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Aktuell GEA-Telefonaktion

Suizid-Prävention: Oft hilft schon ein Gespräch

Experten geben Empfehlungen für den Umgang mit Menschen, die an Suizid denken, und für Trauernde.

Haben bei der GEA-Telefonaktion »Suizid verhindern« Anrufe beantwortet (von links): Ute von Querfurth, Dr. Jörg Lamparter und Be
Haben bei der GEA-Telefonaktion »Suizid verhindern« Anrufe beantwortet (von links): Ute von Querfurth, Dr. Jörg Lamparter und Bettina Guhlmann. FOTO: NIETHAMMER
Haben bei der GEA-Telefonaktion »Suizid verhindern« Anrufe beantwortet (von links): Ute von Querfurth, Dr. Jörg Lamparter und Bettina Guhlmann. FOTO: NIETHAMMER

REUTLINGEN. Sie hörten zu und gaben Anregungen: Die Experten bei der GEA-Telefonaktion zur Suizid-Prävention wurden von Menschen kontaktiert, die Gesprächsbedarf hatten. Die Anrufer schilderten Krisensituationen in Familien und Trauersituationen nach einer Selbsttötung. Die Hinweise und Empfehlungen, die Ute von Querfurth von der Telefonseelsorge, Bettina Guhlmann von der Krisenberatungsstelle Arbeitskreis Leben, und Dr. Jörg Lamparter als Arzt und Pfarrer gaben, können auch hilfreich für andere sein.

Typische Frage, mit denen die Berater häufig konfrontiert werden: Was kann helfen, wenn eine Selbsttötung in einer Familie geschehen ist, ja sogar schon einige Jahre zurückliegt und die Trauer nicht weniger zu werden scheint? »Trauerprozesse, vor allem nach einer Selbsttötung, brauchen Zeit«, betont Dr. Jörg Lamparter. Angehörige beschreiben es als schmerzlich, wie wenig die Öffentlichkeit Trauer zulässt, wie schnell das Umfeld wieder zur Normalität zurückkehrt und dies auch von den Betroffenen erwartet.

Bilder, die haften bleiben

Wird auch noch nach einigen Jahren Trauer empfunden, als würde sich nichts verändern, so empfehlen die Experten therapeutische Hilfe. Als erster Schritt könnte der Besuch beim Hausarzt weiterhelfen. Immer wieder müsse allerdings auf einen Therapieplatz gewartet werden. Dann können Gespräche in Beratungsstellen der Diakonie und der Caritas, sowie der Krisenberatungsstelle Arbeitskreis Leben als Überbrückung dienen. Ist die Situation bedrohlich, kann ein Kontakt mit der Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik in Reutlingen hilfreich sein. Oft kann bereits ein Gespräch helfen. Eine stationäre Aufnahme ist nicht die Regel.

Manche Trauernde berichten davon, dass Bilder in ihnen haften bleiben, Bilder von Verstorbenen oder Menschen, die sich das Leben genommen haben und tot aufgefunden wurden und dass solche Szenen immer wieder vor dem inneren Auge ablaufen. Ute von Querfurth hat die Erfahrung gemacht, dass dies eine normale Reaktion auf ein extrem belastendes Ereignis ist.

Grundsätzlich hilfreich sei es, über bleibende Bilder zu sprechen und sich eventuell traumatherapeutisch unterstützen zu lassen. Und mit Freunden und Mitgliedern der Familie im Gespräch zu sein, und sich im Zweifelsfall auch nicht zu scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Für Menschen, die unsicher sind in Begegnungen mit Trauernden, haben die Experten hilfreiche Tipps. Wichtig sei es, nicht verurteilend und ablehnend zu reagieren. »Empathie und Respekt sind wesentliche Faktoren, um einen tragfähigen Kontakt herzustellen, in dem das Gegenüber Vertrauen fassen kann. Allein das Zuhören kann genügend. Es brauche keine Ratschläge«, so Ute von Querfurth weiter. Mit dem Trauernden die Trauer auszuhalten, sei bereits wertvoll. »Trauer ist normal und keine Krankheit«, sagt Bettina Guhlmann. Sätze wie »Alles wird gut« oder »Das Leben geht weiter« helfen nicht weiter, können sogar verletzen. Trauer lässt sich auch nicht beschleunigen. Sie braucht ihre Zeit, und die sollte man den Trauernden lassen, auch wenn es manchmal schwerfällt.

Bemerkungen ernst nehmen

Wenn jemand darüber spricht, sich das Leben nehmen zu wollen, sollte das unbedingt ernst genommen werden, empfiehlt Bettina Guhlmann. Lange gab es die Ansicht »Wer darüber spricht, tut es nicht.« Das sei nicht richtig. Auch lapidare Randbemerkungen sollten Aufmerksamkeit erregen. Jugendliche sind größeren Gefühlsschwankungen ausgesetzt als Erwachsene. Hier kann Liebeskummer schneller zu Fantasien führen, nicht mehr leben zu wollen, als dies bei Erwachsenen der Fall ist. Ein Gefühl, das am nächsten Tag schon wieder anders sein kann. Deshalb sei es wichtig, in der Situation zu reagieren und derartige Äußerungen ernst zu nehmen. Erwachsene sollten unbedingt in Kontakt bleiben mit Jugendlichen, von denen sie entsprechende Signale wahrnehmen.

Damit das Leben weitergehen kann, bieten die Kirchen und freie Träger Beratung an. Niemand sollte sich scheuen, den Telefonhörer in die Hand zu nehmen, um zu erzählen oder ein Gespräch zu vereinbaren (siehe Infobox). (GEA)

 

 

 

 

 

 

BERATUNG AM TELEFON

Telefonseelsorge: 080 01110111 oder 080 01110222 Krisenberatungsstelle Arbeitskreis Leben: Tübingen 07071 19298,Reutlingen 07121 19298 Psychologische Beratungsstelle Diakonieverband Reutlingen: 07121 17051 Caritas Fils-Neckar-Alb, Zentrum Reutlingen: 07121 16560