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Stadt Reutlingen will bis 2040 klimaneutral sein

Das Klima für den Umschwung wird rauer, weil auf allen Seiten Geld knapp ist. Dennoch soll in Reutlingen die Transformation hin zur Treibhausgas-Netto-Null gelingen.

Die Zukunft ist CO₂-neutral: Mit der Verwaltung, städtischen Gebäuden und Eigenbetrieben will die Stadt Reutlingen bis 2040 klim
Die Zukunft ist CO₂-neutral: Mit der Verwaltung, städtischen Gebäuden und Eigenbetrieben will die Stadt Reutlingen bis 2040 klimaneutral sein. Daran hält Baubürgermeisterin Angela Weiskopf fest - hier mit Oberbürgermeister Thomas Keck bei einem Pressetermin auf dem Dach des Reutlinger Rathauses mit dessen Photovoltaik-Anlage. Foto: Frank Pieth/Archiv
Die Zukunft ist CO₂-neutral: Mit der Verwaltung, städtischen Gebäuden und Eigenbetrieben will die Stadt Reutlingen bis 2040 klimaneutral sein. Daran hält Baubürgermeisterin Angela Weiskopf fest - hier mit Oberbürgermeister Thomas Keck bei einem Pressetermin auf dem Dach des Reutlinger Rathauses mit dessen Photovoltaik-Anlage.
Foto: Frank Pieth/Archiv

REUTLINGEN. Das Ziel klingt ambitioniert, aber notwendig: Die Stadtverwaltung und ihre Tochterunternehmen wollen bis spätestens 2040 komplett klimaneutral sein. Bis 2030, also bereits in gut fünf Jahren, sollen in Richtung »Netto-Null bei den Treibhausgasen« bereits »Zwischenziele« erreicht werden, erklärt Mario Zimmermann, einer der beiden Leiter der städtischen »Task-Force Klima und Umwelt«. Damit steht nicht mehr und nicht weniger als »die Transformation des Konzerns Stadt Reutlingen« an.

Baubürgermeisterin Angela Weiskopf steht voll hinter dem Vorhaben: »Man muss es bezahlen können, aber es führt kein Weg an der Klimaneutralität vorbei«, konstatierte sie am Ende einer lebhaften Debatte in der jüngsten Sitzung des Bau-, Verkehrs- und Umweltausschusses (BVUA) des Gemeinderats im Reutlinger Rathaus. Dort hatten Zimmermann und seine Kollegin Patricia Mittnacht ihr Arbeitsprogramm zur Umsetzung dieser Ziele vorgestellt.

Kooperationspartner auf dem Weg zur Klimaneutralität (von links): Mario Zimmermann (Leiter der Reutlinger Task-Force Klima und U
Kooperationspartner auf dem Weg zur Klimaneutralität (von links): Mario Zimmermann (Leiter der Reutlinger Task-Force Klima und Umwelt), Professor Dr. Sabine Löbbe (Projektleiterin des Klima-RT-LAB), der Reutlinger OB Thomas Keck und Patricia Mittnacht (Leiterin der Task-Force Klima und Umwelt). Foto: Hochschule Reutlingen/Archiv
Kooperationspartner auf dem Weg zur Klimaneutralität (von links): Mario Zimmermann (Leiter der Reutlinger Task-Force Klima und Umwelt), Professor Dr. Sabine Löbbe (Projektleiterin des Klima-RT-LAB), der Reutlinger OB Thomas Keck und Patricia Mittnacht (Leiterin der Task-Force Klima und Umwelt).
Foto: Hochschule Reutlingen/Archiv

Zum Hintergrund: Die Stadt Reutlingen ist Mitglied des Klimabündnisses europäischer Städte. Schon 2014 hatte der Gemeinderat einstimmig für das Klimaschutzkonzept gestimmt, das daraufhin bei der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA) in Auftrag gegeben wurde. Die daraus hervorgegangene Agenda umfasst 62 in elf Handlungsfelder unterteilte Maßnahmen, die bis 2030 umgesetzt werden sollen.

Was man nicht sehen kann

Wie will die Kommune das hehre Ziel erreichen? Dazu gehören Angebote zur klimaneutralen Energieversorgung an die Bürger, aber auch die Umrüstung städtischer Gebäude, Unternehmen und Eigenbetriebe auf erneuerbare Energieträger. Im Bereich Mobilität werden etwa RSV-Busse und der Fuhrpark auf alternative Antriebe umgerüstet. Stadtwerke, FairNetz und FairEnergie bauen das Fernwärmenetz in der Kernstadt und in Orschel-Hagen sukzessive aus, nutzen zur Dekarbonisierung industrielle Abwasserwärme und setzen vermehrt auf hybride Wärmepumpensysteme. So wird das Klärwerk West zum Beispiel mit Eigenstrom versorgt.

Außerdem laufen entsprechende Schulungen für Führungskräfte und Klimaschutzkampagnen. Mehr als 27 Workshops, Vorträge, Informationsrundgänge und -gespräche habe die Task-Force Klima und Umwelt in den vergangenen 16 Monaten ausgerichtet, berichteten Mittnacht und Zimmermann. Zudem waren sie an Veranstaltungen wie den Reutlinger Energietagen oder dem Extremwettertag beteiligt.

Spürbare erste Erfolge

Erste Ergebnisse sind bereits sicht- oder spürbar. Unter dem Motto »Ciao Papierstau« oder »Think before you print« setze die Stadt intern aufs Ressourcensparen, erklärte Patricia Mittnacht. Über Informationen, Beratung und Netzwerk-Arbeit wolle man aber »möglichst viele Menschen in der Gesellschaft erreichen«. Im Vergleich zu 2023 verzeichne die Task-Force in diesem Jahr schon jetzt »noch mehr Akteure und Gruppen«, die sich an den Bemühungen zur Umrüstung beteiligen.

In Sachen Photovoltaik-Zubau pro Einwohner ist Reutlingen im Vergleich aller deutschen Großstädte jüngst vom 10. auf den 9. Platz hochgerutscht, beim »Smart City Index« sind bezüglich »Energie und Umwelt« - anders als etwa in Ulm, Heilbronn oder Pforzheim - ebenfalls große Sprünge nach vorn zu beobachten.

Edeltraut Stiedl (SPD) lobte den Einsatz der beiden: »Sie beeindrucken, begeistern und nehmen die junge Generation mit.« Leider seien »trotz der Roten Karte von der UN noch nicht alle aufgewacht«. Jaron Immer (Grüne und Unabhängige) mahnte, Umweltschutz sei die größte Aufgabe schlechthin. »Um die Ziele in fünf und in zehn Jahren zu erreichen, müssen wir noch sehr viel tun.« Er kritisierte, dass der »Climathon« in der Stadt zu wenig wahrgenommen wurde. Die Stadträte seien nicht eingeladen gewesen und in der Presse fand sich wenig Resonanz.

Rückschlag in Reicheneck

Sowohl er als auch Gabriele Gaiser (CDU) sprachen die zu geringe Beteiligung der Bürger am für die Bezirksgemeinde Reicheneck vorgesehenen Nahwärmenetz an. Wie lassen sich die fehlenden Einsparungen an CO2-Ausstoß im Rahmen des Klimakonzepts kompensieren?, wollte Immer wissen. Gaiser bat darum, man möge in Oferdingen umgekehrt vorgehen: Erst mit den Menschen sprechen, ob der Bedarf da ist, bevor Gutachten und Projekt angepackt werden. Denn in das Reichenecker Vorhaben habe die Stadt »wahnsinnig viel Geld und Zeit reingesteckt«. Mario Zimmermann nannte das Scheitern des Großprojekts in dem kleinsten Teilort »bedauerlich - das war ein wichtiger Baustein«. Nun werde der Klimaschutz dort »über andere Lösungen laufen müssen«. Für die Stadt werde es nun schwieriger, ihre Klimaziele zu erreichen.

Marco Wolz (WiR) war die vorgelegte Präsentation der Task-Force »zu unkonkret«. »Wie viele Kilowattstunden müssen wir denn transformieren?«, wollte er wissen. Und: »Wie kommen diese Ideen in Aufsichtsräte rein, wo es Geld kostet?« Zimmermann verwies dazu auf den Energienutzungsplan. Da stünden die Zahlen drin. Regine Vohrer (FDP) lobte die »wirklich wertvolle Arbeit« der beiden Task-Force-Leiter und nannte »Strom und Heizen« bei Bürgern wie Unternehmen »die wahren Game-Changer«. Viele Leute könnten diesbezüglich gar nicht investieren, das sei »ein echtes finanzielles Problem«. Dennoch müsse man dranbleiben. Auch Angela Weiskopf nimmt Verunsicherung in der Bevölkerung wahr: »Auf große Begeisterung folgt jetzt Zurückhaltung.« Dies sei »nicht so leicht umzudrehen«, aber es müsse wieder eine größere Investitionsfreudigkeit her, sagte die Baubürgermeisterin. Und an Wolz gerichtet: »Natürlich müssen wir mehr Dampf geben, um die Klimaziele zu erreichen!« (GEA)