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Vom Abgeschriebenen zum Matchwinner für die Tigers Tübingen

Vor zwei Monaten sollte Miles Tention die Tigers Tübingen verlassen. Am Samstagabend ist er der gefragte Mann in der Paul-Horn-Arena und wird zum Matchwinner des Basketball-Zweitligisten. Über einen Mann, der zum Vorbild für andere Profis taugt.

Strahlt um die Wette: Tigers-Topscorer Miles Tention.
Strahlt um die Wette: Tigers-Topscorer Miles Tention. Foto: Woern/Eibner
Strahlt um die Wette: Tigers-Topscorer Miles Tention.
Foto: Woern/Eibner

TÜBINGEN. Da stand Miles Tention nun. Mit seinem Zahnpastalächeln strahlte er auf dem Parkett in der Paul-Horn-Arena um die Wette, tanzte ausgelassen vor dem Tigers-Fanblock und erfüllte nach der Partie noch unzählige Selfie-Wünsche der Fans. Er war als Topscorer der gefragte Mann am Samstag. Manchmal wäre es schon wünschenswert, für einen Moment Gedankenlesen zu können. Was im Kopf des 1,93 Meter großen Guards des Tübinger Basketball-Zweitligisten nach dem 95:93 (36:27)-Heimerfolg gegen die Artland Dragons wohl vorgegangen ist?

Nicht einmal zwei Monate ist es her, als der GEA titelte: »Miles Tention steht vor dem Absprung bei den Tigers Tübingen.« Was heute nach der viel zitierten Fake News aussieht, war jedoch ein Fakt. Spätestens nach der Verpflichtung von Jamison Overton Anfang Februar schien der unweit von San Francisco aufgewachsene Tention keine Zukunft mehr in der beschaulichen Neckarstadt zu haben. Da ein Überbedarf an Spielern auf den Guard-Positionen herrschte. Und weil er bis dato nicht zu überzeugen wusste.

Die Verantwortlichen um den damaligen Headcoach Domenik Reinboth planten nicht mehr mit dem 26-Jährigen. Der US-Amerikaner stand in dieser Zeit nicht mal mehr im Spieltagskader. Und vom Spielerberater seiner italienischen Agentur Two Points wurde er sogar bereits anderen Vereinen angeboten. Alles änderte sich schlagartig, als sich der stark aufspielende Overton Anfang März einen Syndesmosebandriss im Sprunggelenk zuzog. Wie das im Sport halt so ist: Tention war dann plötzlich wieder gefragt.

Keiner profitiert mehr vom Trainerwechsel

Unter Reinboth zunächst jedoch nur als Rotationsspieler mit überschaubarer Spielzeit in einer kleineren Rolle. Dann wurde der 42-Jährige am 11. März nach einer sportlichen Talfahrt mit sofortiger Wirkung von seinem Amt freigestellt. Der bisherige Tübinger Sportdirektor Eric Detlev übernahm. Und betonte von Beginn an immer wieder mit Nachdruck, den Spaß in die Mannschaft zurückbringen zu wollen. Ein weiteres Ziel seiner Interimscoach-Mission: Der 49-Jährige möchte, dass die Tigers-Korbjäger wieder selbstständiger auf dem Parkett Entscheidungen treffen und befreiter aufspielen sollen.

Fünf Spiele und vier Siege später sind all diese Vorhaben von Detlev eingetroffen. Vor allem lässt sich aber sagen: Keiner hat vom Trainerwechsel mehr profitiert als Aufbauspieler Tention. Seit Tag eins nach der Trennung von Reinboth sah man einen Spieler für die Tübinger auf dem Parkett stehen, bei dem man sich fragt: Wo war der 26-Jährige im bisherigen Saisonverlauf gewesen? Sein Aufwärtstrend gipfelte nun in der sagenhaften Leistung gegen den Tabellenvorletzten aus Quakenbrück.

In einer Partie, in der die Raubkatzen in Hälfte zwei immer wieder - teilweise zweistellig - in Führung lagen, der Gegner aber immer wieder zurück ins Spiel fand. Doch Tention war im vorletzten Heimspiel der Zweitliga-Hauptrunde da, wenn es zählte. Er ging voran. In Zahlen ausgedrückt: 30 Minuten Einsatzzeit - kein Spieler stand länger auf dem Feld - 21 Punkte, vier Dreier (drei davon im dritten Viertel), fünf Rebounds und ebenso viele Vorlagen. In Worten formuliert: »Schon letzte Woche in Münster war Miles unser bester Mann. Heute denke ich wieder. Es macht sehr viel Spaß ihn dabeizuhaben«, so Detlev.

Lobeshymne von Detlev

Der nicht für große Worte bekannte Norddeutsche hatte noch weitere Gedanken mit Blick auf seinen Schützling: »Was viele nicht sehen: Er zählt zu unseren besten Verteidigern. Ich habe mir das letzte Spiel nochmal angeschaut: Miles hat quasi keinen einzigen Fehler gemacht. Keine Turnover produziert, ist in der Defense immer da gewesen, wo er sein muss und in der Offensive genauso. Er macht all das, was wir machen wollen. Absolut vorbildlich. Für mich ist er aktuell unser bester Mann.« Größer kann ein Lob kaum sein.

»Das zeigt, wie wichtig es ist, dranzubleiben und nie aufzuhören, an sich selbst zu glauben«, sagte Tention dem GEA überglücklich nach der Schlusssirene in den Katakomben. Und fügte einen äußerst interessanten Satz hinzu: »Man sollte niemals sein Selbstvertrauen in sich verlieren, weil kein anderer als du selbst es dir geben kann.« Offenbar hat es ihm Trainer Detlev aber wieder zurückgegeben. Doch der ehemalige Co-Trainer des deutschen Weltmeistercoachs Gordon Herbert zu Frankfurter Zeiten verneinte vehement: »Am Ende bekommen die Jungs sich selber hin. Ich bin kein Magier oder Physiotherapeut.« Aber ein Spielerverbesserer.

Ob Tention nach seinem Quasi-Aus vor wenigen Wochen sauer gewesen sei? »Auf keinen Fall. Es ist ein Business«, weiß er die Dinge in den richtigen Kontext zu setzen. »Jemand musste die schwierige Entscheidung treffen. Ob ich dem zustimme oder nicht, ist eine Geschichte für einen anderen Tag. Ich bin einfach glücklich eine weitere Chance bekommen zu haben«, sagte Tention. Da stand er nun. Als gefeierter Held im großen Rampenlicht. Und nicht als Spieler, der die Tigers Tübingen vor wenigen Wochen noch verlassen sollte. (GEA)