REUTLINGEN. Ein verletztes Reh liegt auf der Straße, oder ein blutendes Wildschwein am Straßenrand, oder ein Fuchs ist vor das Auto gelaufen. Viele Menschen in der Region wissen in einer solchen Situation nicht, wie sie reagieren sollen und was als Nächstes zu tun ist.
So ging es auch GEA-Leserin Sabrina, die den verletzten Waschbären am Straßenrand zwischen Alteburg und Gönningen entdeckte und zunächst beim Tierheim Pfullingen anrief. Dort erfuhr sie, dass sie sich bei der Polizei melden müsse. Nach ihrem Anruf dort kamen auch Polizisten zu ihr und dem Waschbären und erlösten das Tier.
Was genau zu tun ist
Der Tierschutzbund, die Polizei und Jäger empfehlen einhellig: In solchen Situation Ruhe bewahren, Angst oder Panik helfen weder Mensch noch Tier. Dann sollte die Stelle abgesichert werden, damit nicht noch ein anderes Fahrzeug in die Unfallstelle fährt. Also am besten Warndreieck und Warnblinker aufstellen, Warnweste überstreifen.
Dann auf jeden Fall über die Notrufnummer 110 die Polizei verständigen: »Die Polizei weiß, was zu tun ist und verständigt den für das Gebiet zuständigen Jagdpächter«, erklärt Matthias Bögle, selbst Jagdpächter im Bereich des Reutlinger Markwasenwaldes. Und Christian Wörner, Sprecher des Polizeipräsidiums Reutlingen bestätigt: »Wir sind die ersten, die verständigt werden sollten, denn wir wissen, welcher Jagdpächter zur Fundstelle eilen muss.« Matthias Bögle weiß: »Das kann auch um drei Uhr nachts sein, das gehört zu den Pflichten eines jeden Jägers.«
Was die Polizei macht
Beide empfehlen, unbedingt beim verletzten Tier zu bleiben, bis Hilfe eintrifft. »In der Regel wird der Jäger dann mit einer entsprechenden Schusswaffe das verletzte Tier möglichst schnell von seinem Leiden erlösen.« Sollte kein Jagdpächter in angemessener Zeit vor Ort sein können, übernehmen das - wie im Fall des Waschbären - die Polizisten.
Der Tierschutzbund macht die klare Ansage, dass Autofahrer, die ein Tier angefahren haben, in der Pflicht seien: »Als Fahrzeugführer ist es Ihre ethische und gesetzliche Verpflichtung, sich um ein angefahrenes Tier zu kümmern und noch vor Ort die Polizei zu rufen.«
So war es auch im konkreten Fall mit dem schwer verletzten Waschbären am Rande des Markwasenwaldes. »Es kommt regelmäßig vor, dass unsere Kolleginnen und Kollegen ihre Dienstwaffe für solche Einsätze benutzen müssen«, sagt Polizeisprecher Wörner. Und Jagdpächter Bögle ergänzt: »Das macht keiner von uns wirklich gerne, aber es bleibt nichts anderes übrig.« Denn Wildtiere dürfen nicht eigenmächtig zum Tierarzt oder ins Tierheim, gebracht werden, stellt der Experte klar. Ganz anders sei das bei Haustieren, wie Hunden oder Katzen.
Was besonders geschützte Tierarten sind
Unterschieden werden müsse auch zwischen Wildtieren und besonders geschützten Tierarten. »Bei Tieren wie Wolf, Luchs, Uhu oder Biber wird es in Deutschland ziemlich bürokratisch«, merkt Bögle kritisch an. Denn dann müsse erst die untere Jagdbehörde entscheiden, was beispielsweise mit einem angefahrenen und schwer verletzten Wolf zu passieren habe. »Und erreichen sie mal eine Behörde mitten in der Nacht oder am Wochenende - armer Wolf«, so Bögle.
Der erfahrene Polizist Christian Wörner sagt auch. »Wir haben in der Region den großen Vorteil, dass es das Vogelschutzzentrum Mössingen gibt. Dort kümmert man sich beispielsweise um verletzte und geschützte Greifvögel.« Die Polizei stelle den Kontakt zu den Fachleuten dort her, falls verletzte Bussarde oder auch Schwäne entdeckt würden.
Wie häufig Wildunfälle hierzulande passieren, machen die nackten Zahlen deutlich. In Deutschland sterben laut einer Studie im Fachjournal »Frontiers in Ecology and Environment« im Jahr etwa drei Millionen Säugetiere auf den Straßen. (GEA)