REUTLINGEN. Laternenmasten gibt es zuhauf in der Reutlinger Innenstadt und den Bezirksgemeinden. Das sollte man zumindest denken. Doch wer auf der Suche nach einem perfekten Standort für ein Wahlplakat ist, der wird schnell feststellen, dass die Auswahl doch nicht so groß ist. Fürs Plakatieren gelten genaue Vorschriften, so ist es beispielsweise nur erlaubt, innerhalb der Ortsgrenzen Plakate aufzuhängen, zudem dürfen keine Verkehrszeichen angebracht sein und auch Stellen, die gefährlich werden können, wie Kreuzungen, sind meistens tabu.
Mehr Parteien, weniger Standorte
»Die Plätze sind weniger geworden«, berichtet der Vorsitzende der Jungen Union Reutlingen, Patrick Tobies, dem GEA auf Nachfrage. Einer der Gründe: Der Schilderwald wächst unaufhörlich. Gleichzeitig gebe es heute deutlich mehr Parteien als noch vor einigen Jahren, blickt der CDUler zurück, der seine Partei seit 2017 beim Plakatieren unterstützt. Die Union setzt daher gerne auf die Frühe-Vogel-Taktik: Punkt Mitternacht am ersten Genehmigungstag sind die Plakatiertrupps der Jungen Union ausgerückt, erzählt Tobies, um als erste die besten Stellen mit Plakaten zu bestücken. »Das ist schon ein bisschen ein Spiel und ein Wettlauf«, sagt Tobies. Mit zu diesem Spiel gehört auch, dass die Parteien, die später dran sind, die Plakate der anderen weiter nach oben schieben, um für ihre Platz zu schaffen. Danach, erklärt der plakatiererfahrene Christdemokrat, gehe es oft in die nächste Runde. Die Wahlkampfhelfer ziehen erneut los und hängen ein zweites Plakat an die Laterne. Bis das Ende des Mastens erreicht oder die Leiter zu kurz ist.
Im Lauf der vergangenen Woche sei ihnen dann jedoch aufgefallen, dass die SPD Plakate widerrechtlich aufgehängt habe und das in Massen. 30 bis 40 Plakate hätten die Sozialdemokraten an falschen Orten aufgehängt, schätzt Tobies, bei rund 400 Standorten im gesamten Stadtgebiet inklusive Bezirksgemeinden also nicht gerade wenig. »Unter Verkehrszeichen wie Tempobeschränkungen, Richtungstafeln, sonstigen Verkehrszeichen und zum Teil auch außerorts (zwischen den Bezirken)« - schreibt Tobies in einem offenen Brief an Oberbürgermeister Thomas Keck, der auch an die Presse verschickt wurde. Verbunden mit der Bitte, dafür Sorge zu tragen, dass die Plakate noch in dieser Woche abgehängt werden.
Irritiert über dieses Vorgehen der Jungen Union zeigt sich der SPD-Ortsvereinsvorsitzende Mert Akkeceli. »Politischer Anstand gebietet es, solche Fragen zunächst direkt mit uns als Ansprechpartnern zu klären, anstatt über den Oberbürgermeister oder die Presse den Diskurs zu suchen. Gerne hätte ich mir die betroffenen Stellen angeschaut und, falls nötig, umgehend gehandelt«, schreibt er per Mail an den GEA. Bislang habe er vom Ordnungsamt keinerlei Rückmeldung erhalten. Dies bedeute für ihn, »dass aus behördlicher Sicht bisher alles korrekt ist«.
Plakatierungen werden emotional diskutiert
Wobei ihm bewusst ist, dass »Plakatierungen in Wahlkämpfen ein immer wiederkehrendes Thema sind, das mitunter emotional diskutiert wird«. Für die Bürger stehe jedoch weniger im Fokus, wie viele Plakate es gibt und wo sie hängen, »sondern vielmehr die Inhalte, die wir als Parteien vertreten«. Allerdings sei es auch für die SPD wichtig, »mit Plakaten sichtbar zu sein und dabei natürlich auch die geltenden Regeln einzuhalten«.
CDUler Tobies räumt ein, dass wahrscheinlich auch nicht alle CDU-Plakate richtig hängen, »aber unsere Ehrenamtler sind sehr bemüht, dies zu gewährleisten«. Der politischen Konkurrenz unterstellt der 24-Jährige keineswegs Vorsatz, aber er wünscht sich, dass sich alle an die Regeln halten. Augenzwinkernd bietet er an, »dass die Tempo-40-Begrenzungen und die Spurreduzierung an der Stadthalle wieder abgebaut werden« - dann wäre dort freier Platz für Plakate.
Sollte es tatsächlich berechtigte Einwände geben, »kümmern wir uns selbstverständlich umgehend darum«, verspricht Akkeceli. Und er hat noch einen Ratschlag für die Junge Union: »Ich empfehle, sich auf politische Inhalte zu konzentrieren, anstatt Diskussionen um vermeintlich falsch aufgehängte Plakate zu führen«. Für Tobies hingegen steht fest, dass die falschen Plakate wegmüssen - »nur so ist ein fairer Wettbewerb möglich«.
Darum wird sich nun das Amt für öffentliche Ordnung kümmern: »Sofern Hinweise zur Falschplakatierung eingehen, werden die jeweiligen Antragsteller kontaktiert und auf die ordnungsgemäße Plakatierung aufmerksam gemacht«, teilt das Amt mit. Meist habe dies Erfolg und die Wahlwerbung landet dann an den Standorten, die per Sondergenehmigung erlaubt sind. (GEA)