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Aktuell INTERVIEW

Wie Hochschule und Stadt Reutlingen gemeinsam der Klimakrise begegnen

Prof. Dr. Sabine Löbbe und OB Thomas Keck über die Herausforderungen auf dem Weg zur Klimaneutralität.

Das Zeichen für Kohlendioxid steht in Flammen. Ein Hinweis auf die menschegemachte Erderwärmung durch das Klimagas. Foto: dpa
Das Zeichen für Kohlendioxid steht in Flammen. Ein Hinweis auf die menschegemachte Erderwärmung durch das Klimagas.
Foto: dpa

REUTLINGEN. Seit 2020 ist Prof. Dr. Sabine Löbbe Nachhaltigkeitsbeauftragte im erweiterten Präsidium der Hochschule Reutlingen. Thomas Keck ist seit 2019 Oberbürgermeister der Stadt Reutlingen und damit Leiter der Stadtverwaltung und Vorsitzender des Gemeinderats. Im Interview berichten sie, welche Herausforderungen auf dem Weg zu Klimaneutralität zu bewältigen sind und was sie optimistisch stimmt, dass diese in Reutlingen verwirklicht werden. Wie sieht die Strategie des Konzerns Stadt Reutlingen aus, bis 2040 klimaneutral zu sein?

Thomas Keck: Da Klimaschutz nahezu alle Lebensbereiche betrifft, sieht die Strategie vor allem vor, die großen Stellschrauben anzupacken, wie zum Beispiel den Strom- und Wärmesektor. Wenn beispielsweise am Auslauf des Klärwerks West die Wärme des Kanalnetzes mit einer Großwärmepumpe genutzt wird, können bis zu 55 Gigawattstunden pro Jahr in das Fernwärmenetz eingespeist werden. Die Abwasserwärme könnte somit die bestehende Erzeugung von gasbefeuerten Blockheizkraftwerken und Gaskesseln um bis zu 60 Prozent ersetzen. Dies entspricht dem Wärmeverbrauch von etwa 5.500 Haushalten. Das Ziel einer zukunftsfähigen, klimaneutralen Stadt ist eine Gemeinschaftsaufgabe, für die es die Anstrengungen, das Mitwirken und die Initiativen aller braucht. Wir müssen uns in vielen Bereichen neu erfinden. Ich freue mich deshalb sehr über das Reallabor Klima-RT-LAB, bei dem wir uns gemeinsam für den Klimaschutz vor Ort starkmachen.

Prof. Dr. Sabine Löbbe, Nachhaltigkeits-beauftragte der Hochschule Reutlingen, und Reutlingens Oberbürgermeister Thomas Keck sin
Prof. Dr. Sabine Löbbe, Nachhaltigkeits-beauftragte der Hochschule Reutlingen, und Reutlingens Oberbürgermeister Thomas Keck sind optimistisch, die gemeinsamen Ziele zu erreichen. Foto: Hochschule Reutlingen
Prof. Dr. Sabine Löbbe, Nachhaltigkeits-beauftragte der Hochschule Reutlingen, und Reutlingens Oberbürgermeister Thomas Keck sind optimistisch, die gemeinsamen Ziele zu erreichen.
Foto: Hochschule Reutlingen

»Den Weg zur Klimaneutralität können wir nur gemeinsam bewältigen« 

Wie wollen Sie die städtischen Mitarbeitenden bei der Umsetzung dieser Strategie mitnehmen?

Sabine Löbbe: Bei uns geht es weniger um das »Mitnehmen«, sondern um das zusammen Anpacken. Forscherinnen und Forscher mit Kolleginnen und Kollegen aus der Praxis, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeinsam mit Führungskräften.

Keck: Genau, deshalb freue ich mich sehr, dass die Kolleginnen und Kollegen bei den im Rahmen des Reallabors durchgeführten Befragungen, den Klimaschutz überwiegend als Chance sehen. Und natürlich haben wir auch im Teilprojekt »Handeln für Klimaneutralität« gemeinsam mit den Mitarbeitenden Klimaschutzmaßnahmen für den Betriebsalltag entwickelt.

Löbbe: Absolut. Nicht nur die technischen Innovationen bringen uns in Sachen Klimaschutz voran. Die Praktiken und die Kultur in der Organisation und die einzelne Person, die darin mit ihren täglichen Routinen arbeitet, beeinflussen das Erreichen des Klimaschutzes ebenso stark.

Reutlingens Oberbürgermeister Thomas Keck.
Reutlingens Oberbürgermeister Thomas Keck. Foto: Stadt Reutlingen
Reutlingens Oberbürgermeister Thomas Keck.
Foto: Stadt Reutlingen

Wo liegt die größte Herausforderung auf dem Weg zur Klimaneutralität?

Löbbe: Mich beschäftigt dabei vor allem die Frage, wie Verwaltungen und Betriebe ganz praktisch Klimaneutralität erreichen können. Welche Anreizmechanismen, Führungsstrategien und Rahmenbedingungen machen das Ziel für alle Akteure verbindlich? Wie gelingt es uns, in der Verwaltung und in den Betrieben schneller zu werden, um bis 2040 klimaneutral zu werden?

Keck: Wir erleben gerade eine krisengeschüttelte Zeit, die die Kommunen vor große Herausforderungen stellt: durch den kriegerischen Überfall Russlands auf die Ukraine und das dadurch entstandene große menschliche Leid, die Flüchtlinge, die unsere Unterstützung brauchen, die erforderlichen Energieeinsparungen, ge-störte Lieferketten, stark gestiegenen Energiekosten und dadurch ausgelöste finanzielle Schwierigkeiten für viele Unternehmen, private und öffentliche Haushalte und soziale Verwerfungen. Kommunaler Klimaschutz ist Daseinsvorsorge, der die Lebensbedingungen für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt langfristig sichert. Den Weg zur Klimaneutralität können wir nur gemeinsam bewältigen. Dazu gehört auch die Hochschule Reutlingen, die uns mit wissenschaftlicher Expertise zur Seite steht. Die kleinen und großen gemeinsamen Erfolge jeden Tag lassen mich dabei optimistisch bleiben, dass wir bis 2040 klimaneutral werden. (GEA)