REUTLINGEN. Reutlingen hat am Mittwoch einen Nachmittag der Vielfalt mit riesiger Palette an Aktionen und Aktivitäten in der Spendhausstraße erlebt, darunter auch ein Speed-Talk mit Gemeinderäten. Das Interesse am Speed-Talk mit Gemeinderäten war allerdings überschaubar – nur wenige Bürger suchten das Gespräch. Ein älteres Paar brachte etwa ihr Anliegen über die Lärmbelästigung im Königsträßle vor. Eine Interessierte sagte, dass es Überwindung koste, die Ratsmitglieder an den Stehtischen im Foyer der Reutlinger VHS anzusprechen.
Dieses Gefühl bestätigte Gabriele Gaiser (CDU): »In der Stadt wird man viel eher angesprochen, das ist offensichtlich zwangloser.« Kurt Gugel (FWV) sagte, dass solch ein Rahmen in der Volkshochschule »eigentlich gut« sei, die Veranstaltung am Mittwoch aber schlecht beworben worden war. Generell registriere er »wenig Interesse an Kommunalpolitik«.
Politische Bildung stärken
Marco Wolz (WiR) bemerkte, »dass bei Gesprächen alles in einen Topf geworfen wird, egal, ob es sich um Bundes-, Landes- oder Kommunalpolitik handelt«. Sein Vorschlag: Schon in der Grundschule müsste die Funktion der Demokratie spielerisch erlernt werden. Ähnlich sah es auch Gabriele Janz (Grüne). Grundsätzlich sah sich Janz aber nicht nachvollziehbaren Vorurteilen ausgesetzt. Das »Grünen-Bashing«, das die ebenfalls anwesende Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke nach eigenen Worten auch in Berlin erlebt, gibt es laut Janz auch in Reutlingen.
Allerdings sah sich auch Helmut Treutlein (SPD) am Mittwoch »Verschwörungstheorien« ausgesetzt. Dabei sei es ihm persönlich wichtig, im Gemeinderat »friedlich miteinander« die Ziele zum Wohle der ganzen Bevölkerung zu verfolgen. Über das Top-Thema in der bundesweit aktuellen Diskussion sagte Treutlein: »Reutlingen hat durch Zuwanderung immer nur gewonnen.«
Jeden Tag Termine
Hans-Jörg Schrade (AfD) war ebenfalls beim Speed-Talk dabei, er musste sich allerdings anhören, dass eine Besucherin »Angst vor ihm hat«. Der AfD-Mann sagte: »Es sollten sich mehr Leute für Kommunalpolitik interessieren.«
Tim Widmaier (Linke), Neuling im Gemeinderat, findet die große Zahl der Termine, die Ratsmitglieder mitmachen sollten, als herausfordernd. Seit Beginn seiner Tätigkeit habe er jeden Tag einen Termin gehabt – zusätzlich zu seinem Beruf. Das Format des Speed-Talks befand er als gut, um mit den Menschen in Kontakt zu kommen.
Buntes Treiben in der Spendhausstraße
Während in der VHS die Ratsmitglieder diskutierten, war vor dem Gebäude in der Spendhausstraße, in der Bibliothek und im Spendhaus eine unglaublich große Vielfalt an Aktionen und Mitmach-Aktivitäten geboten: Bei dem »Nachmittag der Vielfalt« war etwa ein Improvisationstheater vor Ort, eine Kinder- und Jugendband spielte auf, es gab ein Rollenstereotypen-Quiz, eine Befragung zur Demokratie, Bilder und Geschichten von Gewalt, das Haus der Kulturen stellte sich vor, der Jugendgemeinderat, Caritas und Diakonieverband luden zu Gesprächen ein und noch viel, viel mehr war geboten.
Das Fazit von Hauptorganisator und Leiter der Geschäftsstelle des Reutlinger Katholischen Dekanats Clemens Dietz: »Das war ein unglaublich buntes Treiben, das alle Teilnehmenden stärkt, uns auch weiter für Reutlingen stark zu machen.« Gerade in der heutigen Zeit mit Fremdenfeindlichkeit und Rechtsruck in der Gesellschaft »ist es umso wichtiger, Präsenz zu zeigen und hinzustehen«. (GEA)