REUTLINGEN. Wer einen Computer besitzt, kann mitreden: Die Digitalisierung an Reutlinger Schulen hat einen Haken, der immer länger wird. Denn ob Tablets für die Schüler oder Multimediarechner auf dem Lehrertisch - alle diese Geräte haben ebenso wie ihre Programme eine beschränkte Lebensdauer. Weil gleichzeitig die Ausstattung der Schulen noch längst nicht abgeschlossen ist, fehlen laut Uwe Weber als Leiter des Amtes für Schulen, Jugend und Sport schon jetzt dringend benötigte Geldmittel.
Wer die Zeitmaschine der Digitalisierung im schulischen Zusammenhang anwirft, landet in Reutlingen im Jahr 2017, als die Stadt eine Hundertschaft von Klassenzimmern mit Personalcomputern und riesigen Bildschirmen statt Kreidetafeln ausstattet. Weitere 300 kommen mit 20 Prozent Eigenanteil des Bundes im Rahmen des »Digitalpaktes« mitten in der Pandemie 2020 dazu. Uwe Weber beschreibt, welche Schwerpunkte man mit den Geldmitteln aus Berlin gesetzt hat.
In langfristige Infrastruktur investiert
Die Stadt konzentrierte sich auf eine langfristig sinnvolle Infrastruktur wie die Präsentationstechnik in Klassenräumen, Verkabelungen und den Ausbau der drahtlosen Internetzugänge, sprich WiFi. Zwischen 2021 und 2024 wurden über 400 Klassen- und Fachräume so ausgestattet. »Die Maßnahmen werden in den Sommerferien abgeschlossen. Damit ist der Digitalpakt umgesetzt und kann auch abgerechnet werden«, erklärt Weber. Die Ergebnisse können sich sehen lassen.
Alle Schulstandorte verfügen laut Stadt über Breitband-Anschlüsse für wirklich schnelles Internet. Beeindruckend sei auch der Ausstattungsstand mit mobilen Endgeräten für die Schülerinnen und Schüler. Das Ziel in jeder Grundschule für zwei Mädchen oder Jungen jeweils ein Tablet oder Laptop anbieten zu können, sowie in weiterbildenden Schulen jedem jungen Menschen ein mobiles Endgerät zu übergeben, sei zu beachtlichen 64 Prozent über alle Schularten hinweg erfüllt. Dieser Durchschnittswert bedeute allerdings, dass nicht überall die Ausstattung so gut ist. An diesem Punkt beginnen die finanziellen Probleme.
Deutliche finanzielle Unterversorgung
Um die angestrebte Vollversorgung zu gewährleisten, habe das Amt für Schulen, Jugend und Sport in diesem Jahr einen Geldbedarf von 923.000 Euro angemeldet, tatsächlich aber im Haushalt nur 330.000 Euro erhalten. Für das kommenden Jahr würde der Bedarf bei 1.686.000 Euro liegen, wobei der Doppelhaushalt lediglich 630.000 Euro hergibt. Selbst ohne Mathematikkenntnisse wird eine deutliche Unterversorgung deutlich. Bei der wird es zu Webers Bedauern aber nicht bleibt.
Nichts hält ewig, schon gar nicht Computer & Co. Digitale Tafeln sind mit einer kalkulierten Lebensdauer von einem Jahrzehnt recht dauerhaft. Die Personalcomputer mit Dokumentenkamera und Touch-Bildschirm an den Lehrertischen sollen fünf Jahre halten - was angesichts der schnellen technischen Weiterentwicklung optimistisch gerechnet scheint. Im Rahmen des Geräteaustausches sollen dann auch gleich die Softwarelizenzen für Betriebssysteme wie Microsoft Windows oder Office-Pakete mit erneuert werden. Schon heute stehen dafür im städtischen Haushalt erhebliche Summen.
Rund 46.000 Euro veranschlagt Reutlingen im laufenden Jahr für den Austausch von Hardware dieser Lehrertische. Im kommenden Jahr werden es 73.000 Euro sein. »Das ist ein wachsender Haushaltsposten, weil die Zahl der Geräte gestiegen ist«, erklärt Weber. Wie eine sich langsam aufbauende Welle werden die Folgekosten des Digitalpaktes im Jahr 2028 ihren maximalen Scheitelpunkt erreichen. »Den Gemeinden war klar, dass das eine Investitionswelle nach vorne auslöst«, sagt der Schulamtschef. Je nach dem Wohlstand der Kommune komme somit mittelfristig »eine völlig unterschiedliche Ausstattung heraus«. Webers Fazit ist ein Weckruf.
Der »enormen Verbesserung der digitalen Infrastruktur und Ausstattung der Reutlinger Schulen« stehe ein »erheblicher Investitionsbedarf« gegenüber. Stehen dafür keine Mittel zur Verfügung, drohe »eine Rückentwicklung«. Deswegen fordert Uwe Weber vom Bund einen Digitalpakt 2.0, »auf den müssen wir ganz dringend hoffen«. (GEA)