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Was Reutlinger über Dating-Apps denken

Tinder, ElitePartner und Co.: Die Erfahrungen mit Online-Dating-Plattformen sind ebenso unterschiedlich wie ihre Beliebtheit. Kann man den Traumpartner wirklich mit einem einzigen Wisch finden? Welche Erfahrungen GEA-Leser gemacht haben und was eine Psychologin rät.

Wer sich für Online-Dating entscheidet, hat mittlerweile eine große Auswahl unterschiedlicher Apps.
Wer sich für Online-Dating entscheidet, hat mittlerweile eine große Auswahl unterschiedlicher Apps. Foto: Alicia Windzio/dpa
Wer sich für Online-Dating entscheidet, hat mittlerweile eine große Auswahl unterschiedlicher Apps.
Foto: Alicia Windzio/dpa

REUTLINGEN. Den Partner fürs Leben finden, davon träumt fast jeder. In einer hektischen Welt gestaltet sich diese Suche allerdings nicht immer leicht. Tinder, OkCupid, Bumble, Hinge und viele ähnliche Portale sind längst zur ersten Anlaufstelle für Singles geworden. Denn in einer gleichzeitig immer digitaler werdenden Welt bieten sie Menschen die Chance, potenzielle Partner flexibel, bequem und ortsunabhängig kennenzulernen. Dating-Apps prägen die Flirt-Kultur, führen Menschen zusammen, sorgen aber auch für Frustration. Dem GEA haben drei Menschen aus dem Kreis Reutlingen ihre ganz unterschiedlichen Geschichten erzählt.

Laut Statista haben bereits 38 Prozent der 35- bis 44-Jährigen in Deutschland Dating-Apps genutzt. Bei den über 55-Jährigen sind es 15 Prozent. Insgesamt gab es 2023 etwa 11,5 Millionen deutsche Nutzer. Inzwischen gibt es für diese unzählige Datingplattformen, die sich in Details unterscheiden, aber meist nach demselben Prinzip funktionieren: Das »Swipen« steht im Mittelpunkt. Ein Fingerwisch nach rechts signalisiert Interesse, ein Wisch nach links Desinteresse. Wenn zwei Nutzer einander nach rechts wischen, entsteht ein »Match«. Ab diesem Punkt können beide miteinander chatten und – im besten Fall – ein persönliches Treffen planen. Der Spitzenreiter unter den Online-Dating-Apps ist Tinder.

Online ist es einfacher, unehrlich zu sein

Der große Vorteil: Man kann gezielt nach Menschen suchen, die ähnliche Interessen, Werte und Zukunftsvorstellungen teilen. Zusätzlich zu Fotos hat man die Möglichkeit, ein paar persönliche Zeilen zu hinterlassen, in denen man sich - mal witzig, mal ernst - beschreiben darf. Das bietet die Chance, zumindest theoretisch besser einschätzen zu können, ob das Gegenüber zu einem passt. Doch dieser vermeintlich Vorteil offenbart schnell seine Schwächen, wenn man feststellt, dass scheinbar alle dieselben Vorlieben haben: »Reisen, Hunde und gute Zeit« ... Ein weiterer Haken: Mit der Ehrlichkeit nehmen es viele Nutzer in ihrem Profil nicht so genau. Das zeigt sich oft schon bei den eingestellten Fotos, weiß GEA-Instagram-Followerin Patricia aus Pfullingen.

Setze alles auf ein charmantes Foto und hoffe auf den großen Treffer - oder verliere alles in einer schlechten Konversation. Wenn dann doch beides passt und es zu einem Date kommt, sollten Bild und Realität allerdings auch übereinstimmen. »Das klassische Klischee des Catfish hat sich bei mir leider bewahrheitet. Der Herr sah auf seinen Fotos wirklich ganz anders aus als in echt«, sagt Patricia. Auch in Bezug auf andere Unwahrheiten hat die 20-Jährige schon negative Erfahrungen gemacht: »Viele Typen suchen nichts Ernstes, sagen das aber vorher nicht, weil sie sich so wohl größere Chancen auf ein schnelles Abenteuer erhoffen«, vermutet sie. Doch trotz aller Herausforderungen hat Patricia auch positive Erlebnisse mit Online-Dating gemacht. Seit etwa vier Monaten ist sie mit ihrem Freund zusammen – ein Match, das sie über Tinder gefunden hat. »Es kann also durchaus gut funktionieren«, stellt sie klar. Das allerdings nur, wenn man nicht sofort das Handtuch wirft.

Bei Dating-Apps ist die Optik einer Person meist ausschlaggebend für ein Match. In Zeiten der Bildbearbeitung sind Mogeleien dab
Bei Dating-Apps ist die Optik einer Person meist ausschlaggebend für ein Match. In Zeiten der Bildbearbeitung sind Mogeleien dabei keine Seltenheit. Foto: Sina Schuldt/dpa
Bei Dating-Apps ist die Optik einer Person meist ausschlaggebend für ein Match. In Zeiten der Bildbearbeitung sind Mogeleien dabei keine Seltenheit.
Foto: Sina Schuldt/dpa

Manchmal belügen sich Menschen nicht nur gegenseitig, sondern auch selbst - besonders, wenn sie sich einreden, bereit für eine feste Beziehung zu sein. Diese Erfahrung hat die 33-jährige Natalie aus Albstadt gemacht. Bei einem spontanen Treffen auf ein Glas Wein schien zunächst alles perfekt: »Es passte wie die Faust aufs Auge«, erinnert sie sich zurück. Nachdem das Date etwas länger gedauert hatte und mehr als ein Glas Wein getrunken war, bot ihr das Match an, bei ihm zu übernachten. Er freute sich sichtlich, als sie zusagte und gab ihr sogar eine Zahnbürste – die am darauffolgenden Wochenende prompt erneut zum Einsatz kam.

Doch nur wenige Tage nach dem zweiten Treffen folgte die überraschende Wendung: Natalie erhielt eine Nachricht, in der er erklärte, die Zahnbürste würde ihn »triggern« und ihm ginge alles zu schnell. Dabei sei er es gewesen, der gleich zu Beginn ordentlich aufs Gaspedal gedrückt hatte, so Natalie. Sie schlug vor, es langsamer anzugehen und meinte simpel, er könne die Zahnbürste ja einfach wegwerfen. Doch noch am selben Tag brach der Kontakt ab. »Danach brauchte ich erstmal einen Online-Dating-Detox«, sagt sie lachend. Heute nennen sie und ihre Freunde diesen Datepartner liebevoll nur noch »die Zahnbürste«.

Apps begünstigen Angst vor Ablehnung

Das ist Online-Dating in der Kurzfassung: erstaunlich. Im Sinne von erstaunlich, wie diffus sich Menschen, die doch angeblich die Liebe suchen, verhalten können. Wer wie Patricia und Natalie beim Online-Dating schon erlebt hat, wie sich Vorfreude in Enttäuschung verwandelt, der kann laut Psychotherapeutin Vera Schweiger »enormen Druck auf die Psyche« spüren. »Oft sind viele Hoffnungen mit den Apps verbunden. Doch dann wird man abgeurteilt, plötzlich ignoriert. Wenn man ohnehin schon Angst vor Ablehnung aufgrund vergangener Erfahrungen oder Probleme mit dem Selbstwert hat, kann das solche Befürchtungen bestätigen«, erklärt sie.

Hinzu kommt: Sosehr wir es aus anderen Lebensbereichen gewohnt sind, lässt sich die Partnersuche nur begrenzt optimieren. Das perfekte Gegenüber kann man auch mit der x-ten Überarbeitung des eigenen Online-Dating-Profils nicht herbeizaubern. »Wer sich darauf einlässt, sollte sich bewusst machen, dass es ein langer, anstrengender Weg sein kann, der nicht unbedingt von Erfolg gekrönt sein muss«, sagt Schweiger. Ein wenig wie beim Lotto kann man das schnelle Glück erleben - oder nie sechs Richtige haben. Bei einer Umfrage in Deutschland haben jüngst 21 Prozent der Befragten angegeben, ihren Partner über Online-Dating-Plattformen kennengelernt zu haben.

Liebe ist auch Glückssache

Zu diesen 21 Prozent gehören auch Patrick und seine Frau. Der 36-Jährige, der ursprünglich aus Engstingen stammt, bezeichnet seine Erfahrung mit Lovoo als »Schicksal«. Dabei hat sich der damals 26-Jährige eigentlich »just for fun« auf der Liebes-Plattform angemeldet. »Meine Ex-Freundin, mit der ich sieben Jahre zusammen war, ist damals mit meinem besten Freund durchgebrannt, und ich hatte eigentlich überhaupt keine Lust mehr auf Frauen, wie man sich vorstellen kann.« Die Anmeldung bei Lovoo war eine spontane Idee, die an einem langweiligen Winterabend mit seinen Kumpels entstand. Er hatte nicht vor, dort die Liebe zu finden, sondern wollte einfach neue Kontakte knüpfen. Doch das Schicksal wollte es anders.

Kurz nach seiner Registrierung sah er das Profilbild einer Frau, die ihn förmlich aus den Socken haute. »Die Augen, die Haare … Ich dachte nur: Die will ich!« Nach drei Wochen intensiven Schreibens kam es trotz 110 Kilometern Entfernung zum ersten Treffen. Lovoo war für Patrick bereits nach dem Austausch der Telefonnummern Geschichte – er hat die App sofort deinstalliert. Bereits beim zehnten Treffen planten die beiden ihren ersten gemeinsamen Urlaub. Heute, eine Dekade später, sind sie verheiratet und haben zwei Kinder. »Das Bild, das meine Frau damals auf Lovoo eingestellt hatte, steht heute neben meinem Bett«, erzählt Patrick lachend.

Single-Zeit für sich nutzen

Das schier endlose Angebot an potenziellen Partnern im Internet kann dazu verleiten, eigene Ziele und Wünsche aufzuschieben. Die Traumreise? Lieber erst, wenn jemand an meiner Seite ist. Der Tanzkurs? Allein doch doof. »Solche Gedanken sind mit der Vorstellung verbunden: Wenn er oder sie erst da ist, wird mein Leben ganz anders. Dabei ist es viel sinnvoller, sich nicht auf die ferne Zukunft zu konzentrieren, sondern auf das Jetzt. Momentan bin ich Single, ja, aber wie nutze ich die Zeit für mich?«, sagt Psychotherapeutin Schweiger.

Menschen, die das ewige Swipen beenden, kapitulieren nicht vor der Partnersuche. Womöglich haben sie schlicht realisiert, wie erfüllt ihr Leben bereits ist - und dass man Menschen durchaus auf anderen Wegen kennenlernen kann. Natürlich könnten Tinder und Co. das Leben durchaus bereichern, findet Schweiger. Man lerne neue Menschen kennen, erlebe schöne Dinge. »Doch wenn man merkt: Sie tun mir nicht gut, ich verfalle in Verhaltensmuster, mit denen ich mich nicht wohlfühle oder habe Angst vor Ablehnung entwickelt, dann dreht man die Apps eben erst einmal ab.« Eine Absage an die Liebe ist das schließlich nicht. (GEA/dpa)