REUTLINGEN. Spätestens seit dem 16. Dezember wachsen und wachsen die Haare auf den Köpfen der Menschen im Land. Wie groß ist das Bedürfnis der Reutlinger inzwischen, die Lockdown-Frisur wieder professionell bändigen zu lassen? »Sehr groß«, sagt Gerhard Letsch in einer GEA-Umfrage in der Reutlinger Innenstadt. Seine eigene Mähne stört ihn weniger, dafür aber das Auftreten vieler Politiker und Fußball-Profis, die top-gestylt in den Medien zu sehen sind. »Ich kenne zwar auch eine Friseurin sehr gut, habe sie aber nicht gefragt, ob sie mir die Haare schneiden kann, weil wir uns an die Regeln halten wollen.«
Auch Jörg Axamitt kann es mit seiner Frisur »noch locker aushalten«. Er fühlt sich an seine Jugend erinnert. »Mit 16 oder 17 Jahren hatte ich auch schulterlanges Haar.« Für Axamitt ist eine Frisur »nicht überlebenswichtig«. Er ist dafür, zuerst dringendere Probleme zu lösen, etwa genügend Corona-Impstoff parat zu haben, als jetzt die Friseur-Salons wieder zu öffnen. Axamitt ist überzeugt: »Wir müssen jetzt einmal richtig durch den Lockdown, sonst fängt in drei Wochen alles wieder von vorne an und die Geschäfte bleiben noch viel länger zu.«
Anders sehen das Kevin Erhard und Udo Neugebauer. »Wir haben von Friseuren gehört, in welch massiven finanziellen Schwierigkeiten sie stecken«, erzählt Neugebauer. »Man muss die Geschäfte bald zumindest teilweise wieder öffnen, sonst gehen sie kaputt.«
Sabine Huonker kann es ebenfalls nicht nachvollziehen, warum Friseure immer noch geschlossen sind. »Man kann dort besser den Abstand einhalten als im Supermarkt.« Ihr Problem: das Haarefärben. »Ich habe das noch nie selber gemacht.« Sie will auch nicht, dass Freunde Hand an die Haare anlegen. »Die Gefahr ist mir zu groß, dass aus blond dann orange wird«, sagt Sabine Huonker. »Ich verlasse mich nur auf die Profis.« Denen würde sie gerne bald wieder einen Besuch abstatten.
Das würden auch Doris Zivojin und Ursula Belser »natürlich gerne«. »Aber wir können das Risiko nicht einschätzen, deshalb tragen wir es mit Fassung«, meint Doris Zivojin. Ursula Belser hat »Glück, dass meine Tochter mir schon immer die Haare färbt«. Mit ihrer roten Kurzhaarfrisur habe sie zwar kein Problem, im GEA wollte sie trotzdem nicht abgebildet werden – wie alle Passantinnen, die in der Innenstadt befragt worden sind.
Karin, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will, ist da keine Ausnahme. Auch sie sagt: »Das Bedürfnis ist sehr groß, endlich mal wieder zum Friseur gehen zu dürfen.« Während sie erzählt, dass sie ihrem Sohn die Haare selbst schneidet, die ihrer Tochter und die eigenen wachsen lässt, mischt sich ein Passant ein. »Ich lasse mir die Haare von meinem Friseur zu Hause schneiden.« Auf den Einwurf von Karin, dass das zurzeit illegal sei, entgegnet der Mann. »Mir egal, ich habe die Schnauze voll.«
Weil im zweiten Lockdown immer mehr Friseure in die Illegalität abdriften und bei der Kundschaft Hausbesuche machen, sind seriöse Vertreter des Gewerks alarmiert. Eine Gruppe um den Reutlinger Geschäftsführer von »Steinhoff Haardesign« hat deshalb eine Online-Petition gestartet.(GEA)