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Nach Prügelei: Müssen die Young Boys ihr Team abmelden?

Beim Testspiel der B-Jugend der Young Boys Reutlingen prügeln sich Spieler und Zuschauer. Der Verein wirft einen Akteur raus, einige seiner Teamkollegen drohen jetzt mit Boykott.

FOTO: DPA Foto: Agentur Agentur
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Foto: Agentur Agentur

REUTLINGEN. Als Gaetano Reich am Sonntag gegen 12.30 Uhr in seine Pfeife bläst, ahnt er noch nicht, welche Konsequenzen das haben wird. Es ist kein umstrittener Elfmeter, der die Situation eskalieren lässt, auch keine Rote Karte. Es ist eine Eckball-Entscheidung. Beim Stand von 5:3 in der letzten Minute der Nachspielzeit. Bis zu diesem Zeitpunkt haben die Zuschauer ein technisches, schnelles aber vor allem faires Testspiel zwischen den B-Jugend-Fußballern der Young Boys Reutlingen und dem TSV Neu-Ulm gesehen. »Wenn ich in der ganzen Partie zehn Freistöße gepfiffen habe, dann ist das viel«, sagt Reich.

Der 40-Jährige engagiert sich bei den Young Boys seit sieben Jahren als Jugendtrainer. Weil für die Partie am Kreuzeichestadion kein Schiedsrichter eingeteilt ist und er eine Lizenz hat, springt er ein. Die letzte Spielszene hat er so in Erinnerung: Ein Neu-Ulmer schlägt den Ball ins Toraus, es gibt Eckball. Der Spieler dreht sich um und sagt: »Das war keine Ecke.« Dann klingelt Reichs Uhr. Die Nachspielzeit ist abgelaufen, also pfeift er die Partie ab. Doch die verbale Auseinandersetzung an der Eckfahne geht weiter. »Na klar war das Ecke, das hat doch jeder gesehen«, sagt ein Young Boys-Akteur. Als beide anfangen, sich zu schubsen, läuft Reich schnell in Richtung der Streithähne, will sie trennen. Doch er kommt zu spät. 

»Plötzlich schlägt der Neu-Ulmer unserem Spieler mit der Faust ins Gesicht«, sagt Reich. In Sekundenschnelle entwickelt sich eine Prügelei an der mindestens fünf Neu-Ulmer sowie zwei bis drei Young Boys-Spieler und Zuschauer beteiligt sind. Als es Trainern und Betreuern beider Seiten schließlich gelingt, die Handgreiflichkeiten zu beenden, liegt ein Neu-Ulmer am Boden. Der Vater des Jungen, der die Faust ins Gesicht bekommen hatte, soll ihn geschlagen und am Boden liegend getreten haben.

Als Reich darauf hingewiesen wird, ruft er die Polizei. Auch ein Krankenwagen kommt und bringt den Verletzten in die Klinik. Auf dem Platz hat sich die Lage inzwischen beruhigt, die Spieler werden in die Kabinen geschickt. Erst die Reutlinger, dann die Neu-Ulmer. »Wir haben die Jungs in der Umkleide erst mal beruhigt. Wir haben ihnen aber auch gesagt, dass sie sich für diese Aktion schämen sollen«, sagt Reich. Später am Abend lässt sich auch der angegriffene Young-Boys Spieler ins Krankenhaus fahren. Seine Nase und Wange sind dick angeschwollen. 

»Wenn er nicht mehr kommen darf, komme ich auch nicht mehr«

Der Eklat beschäftigt den Reutlinger auch noch am Tag danach. Die Gewalt auf dem Sportplatz macht ihn fassungslos. Seit 14 ist er als Jugendtrainer tätig, etwas Derartiges hat er nach eigenen Angaben bislang aber noch nicht erlebt. »Gestern war ich kurz davor aufzuhören«, sagt Reich. Doch er entscheidet sich dagegen, schließlich liegt ihm etwas an »seinen Jungs«. Schluss ist dagegen für den Jungen, dessen Vater den Neu-Ulmer angegriffen haben soll. »Wir haben den Spieler rausgeworfen und dem Vater ein Platz- und Veranstaltungsverbot erteilt«, sagt Abteilungsleiter Marcel Laaß. Man toleriere keine Gewalt, begründet er die Maßnahme.

Es ist eine Entscheidung, die für die B-Jugend-Mannschaft der Young Boys weitreichende Folgen haben könnte. Die Spieler finden, dass ihr Teamkollege zu Unrecht bestraft wird. Viele von ihnen spielen bereits seit acht Jahren zusammen. In Whatsapp-Nachrichten drohen einige: »Wenn er nicht mehr kommen darf, komme ich auch nicht mehr«, sagt Reich, der ebenfalls Verständnis für den suspendierten Spieler hat. »Er kann nichts dafür, wenn sein Vater handgreiflich wird. Außerdem wurde er von fünf Personen angegangen.«

»Er kann nichts dafür, wenn sein Vater handgreiflich wird«

Mit der Reaktion der Spieler hat Reich nicht gerechnet. Der Coach will sich jetzt noch einmal mit Jugendkoordinator Steven Schanz zusammensetzen und die Entscheidung reflektieren. Klar ist für ihn: »Wenn wir es beim Rauswurf belassen, werden wir die Mannschaft womöglich vom Spielbetrieb abmelden müssen.« Für die Young Boys wäre das ein herber Schlag. Das B-Jugend-Team belegt in der Junioren-Bezirksstaffel aktuell Platz 3 und hat durchaus noch Chancen in die Verbandsstaffel aufzusteigen. (GEA)