SONDELFINGEN. Der in Fachkreisen weit über Reutlingen hinaus bekannte Sondelfinger Allgemeinmediziner, Endokrinologe und Diabetologe Dr. Udo Frank Gundel ist tot. Er starb bereits am 23. Mai im Alter von 77 Jahren – und mit ihm ein großes Stück Humanitas. Zumal Gundel seinen Patienten, so sie nicht wegen Wehwehchen lamentierten, in bemerkenswertem Maße zugewandt war. Für sie setzte er sich oft bis an die Grenzen der eigenen Belastbarkeit ein – übrigens auch auf gesundheitspolitischer Ebene. Stand er doch 28 Jahre lang der Reutlinger Kreisärzteschaft vor.
Ein Ehrenamt, das der verheiratete Vater zweier erwachsener Kinder mit enormem Engagement ausfüllte und in dessen Rahmen er zahlreiche repräsentative Aufgaben übernahm. Unter anderem war er für Öffentlichkeitsarbeit zuständig und in diesem Zusammenhang ein ebenso wichtiger wie verlässlicher Ansprechpartner für die Presse. Denn egal ob Landärztesterben oder Praxisgebühr, ob Sonnenbrand oder Tumorerkrankung, Gesundheitsreform oder Grippewelle – in der GEA-Lokalredaktion war Gundel für die Dauer von fast drei Dekaden erster Ansprechpartner in allen medizinischen Belangen.
Nie blieb er eine klare Antwort auf Fragen schuldig. Und wenn er Erklärungen in raren Ausnahmefällen doch mal nicht sofort liefern konnte, dann dauerte es niemals lange, bis sein Rückruf erfolgte. Das war so klar wie das sprichwörtliche Amen in der Kirche. Ebenso klar: Dass ihm Klüngeleien zwischen Pharmaunternehmen und Vertretern seiner Zunft aus tiefstem Herzen zuwider waren. Weshalb der jüngst Verstorbene – damals gehörte er der baden-württembergischen Arzneimittelkommission an – über Dekaden hinweg, »industriefreie Fortbildungen vor Ort« organisierte: garantiert ohne »G’schmäckle«, weil garantiert ohne die Unterstützung von Medikamenten-Herstellern.
Nebenbei und zwischendurch bereicherte Udo F. Gundel mit seiner Expertise auch GEA-Telefonaktionen zu Gesundheitsthemen oder beteiligte sich an den von den Reutlinger Kreiskliniken ausgerichteten Medizin-Foren. Derweil er in seiner Eigenschaft als Kreisnotfalldienstbeauftragter des Landes Baden-Württembergs federführend an einer Reform des hausärztlichen Notdienstes tüftelte und diese letztlich erfolgreich durchsetzte – zum Besten seiner Kollegen im ländlichen Raum.
Konkret: Gundel und seinen Mitstreitern ging es damals darum, einen Ausgleich zwischen überlasteten Land- und deutlich weniger unter Arbeitsdruck stehenden Stadtärzten zu erwirken. Und: Er wollte die Allgemeinmedizin für nachfolgende Generationen attraktiv halten. Als politischer, zuweilen unbequemer Mensch und aufmerksamer Beobachter seines Drumherum, erkannte der Mediziner nämlich schon vor zwanzig, fünfundzwanzig Jahren eine, wie er es nannte, »Fehlentwicklung im Gesundheitswesen«, ein immer größer und bedrohlicher werdendes Missverhältnis von zu wenigen, alternden Haus- und zu vielen Fachärzten.
Wie ein »Rufer in der Wüste« sei sich der Allgemeinmediziner Gundel damals vorgekommen und wie »ein Dinosaurier«, also einer der Letzten seiner Art. Einer, der am Ende seiner Berufslaufbahn selbst zu spüren bekommen sollte, »dass ich mit meinen Prognosen leider richtig gelegen bin«.
Eigentlich hatte Udo F. Gundel in Erwägung gezogen, sich mit spätestens 63 Jahren in den Ruhestand zu verabschieden. Jedoch: Daraus wurde erstmal nichts. Denn trotz intensiver und bundesweiter Suche wollte und wollte sich keine adäquate Nachfolge für die Sondelfinger Praxis finden. Was im Flecken schlimme und schlimmste Befürchtungen geweckt hatte. Gundel dürfe nicht aufhören, hieß es. Das gehe gar nicht. Das wäre eine Katastrophe. Nicht auszudenken.
Nun, Gundel hielt durch. Seine Patienten ohne Perspektive im Stich zu lassen – für ihn, der bei aller Kantigkeit seines Charakters stets Humanitas lebte, war’s undenkbar. Jetzt ist Dr. Udo F. Gundel gestorben. Beigesetzt wurde er – seinem Wunsch entsprechend – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Nachricht von seinem Tod hat viele tief berührt. Sie trauern mit der Familie. (GEA)