen 2:1-Sieg gegen die Olympiamannschaft von Südkorea. Den Siegtreffer schoss Peter Kovar, der zu diesen Zeiten für den SV 03 Tübingen die Kickstiefel geschnürt hatte und bei weitem nicht der Einzige ist, der im Raum Tübingen und Reutlingen Lokalkolorit versprüht. Zur Meister-Mannschaft beziehungsweise dem Japan-Team gehörten unter anderen Oliver Tiedjens vom TSV Sondelfingen sowie Gero Sindek und Tobias Wagenblast vom SV 03. Thomas Moser, heute Schulleiter des Johannes-Kepler-Gymnasiums, spielte bei der TSG Tübingen, Tim Nagel wirbelte für den TSV Ofterdingen, für den auch Walter Frick das Trikot trug. Die Steinlachtäler wurden einst auch von Willfeld trainiert. Jan Müller ging in Hirrlingen auf Torejagd, der spätere Meistertrainer Christoph Schmidt spielte zusammen mit Alexander Krist und Bali Cantürk in Kirchentellinsfurt. Sven Tröster hielt beim TSV Riederich die Abwehr beisammen, Konrad Barth beim TSV Hirschau den Kasten sauber. Der Böblinger Egbert Schwartz wechselte später zum SSV Reutlingen an die Kreuzeiche, wo auch Marc Heinkelein auflief.
Die schönste Nachricht hob sich der frühere K'furter Torhüter Krist für das Schlusswort des kurzweiligen Wiedersehens auf. Weil er nicht nur ein prima Keeper gewesen sei, sondern auch ein cleveres Kerlchen, hatte er einst eigenmächtig den Restgroschen aus der damaligen Mannschaftskasse in einen Aktienfonds angelegt.
Drei Jahrzehnte später ist daraus ein satter Betrag geworden, der ausreichte, um für die versammelten Ehemaligen am Sportinstitut eine feine Feier zu finanzieren und darüber hinaus noch einen vierstelligen Betrag ans Kinderhospiz zu spenden. Eine Traumaktion. Selten war Geld wohl besser angelegt. Dieses hatten die Tübinger Studenten damals übrigens für die geplante Japanreise durch unzählige Sponsorengespräche, aber auch durch Getränke- und Wurstverkäufe, Hallenturniere und Arbeitseinsätze bei Sportlerfesten zusammengetragen. (GEA)