REUTLINGEN/TÜBINGEN. »Im eigenen Geschäft aktiv zu sein, fehlt mir«, sagt Ewald Hecht. Der 90-jährige Reutlinger hat erst vor sechs Jahren aufgehört, in seinem gleichnamigen Tübinger Möbelgeschäft zu arbeiten. »Arbeit war mir nie lästig, sie hat immer Spaß gemacht.« Er könne nicht verstehen, weshalb manche Leute so früh aufhören. »Arbeit trägt zum Jungbleiben bei«, sagt Hecht. Er wirkt gut gelaunt, wenngleich die Knie zuweilen schmerzen – Arthrose. »Da hilft nur Bewegung«, sagt Hecht.
Täglich trainiert er auf dem Ergometer im Reutlinger Wohnhaus und hält sich mit einer Runde draußen fit. Spazierengehen? »Ich habe Stöcke dabei und gehe mit Dampf«, betont Hecht. Früher fuhr er leidenschaftlich gerne Ski. Mit dem Rad legte er nicht nur den täglichen Weg zur Arbeit nach Tübingen zurück, sondern nahm auch an Rennen in den Bergen teil. »Immer in Bewegung bleiben«, gibt er die Devise zum guten Altwerden aus. »Und meine Frau hat auch einen großen Beitrag dazu geleistet.«
"Arbeit trägt zum Jungbleiben bei""
Das Zuhause in Reutlingen ist stilvoll eingerichtet, jedes Möbelstück ist sorgsam ausgewählt und am richtigen Platz. »Alles andere wäre ja auch schlimm«, sagt Ehefrau Antje Hecht (80) schmunzelnd. »Manche Stühle sind schon 40 Jahre alt, einige Designs zeitlos.« Sie kümmert sich noch immer um die Buchhaltung und die Finanzen des Unternehmens. Die Geschäftsleitung haben schon länger die beiden Söhne Frank und Jochen übernommen. »Frank ist studierter Innenarchitekt, Jochen Industriedesigner, das sind richtige Profis«, erzählt Vater Ewald Hecht stolz. Inzwischen hat er auch zwei Enkelkinder, die ihn gerne besuchen.
Hecht kennt die Armut
»Besser weniger kaufen, aber wertiger«, sagt der 90-Jährige. Denn wer billig kaufe, zahle oft insgesamt mehr. »Hochwertige Möbelstücke sind wertstabiler und lassen sich auch wieder verkaufen.« Allerdings muss man sich diese leisten können.
In seiner Kindheit hat Hecht Armut erlebt. Sein Vater ist vermutlich 1944 im Krieg gestorben, offiziell gilt er als vermisst. Alleinerziehend hat sich die Mutter um ihr einziges Kind Ewald gekümmert. »Wir sind mit einem kleinen Leiterwagen aufs Feld und haben als Lohn fürs Auflesen einige Kartoffeln und ein Butterbrot bekommen«, erinnert sich Hecht an die Nachkriegszeit, in der es oft zu wenig zu essen gab.
Er wollte verkaufen
»Als ich auf der Alb einmal ein Kilo Linsen und von einem Bauern ein Brot erbettelt habe, war die Freude riesig«, so Hecht. Das ist lange her, der 90-Jährige hat es als Verkäufer und Unternehmer zu einigem Wohlstand gebracht. Nach der Hauptschule begann er zuerst eine Lehre als Elektromechaniker. »Das hat mir nicht gefallen, ich wollte verkaufen«, sagt Hecht. Also schulte er um und wurde Kaufmann. Er verkaufte bei Max Moritz zuerst Autos, später im Außendienst einer Münchener Firma Alarmanlagen. In dieser Zeit lernte er auch seine Ehefrau kennen.
Sein Schwiegervater Johannes Bodenberger hatte Innenarchitektur am renommierten Bauhaus in Weimar und Dessau studiert. »Dieser Einfluss ist bis heute in unserem Unternehmen spürbar«, so Hecht. Er hatte schon etwas Geld gespart und sie entschlossen sich, am 1. August 1969 das Einrichtungsgeschäft in Tübingen zu eröffnen. »In Reutlingen gab es schon mehrere ähnliche Läden, in Tübingen noch nicht«, erklärt Antje Hecht die Entscheidung für den Standort. Sie kümmerte sich vor allem um den Einkauf und Messen. Nach einiger Zeit parallel im Außendienst stieg Ewald Hecht schließlich auch voll ein, hauptsächlich im Verkauf.
Viel Arbeit
Der zentrale Altstadt-Standort in Tübingen wurde bis zum heutigen Tag stetig ausgebaut und erweitert. »Das Geschäft ist von Anfang an gut gelaufen«, sagt Ewald Hecht. Es sei viel Arbeit gewesen, doch Schwierigkeiten wie heute, Personal zu finden, gab es nicht.
»Ich habe mir meinen ersten Porsche erspart«
In den 1970er-Jahren erfolgte die Umbenennung zu Hecht Einrichtungen und das Eckhaus in der Collegiumsgasse 1 erweiterte die Geschäftsräume. 1997 eröffneten die Söhne Frank und Jochen Hecht in Kirchentellinsfurt die Hecht Designfabrik im Gewerbepark Carl Schirm, einer ehemaligen Textilfabrik. Wie vielen Unternehmen macht dem Möbelhaus inzwischen die Konkurrenz im Internet zu schaffen. Ewald Hecht hat eine Leidenschaft für Porsche. Zuerst verkaufte er sie im Autohaus, dann konnte er sich selbst einen leisten und fuhr Rennen. »Das waren keine Luxusschiffe zum Zeigen wie heute«, sagt Hecht. »Ich habe mir meinen ersten Porsche erspart und bin sportlich gefahren.«
Hecke schneidet er noch selbst
Dieses Hobby wurde vom Rennradfahren zusammen mit den beiden Söhnen abgelöst. Einige Stürze, inkusive eines Oberschenkel-Halsbruchs, zog sich Hecht dabei allerdings zu. Auf dem Weg zur Arbeit fuhr ihn einmal ein Auto an, und er hatte ein Loch im linken Lungenflügel.
»Wenn ich jetzt in meinem Alter stürzen würde, wäre das Risiko viel größer«, sagt Hecht. Daher nur noch der Ergometer. Daheim ist er außerdem gerne im Garten. Die Hecke schneidet er selbst mit der Handschere. »Das macht Spaß«, so Hecht fröhlich. »Da sieht man die Fortschritte.« Von seiner Frau hat er inzwischen allerdings Leiter-Verbot erhalten. Ewald Hecht hält es ein, damit er noch lange gesund bleibt. (GEA)