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Warum Reutlingen auf der CMT nicht dabei ist

Die Imagekampagne der Stadt hat bundesweit Aufsehen erregt. Doch auf der Tourismusmesse CMT wird die Stadt kaum mehr zu sehen sein. Das Stadtmarketing erklärt die Gründe.

2024 war die Stadt Reutlingen noch am Stand des Schwäbischen Alb Tourismus vertreten. In diesem Jahr wird es nur noch einen Besu
2024 war die Stadt Reutlingen noch am Stand des Schwäbischen Alb Tourismus vertreten. In diesem Jahr wird es nur noch einen Besuch am Tag des Tourismus geben und ansonsten muss eine Prospektwand genügen. Foto: Stadtmarketing
2024 war die Stadt Reutlingen noch am Stand des Schwäbischen Alb Tourismus vertreten. In diesem Jahr wird es nur noch einen Besuch am Tag des Tourismus geben und ansonsten muss eine Prospektwand genügen.
Foto: Stadtmarketing

REUTLINGEN . Wer den Stand von »Lieb-lingen« sucht, wird auf der Tourismusmesse CMT mit diesem Vorhaben erfolglos bleiben. Die Stadt Reutlingen verzichtet in diesem Jahr auf einen sogenannten Counter, also eine Beteiligung am großen Stand des Schwäbischen Alb Tourismus (SAT) - und das, obwohl die Stadt dank ihrer Imagekampagne bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hat. Wäre es da nicht geradezu ideal, diese Bekanntheit auf der Messe noch mehr zu steigern und ein wenig auf der Welle des Erfolgs zu surfen?

Nein, sagt Anna Bierig, Chefin des Reutlinger Stadtmarketings (StaRT) im Gespräch mit dem GEA. Denn das eine, also die »Wir lieben«-Kampagne, habe mit dem anderen - der Präsenz auf der Messe- wenig zu tun. »Wir haben die Kampagne gestartet, mit dem ersten Ziel, die Reutlinger Bürger zu aktivieren.« Die (Anti-)Werbung sollte bewirken, dass die Reutlinger sich mit ihrer eigenen Stadt beschäftigen. Sie sollten darüber nachzudenken, ob wirklich alles so schlecht ist oder ob es nicht doch zahlreiche Gründe gibt, Reutlingen zu lieben.

»Unser Schwerpunkt lag dabei noch nicht darauf, überregional aktiv zu werden«, sagt Bierig. Touristen waren nicht die erste Zielgruppe dieser Kampagne. Das komme erst später hinzu, denn sie ist über einen Zeitraum von zehn Jahren angelegt. Daher sei es auch nie geplant gewesen, den Auftritt auf der Messe im »Wir lieben«-Stil umzusetzen. Das, sagt Bierig, wäre am gemeinsamen Stand des SAT mit vielen anderen Ausstellern, überhaupt nicht umsetzbar gewesen. »Wir hätten gar nicht die Möglichkeit gehabt, unseren Counter im ,Nur lieben'-Design zu machen.«

Großer Aufwand, geringer Nutzen

Die Gründe für den Rückzug der Stadt von der Messe liegen vor allem im hohen personellen und finanziellen Aufwand, sagt Selina Schröder von StaRT - ein Aufwand, der sich kaum rentiert. Zehn Tage lang, davon zwei Wochenenden, müssen Aussteller Personal zur Messe schicken, im Zwei-Schicht-Betrieb. Da kommt einiges an (Über-)Stunden zusammen. Ein Aufwand, der jedoch zu wenig Ertrag führt, wie Schröder erklärt, es konnten bislang kaum neue Touristen angelockt werden. »Nur zwei Prozent aller Touristen informieren sich auf Messen über ihre Reisedestination«, weiß Schröder. Auf der CMT liege der große Schwerpunkt auf Wohnmobilen, Caravaning, und Outdoor. Für Städtereisen interessieren sich nur wenige.

Etwas, das auch die Touristikerinnen aus Reutlingen so immer wieder wahrgenommen haben - ohne es belegen zu können. Um dieses Gefühl mit Zahlen untermauern zu können, »haben wir im vergangenen Jahr ein Gewinnspiel gemacht«, berichtet Schröder. Dabei wurden auch die Postleitzahlen ermittelt, das Ergebnis: »Mehr als 90 Prozent der Teilnehmer waren aus Reutlingen oder der näheren Umgebung.« Sprich: Angesprochen wurden meistens Messebesucher, die ohnehin oft in Reutlingen sind und die wahrscheinlich dort keine Übernachtung buchen werden.

Von daher war der weitere Rückzug von der CMT für das Stadtmarketing ein logischer Schritt, der keineswegs überraschend kam, sondern sich schon länger angebahnt hat. Die Präsenz auf »der weltweit größten Publikumsmesse für Tourismus und Freizeit« hat sich im Lauf der Jahre öfters gewandelt, immer wieder ging man neue Wege. So hatte Reutlingen im Jahr 2015 erstmals mit den Nachbarstädten Metzingen und Tübingen gemeinsam einen Stand auf der CMT, wo sie sich als »Städteperlen« präsentiert haben. 2019 war der letzte gemeinsame Auftritt, nach der Corona-Pause wurde diese Kooperation nicht wieder ins Leben gerufen. Stattdessen schlossen sich die drei Städte dem Schwäbischen Alb Tourismusverband an. Jeder hatte ein Plätzchen an dessen Stand, Mitarbeiter standen für Fragen zur Verfügung und verteilten Mitgebsel oder Prospekte. Zudem war ein Mitarbeiter im Mutschel-Kostüm der Blickfang der Achalmstadt. Durchaus nett, aber eben nicht der große Wurf.

Tourismus bleibt eine wichtige Größe

Deshalb ist auch mit diesem eher kleinen Auftritt für Reutlingen in diesem Jahr so gut wie Schluss. Zwar liegen am Stand vom Alb Tourismusverband noch die wichtigsten Infos und die Flyer der Kreisstadt aus. Oder wie Anna Bierig es ausdrückt, »wer nach Reutlingen sucht, wird weiterhin Reutlingen finden«. Zudem werden am CMT-Tourismustag am 20. Januar Vertreter von Stadt und StaRT dabei sein und die Gelegenheit für einen persönlichen Austausch nutzen.

Blickfang ja, aber Besucher konnte sie nicht anlocken: Die lebensgroße Reutlinger Mutscheln die echte Mutscheln verteilt hat, hi
Blickfang ja, aber Besucher konnte sie nicht anlocken: Die lebensgroße Reutlinger Mutscheln die echte Mutscheln verteilt hat, hier auf der CMT 2019. Foto: Archiv: Marijan Murat/dpa
Blickfang ja, aber Besucher konnte sie nicht anlocken: Die lebensgroße Reutlinger Mutscheln die echte Mutscheln verteilt hat, hier auf der CMT 2019.
Foto: Archiv: Marijan Murat/dpa

Teilnehmen werden von StaRT Anna Bierig, Selina Schröder und Markus Zeidler (verantwortlich für den Bereich Tourismusmarketing bei StaRT) sowie Finanz- und Wirtschaftsbürgermeister Roland Wintzen. Dem ist es vor allem wichtig festzustellen, »dass dies keine Entscheidung gegen den Tourismus oder gegen den Schwäbische Alb Tourismusverband ist. Ganz im Gegenteil. Der Tourismus ist nach wie vor eine wichtige Größe und ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor für Reutlingen.«

Mit den Messeauftritten wollte man die größtmögliche Wirkung erzielen, erklärt Wintzen, »das heißt, vor allem Übernachtungs- und Tagungsgäste für Reutlingen gewinnen«. Gelungen ist dies nicht, wie auch er bestätigt: »Wir haben unseren bisherigen Auftritt bei der CMT analysiert und mussten feststellen, dass wir dieses Ziel damit nicht erreichen konnten und können.« Die Kooperation der Stadt mit dem Schwäbische Alb Tourismusverband sei weiterhin sehr eng und vielfältig, betont der Finanzbürgermeister. Die Messe sei dabei nur ein kleiner Teil.

Neue Messen und Zielgruppen im Visier

Wie also geht es nun weiter in Sachen Werbetrommel rühren für den Tourismus? »Wir wollen neue Messen und alternative Marketingmaßnahmen ausprobieren, Kräfte bündeln und den größtmöglichen Nutzen für den Tourismus in Reutlingen heben«, so Wintzen. Erfolgreich sei im vergangenen Jahr beispielsweise ein Stand bei den Heimattagen in Dischingen gewesen. »Wir hatten dort wertvolle Kundenkontakte«, blickt Schröder zurück, es sei ein Unterschied wie Tag und Nacht zur CMT gewesen, wo einer Stadt wie Reutlingen eher schwerfällt, bei den Schwerpunkten Caravaning und Outdoor überhaupt wahrgenommen zu werden. Deshalb wird StaRT am 17. und 18. Mai zu den Baden-Württemberg-Tagen nach Weinheim reisen, zudem will man verstärkt Gruppen- und Busreisen in den Fokus nehmen. Hier könnte man sich beispielsweise eine Kooperation mit der Stadt Münsingen vorstellen, um auf der einen Seite Besuchern die Schwäbische Alb, aber auch die Kreisstadt näherzubringen.

Mit den Übernachtungszahlen sei man übrigens zufrieden, sagen die Expertinnen in Sachen Tourismus, 2023 war das beste Jahr seit der Aufzeichnung der Zahlen, stellenweise konnte man diese 2024 sogar toppen. Besonders der Wohnmobilstellplatz habe sich gut entwickelt und eine hohe Auslastung. Und auch in Sachen »Reutlingen kann man nur lieben« dürfe man sich auf weitere Überraschungen freuen, verspricht Bierig. (GEA)