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Wie der Reutlinger Philip Reinhardt seine Liebe zum Flamenco entdeckte

»Flamenco: Das ist mehr als Musik - das ist eine Art zu leben«. Auf die Bühne bringt dieses südliche Lebensgefühl die internationale Projektgruppe »Flamenco del sur« um den gebürtigen Reutlinger Philip Reinhardt am Freitag im Glemser Hirsch. Vorab erzählen die Akteure, was sich hinter diesem einzigartige Tanz- und Musikstil verbirgt, und was er für sie bedeutet.

Die Flamenco-Formation »Flamenco del sur« übt in einem Proberaum in Tübingen für ihre Auftritte: Die Tänzerinnen Lena Breitig un
Die Flamenco-Formation »Flamenco del sur« übt in einem Proberaum in Tübingen für ihre Auftritte: Die Tänzerinnen Lena Breitig und Annette Brenner, Sängerin Jenny de la Charo und die Gitarristen Valentín Fernández und Philip Reinhardt (von links). Foto: Anja Weiß
Die Flamenco-Formation »Flamenco del sur« übt in einem Proberaum in Tübingen für ihre Auftritte: Die Tänzerinnen Lena Breitig und Annette Brenner, Sängerin Jenny de la Charo und die Gitarristen Valentín Fernández und Philip Reinhardt (von links).
Foto: Anja Weiß

REUTLINGEN/GLEMS. Flamenco mitten im Schwabenländle? Ja, das ist nicht unbedingt etwas, das häufig zu hören ist. Dieser Tanz- und Musikstil aus Andalusien führt hierzulande eher ein Nischendasein. Der gebürtige Reutlinger Philip Reinhardt ist dem Flamenco jedoch schon vor langer Zeit erlegen. Genau 20 Jahre liegt es zurück, dass der damals 22-Jährige mit dem Trio »Gitanos Andaluces« im »Landeswettbewerb Jugend & Folk« den ersten Platz belegte. Es war der Beginn einer musikalischen Liebe, die auch 20 Jahre später noch brennt.

Anders das Trio - das ist seit 2005 Geschichte. »Die Band ist auseinandergebrochen«, berichtet Reinhardt bedauernd, auch wenn ihn das auf seinem musikalischen Weg wahrscheinlich sogar nach vorne gebracht hat. »Der Wettbewerb damals hat mir einen Impuls gegeben«, blickt er zurück. Er fasste den Entschluss, sich beim Gitarrenspiel komplett dem Flamenco-Stil zu widmen. Vorher mischten sich noch andere musikalische Elemente in die Songs, etwa aus dem Rock oder Latinjazz. Er lernte spanisch, reiste für Workshops nach Andalusien, traf auf Gleichgesinnte. »Mit jeder Person, die ich kennengelernt habe, ist meine Flamenco-Welt ein wenig größer geworden.«

»Flamenco erzählt vom Schmerz und vom Leiden, aber auch von Liebe und Heimat«

Für die aktuell anstehenden Auftritte, am heutigen Freitag in der Glemser Kulturkneipe Hirsch und am Samstag im Engel in Dornstetten, bringen sie nun sogar ein Stück Andalusien an den Fuß der Schwäbischen Alb. Erstmals hat sich eine komplett neue Formation gegründet: Gitarrist Valentín Fernández, der schon öfters mit »El Pasaje Flamenco« musiziert hat, konnte Sängerin Jenny de la Charo ebenfalls für einen Auftritt gewinnen. Alle fünf gemeinsam werden als »Flamenco del sur« Einblicke in diesen Musikstil geben, den die Unesco 2010 sogar zum immateriellen Weltkulturerbe ernannt hat.

Gitarrist Philip Reinhardt bei einem Auftritt mit »El Pasaje Flamenco«.
Gitarrist Philip Reinhardt bei einem Auftritt mit »El Pasaje Flamenco«. Foto: Franzi Molina
Gitarrist Philip Reinhardt bei einem Auftritt mit »El Pasaje Flamenco«.
Foto: Franzi Molina

Für die beiden Sinti und Roma, die in Spanien leben, ist Flamenco weit mehr als Musik. »Es ist eine Art zu leben«, sagt Valentín Fernández. Das Wort Flamenco stamme aus dem Arabischen, erklärt Jenny de la Charo, viele unterschiedliche Kulturen haben den Musik- und Tanzstil geprägt. »Flamenco erzählt vom Schmerz und vom Leiden«, erläutert de la Charo, »vom Schicksal und der harten Arbeit der wandernden Bauern, aber auch von Liebe und Heimat«. Doch die Gesänge, der rhythmische, stampfende Tanz mit seiner aufrechten Haltung, die rasanten Gitarrenklänge »drücken auch eine innere Einstellung aus, und das, was man fühlt«, ergänzt Fernández.

»Flamenco ist für uns schwierig zu lernen. Als Schwabe hat man da schon Respekt«

Es sei, sagt Reinhardt, eine ganz bestimmte Art, Musik zu machen. Die Menschen in Andalusien wachsen von Geburt an damit auf. »Für uns ist es aber schwierig, den Flamenco zu lernen«, berichtet der Gitarrist, »als Schwabe hat man da schon Respekt«. Die Techniken seien eigen, weiß Reinhardt, »man muss viel Geduld beim Üben aufbringen, die Erfolge lassen auf sich warten«. Hilfreich seien da die spanischen Freunde gewesen, die ihn immer ermutigt haben. Die beiden Tänzerinnen haben den Flamenco als junge Studentinnen ebenfalls in Spanien und bei spanischen Lehrern erlernt, und auch sie sind ihm bis heute treu geblieben. »Es war eine andere Welt, die sich uns eröffnet hat«, sagen sie. Kaum eine Probe oder einen Auftritt lassen sie sich entgehen, obwohl keiner der drei einen musikalischen Beruf gewählt hat, sondern es immer Hobby geblieben ist.

Zurück zur Musik: Im Flamenco gibt es weder Noten noch Partituren, und selbst der Weg, wie gespielt, getanzt und gesungen wird, variiert je nach Anlass und Ort. Ein Flamenco, den man im familiären Rahmen daheim musiziert, unterscheidet sich enorm von einem, der in einem Lokal aufgeführt wird. Beide haben jedoch gemeinsam, dass vieles spontan und improvisiert ist. »Flamenco ist demokratisch«, verdeutlichen die spanischen Musiker die Intention, die dahinter steckt. Die Beteiligten sind eine Mannschaft, ein Team, das auf das Spiel, den Gesang und den Tanz der anderen reagiert - keiner ist der Chef, jeder Auftritt ist anders.

Über Ostern waren die drei deutschen Musiker in Granada, um zu proben - im Moment sind die beiden Musiker aus Spanien in Deutschland. Denn auch, wenn bei ihnen vieles Improvisation ist, müssen die Grundlagen sitzen, muss das Grundgerüst für die Konzerte stehen. Alle fünf sind glücklich über diese internationale Besetzung, dass der Flamenco »Verbindungen über Landesgrenzen hinweg schafft«.

Wer Flamenco mal live erleben will, kann am Freitag, 24. Mai, ab 20.30 Uhr in den Hirsch kommen, wenn die Formation »Flamenco del sur« erstmals in Deutschland einen Auftritt hat. (GEA)