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Wie Auszubildende der Reutlinger Berufsfeuerwehr den Ernstfall üben

In der Brandübungsanlage der Bundeswehr in Stetten am kalten Markt können Feuerwehrleute realistisch Einsätze üben, wie sonst nirgends. Für Auszubildende der Reutlinger Berufsfeuerwehr warten besondere Herausforderungen.

Die Feuerwehr-Auszubildenden  retten einen Dummy aus einem Unfall-Auto.
Die Feuerwehr-Auszubildenden retten einen Dummy aus einem Unfall-Auto. Foto: Foto: Schanz
Die Feuerwehr-Auszubildenden retten einen Dummy aus einem Unfall-Auto.
Foto: Foto: Schanz

REUTLINGEN/STETTEN AM KALTEN MARKT. Die Flammen schlagen bis an die Decke, der Keller ist mit dichtem Rauch durchflutet. Trotzdem zögern die Feuerwehrleute keine Sekunde und stürmen in das Gebäude. Nach wenigen Minuten ziehen sie einen bewusstlosen Mann ins Freie und beginnen damit, ihn zu reanimieren. Als das scheinbare Brandopfer in einer Rettungsdecke eingewickelt abtransportiert wird, richtet es sich auf und steigt putzmunter von der Trage. »Das haben sie super gemacht«, bewertet Matthias Seiz die Übung – die nicht wie eine aussieht. »Sie kommt der Realität schon sehr nahe.«

Der 44-Jährige leitet den sechsmonatigen Grundlehrgang von 14 angehenden Oberbrandmeistern. Für drei Tage haben sich die Auszubildenden und ihre sechs Ausbilder der Reutlinger Berufsfeuerwehr in der Alb-Kaserne der Bundeswehr in Stetten am kalten Markt einquartiert. Denn auf der Brandübungsanlage der Bundesfeuerwehr bietet sich laut Seiz die »einmalige Möglichkeit, auf einem riesigen Gelände alles auszuprobieren und zu üben, was so möglich ist – und das unter realistischen Bedingungen«.

Brandübungshaus in Stetten am kalten Markt ist einmalig

Einmalig ist etwa auch das Brandübungshaus. Während in der Reutlinger Feuerwache meistens mit harmlosen und kaltem »Disco-Gas« trainiert wird, wird in diesem speziellen Penthouse echtes Feuer entfacht, erklärt Seiz. Das Rauchgas im Raum könne Temperaturen von bis zu 600 Grad Celsius erreichen. Solche »echten Bedingungen« sind für die Azubis noch ungewohnt, gibt Christoph Bauer zu. Angst vor den Flammen habe er keine gehabt. »Es war einfach spannend, zu erleben, wie viel Kraft das kostet, bei dieser Hitze zu arbeiten.«

Der 21-Jährige absolviert seine Ausbildung bei der Reutlinger Berufsfeuerwehr. Im Grundlehrgang sind aber auch Kollegen von anderen Wehren dabei: von der Werksfeuerwehr von Bosch, der Berufsfeuerwehr Sindelfingen, der Werksfeuerwehr von Mercedes in Sindelfingen, RWE Biblis und der Landesfeuerwehrschule Baden-Württemberg. Die Reutlinger Berufsfeuerwehr organisiert den Grundlehrgang zum zweiten Mal in Folge selbst, weil andere Ausbildungsbehörden keine Externen mehr aufnehmen, erklärt Seiz. Zum zweiten Mal ist man in Stetten am kalten Markt zu Gast. »Wir arbeiten schon länger zusammen«, erklärt Brandoberamtsrat Dieter Eschweiler. Immer wieder schicke die Bundeswehr selbst Auszubildende nach Reutlingen. »Wir können viel voneinander lernen.«

Leistung in drei Tagen gesteigert

Die Lehrlinge der Reutlinger Berufsfeuerwehr haben die praktischen Inhalte der Ausbildung bisher »nur häppchenweise serviert bekommen«, sagt Lehrgangsleiter Seiz. »Jetzt bekommen sie alles gebündelt.« Brandeinsätze und technische Hilfeleistungen stehen an drei Lehrtagen auf dem Stundenplan. Das Team der Feuerwehrschule der Bundeswehr hat nach den Wünschen der Ausbilder der Reutlinger Berufsfeuerwehr verschiedene Szenarien aufgebaut. Am Anfang des Lehrgangs habe man »klein angefangen«, etwa mit »einfachen Personenrettungen«. So haben die Auszubilden einen unter einer Betonplatte eingeklemmten Dummy gerettet. Man habe dann das Niveau gesteigert, bis hin zu »komplexen Lagen«.

Nur eine Übung: Auszubildende der Reutlinger Berufsfeuerwehr retten einen Mann aus einem brennenden Keller im Übungsbrandhaus de
Nur eine Übung: Auszubildende der Reutlinger Berufsfeuerwehr retten einen Mann aus einem brennenden Keller im Übungsbrandhaus der Bundeswehr in Stetten am kalten Markt. Foto: Steffen Schanz
Nur eine Übung: Auszubildende der Reutlinger Berufsfeuerwehr retten einen Mann aus einem brennenden Keller im Übungsbrandhaus der Bundeswehr in Stetten am kalten Markt.
Foto: Steffen Schanz

Als zwei Rüstwagen mit Blaulicht und lautem Martinshorn angefahren kommen, finden die Auszubildenden eine besondere Herausforderung vor: Ein Fahrzeug der Bundeswehr hat einen Kleinwagen von der Seite gerammt. Das Auto wurde auf der Beifahrerseite liegend zwischen dem wuchtigen Militärfahrzeug und einer Betonwand eingeklemmt. Der Fahrer des Kleinwagens, in diesem Fall eine Puppe, hängt im Gurt. »Das kann für den Verunfallten schnell gefährlich werden«, erklärt Ausbildungsleiter Seiz. Deshalb lautet die Vorgabe, ihn innerhalb von 20 Minuten zu befreien.

Matthias Seiz, Leiter der Grundausbildung der Berufsfeuerwehr Reutlingen. Foto: Steffen Schanz
Matthias Seiz, Leiter der Grundausbildung der Berufsfeuerwehr Reutlingen.
Foto: Steffen Schanz

Die einzige Feuerwehrfrau des Lehrgangs klettert sofort durch das Heck des Autos zum Opfer, um es zu beruhigen und ihm die einzelnen Schritte der Rettung zu erläutern. Zuerst wurde das Militärfahrzeug mit einer Seilwinde nach hinten gezogen. Mit hydraulischem Gerät wurde dann der Kleinwagen von der Wand weggedrückt, um Platz zu haben, Teile des Autos mit einer Säbelsäge zu entfernen. Durch die Lücke hieven die Azubis dann das Unfallopfer aus dem Auto heraus, um es zu versorgen. Die Zeit stoppt bei knapp 25 Minuten. »Dafür, dass es so eine komplizierte Lage war, war es sehr gut«, findet Seiz.

Christoph Bauer aus Stuttgart absolviert seine Ausbildung zum Oberbrandmeister bei der Berufsfeuerwehr Reutlingen.
Christoph Bauer aus Stuttgart absolviert seine Ausbildung zum Oberbrandmeister bei der Berufsfeuerwehr Reutlingen. Foto: Steffen Schanz
Christoph Bauer aus Stuttgart absolviert seine Ausbildung zum Oberbrandmeister bei der Berufsfeuerwehr Reutlingen.
Foto: Steffen Schanz

Ist der Ausbildungsleiter zufrieden mit seinen Schützlingen? Bei gefühlten 40 Grad sind sie in voller Montur »an ihre Belastungsgrenze gekommen«, sagt Seiz mit einem leichten Grinsen im Gesicht. Zufrieden stellt er fest: »Das Leistungsniveau hat sich in den vergangen drei Tagen extrem gesteigert.« Das deckt sich auch mit den Erfahrungen der Teilnehmer. »Am ersten Tag lief noch nicht alles glatt, weil wir die Praxis noch nicht verinnerlicht hatten«, sagt Christoph Bauer. »Aber es wurde Tag für Tag besser. Wir sind fachlich weiterkommen, aber auch als Team besser zusammengewachsen.«

Die aufregenden Übungstage bei der Bundeswehr in Stetten am kalten Markt haben dem 21-Jährigen noch einmal vor Augen geführt: Er hat mit der Ausbildung bei der Reutlinger Berufsfeuerwehr die richtige Entscheidung getroffen. Nach Jugendfeuerwehr und Freiwilliger Feuerwehr steht für den gelernten Kfz-Mechatroniker jetzt fest: »Ich will beruflich nie wieder etwas anderes machen. Denn fast nirgends kann man anderen Menschen so direkt helfen wie bei der Feuerwehr.« (GEA)