Logo
Aktuell Wahl

Sollten Verbrenner verboten werden? Das sagen die Reutlinger Bundestagskandidaten

Der GEA-Kandidaten-Check zur Bundestagswahl: Die sechs Kandidaten der aussichtsreichsten Parteien in den Wahlkreisen Reutlingen und Tübingen beantworten im Wechsel Fragen zu relevanten Themen. Es geht um die allgemeine Impfpflicht, die Sicherung und Finanzierung der Pflege für die Babyboomer, die Energiewende und mehr Kompetenzen für den Katastrophenschutz. Das heutige Thema: Sollten Verbrennermotoren verboten werden?

Abgas adieu? Autos mit Verbrennermotoren gelten unter Umwelt- und Klimaschützern als Auslaufmodelle.   FOTO: MURAT/DPA-TMN
Abgas adieu? Autos mit Verbrennermotoren gelten unter Umwelt- und Klimaschützern als Auslaufmodelle. FOTO: MURAT/DPA-TMN
Abgas adieu? Autos mit Verbrennermotoren gelten unter Umwelt- und Klimaschützern als Auslaufmodelle. FOTO: MURAT/DPA-TMN

KREIS REUTLINGEN. Am Verbrennungsmotor scheiden sich die Geister: Die einen würden Benziner und Dieselfahrzeuge aus Gründen des Klimaschutzes lieber heute als morgen so weit wie möglich aus dem Straßenbild verbannen. Die anderen halten nichts von einem staatlich verordneten Neuzulassungsverbot und sehen den Umstieg auf die Elektromobilität skeptisch – weil die E-Autos noch (zu) teuer und die Lade-Infrastruktur bislang lückenhaft ist.

Letztere sind in der Mehrheit, wenn man Umfragen betrachtet, wie sie zum Beispiel das Nachrichtenmagazin Spiegel oder der Berliner Tagesspiegel veröffentlicht haben. Der Tagesspiegel bezog sich im März dieses Jahres auf das Bundestagswahlprogramm der Grünen, wonach »ab 2030 nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden« sollen. Und schon bis 2030 müssten bisherige Verbrennerfahrzeuge »in relevantem Maße« durch E-Autos ersetzt werden, deren Anteil bis dahin »auf mindestens 15 Millionen Fahrzeuge steigen« solle.

Laut einer repräsentativen Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsunternehmens Civey lehnten damals 55,2 Prozent der mehr als 2 500 Befragten »jedes zeitliche Limit ab«. Nur 22,1 Prozent waren dafür, »ab 2030 oder früher keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr in Deutschland zu verkaufen«.

Tendenziell sei die Zustimmung zum Aus für Verbrenner ab 2030 oder früher bei den Wählern der Grünen, Linken und der SPD größer als bei den Wählern von CDU/CSU, FDP und AfD. Hier betrage die Ablehnung eines konkreten Zeitlimits zwischen 65 und 86 Prozent. So heißt es auch im Wahlprogramm der AfD, »die heutige einseitige Bevorzugung von Elektromobilität« sei aufgrund »mangelnder Stromkapazitäten und der globalen Umweltbelastung bei der Batterieproduktion sofort zu stoppen«.

Der Spiegel wiederum nahm im Juli einen Vorstoß der EU-Kommission zum Anlass für eine Umfrage. Sie hatte einen Plan vorgestellt, nach dem bis spätestens 2035 Schluss mit der Zulassung neuer Verbrenner sein soll. Ergebnis der ebenfalls von Civey gemachten Umfrage: 59 Prozent der 5 010 Befragten lehnen ein gesetzlich verordnetes Zulassungsverbot ab, nur 33 Prozent befürwortet es. Die restlichen 8 Prozent sind unentschieden. Der GEA befragt heute Reutlinger Wahlkreiskandidaten. (GEA)

Der CDU-Abgeordneter Michael Donth
Der CDU-Abgeordnete Michael Donth. Foto: Pedersen/dpa
Der CDU-Abgeordnete Michael Donth.
Foto: Pedersen/dpa

Michael Donth (CDU)

Ich halte das Aus für Autos mit Verbrennermotoren für nicht zielführend. Wir müssen in Deutschland zukünftig auf einen Verkehrsmix aus Batterie-Elektromobilität, Wasserstofftechnik, Verbrenner mit CO2-neutralen Kraftstoffen und vielen weiteren alternativen Antriebstechnologien setzen. Wir stehen für einen technologieoffenen Ansatz.

Dieser ist notwendig, wenn der Automobilstandort Deutschland gestärkt werden soll, Arbeitsplätze erhalten und auch die Klimaschutzziele erreicht werden sollen. Wichtig ist ein »level playing field«, was sowohl batteriebetriebene Technologien wie auch auf Wasserstoff beruhende Antriebe, E-Fuels und Biokraftstoffe berücksichtigt. E-Fuels kommt angesichts der Tatsache, dass voraussichtlich auch in absehbarer Zukunft noch zahlreiche Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auf den Straßen fahren werden, erhebliche Bedeutung zu.

Diesen technologieoffenen Ansatz verfolgt auch die Bundesregierung und fördert bereits alternative Kraftstoffe und Antriebstechniken für die Zukunft der Mobilität. Dies umfasst neben der Förderung der Elektromobilität und der dazugehörigen Ladeinfrastruktur auch die synthetischen Kraftstoffe und die Wasserstofftechnologie.

Dr. Ulrich Bausch, fotografiert im Garten des Heimatmuseums.
Dr. Ulrich Bausch. Foto: Markus Niethammer
Dr. Ulrich Bausch.
Foto: Markus Niethammer

Dr. Ulrich Bausch (SPD)

Vor knapp 50 Jahren erklärte der Club of Rome, dass diese Welt ein in sich geschlossenes System ist und daher prinzipiell grenzenloses Wachstum unmöglich sei. Tatsächlich haben wir da oben kein Dachfenster, keine Luke und keinen Auspuff, um Dampf abzulassen. Unsere Welt gleicht einer großen Garage, in der wir den Motor immer schneller laufen lassen.

Täglich blasen wir die Abgase von 110 Millionen Fässern Öl in die Luft, plus die Abgase von Gas, Kohle und so weiter. Das ist suizidal. Das ist irre, was wir hier machen. Wir müssen so schnell wie möglich aufhören zu verbrennen. Zum Verbrenner brauchen wir Alternativen. Ein Verbot ist notwendig.

Aktuell scheint das Elektroauto eine Teillösung zu sein. Erneuerbaren Strom werden wir in allen Sektoren einsetzen müssen. Technologisch stehen wir hier noch am Anfang. Vieles ist möglich, wenn wir wirklich wollen. Ohne sauberen Wasserstoff in großindustriell hergestelltem Maßstab ist Klimaneutralität nicht zu erreichen. Wir brauchen mehr Tempo beim Ausbau der Stromnetze, Bahnstrecken, Wasserstoffleitungen und Ladesäulen für Elektroautos.

Bundestagskandidatin Beate Müller-Gemmeke
Bundestagskandidatin Beate Müller-Gemmeke. Foto: Frank Pieth
Bundestagskandidatin Beate Müller-Gemmeke.
Foto: Frank Pieth

Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Grüne)

Klimaschutz funktioniert nur mit einer konsequenten Antriebswende. Grünen Wasserstoff brauchen wir für unseren Industriestandort und für große schwere Fahrzeuge. Beim Pkw ist die Entscheidung zugunsten des Elektroantriebs längst gefallen.

Weltweit setzen immer mehr Länder auf die Elektromobilität. Und große deutsche Autokonzerne sind beim Thema E-Autos mittlerweile auch viel weiter als die Große Koalition. Damit gibt es eine realistische Chance, dass deutsche Hersteller mit klimafreundlichen Fahrzeugen die gut bezahlten Arbeitsplätze hierzulande sichern können.

Diese sozial-ökologische Wende der Wirtschaft unterstützen wir mit einem neuen Qualifizierungs-Kurzarbeitergeld. So bleiben die Beschäftigten in Phasen der Transformation im Betrieb und werden nachhaltig qualifiziert. Damit der Verkehrssektor seinen Beitrag zur Begrenzung der Klimaerwärmung auf 1,5 Grad leistet, brauchen wir verlässlichere Rahmenbedingungen. Damit effiziente, emissionsfreie E-Autos sich schneller durchsetzen, werden wir die Entwicklung moderner Batterien fördern und den flächendeckenden Ausbau einer einheitlichen Ladeinfrastruktur beschleunigen. Laden muss überall schnell und bequem möglich sein.

Bundestagsabgeordneter Pascal Kober
Der Bundestagsabgeordnete der FDP Pascal Kober beim Gespräch in der GEA-Redaktion. Foto: Frank Pieth
Der Bundestagsabgeordnete der FDP Pascal Kober beim Gespräch in der GEA-Redaktion.
Foto: Frank Pieth

Pascal Kober (FDP)

Die Politik ist nicht der Ort, um sich auf einzelne Technologien festzulegen. Sie ist aber der richtige Ort, um über die Ziele zu entscheiden. Und das Ziel ist klar: Klimaneutralität. Alle Wege dorthin müssen möglich sein, weil wir sie alle benötigen, da eine Technologie alleine keine Lösung bietet. Daher ist Technologieoffenheit ganz entscheidend. Deshalb sind nicht nur E-Autos oder die Brennstoffzelle interessant, sondern auch synthetische Kraftstoffe, mit denen Verbrenner CO2-neutral betrieben werden können.

Hier besteht für Deutschland als Automobilland eine riesige Chance. Würden wir alleine auf E-Mobilität setzen, dann würden wir laut Bosch-Chef Volkmar Denner neun von zehn Arbeitsplätzen verlieren. Setzen wir zusätzlich auf synthetische Kraftstoffe und werden hier zum Innovationsstandort, dann können wir die Mobilitätsfrage weltweit prägen und Arbeitsplätze in Deutschland ausbauen.

So könnten wir jedes schon gebaute Auto klimaneutral auf jedem Kontinent betreiben, ohne dass wir an die Grenzen der Ladeinfrastruktur gebunden sind. Wir sehen deshalb in der Technologieoffenheit und im Antriebsmix für Klimaschutz und unsere Wirtschaft den besten Weg.

Hansjörg Schrade, AfD-Fraktionssprecher und Bundestagskandidat
Hansjörg Schrade, AfD-Fraktionssprecher und Bundestagskandidat. Foto: Stephan Zenke
Hansjörg Schrade, AfD-Fraktionssprecher und Bundestagskandidat.
Foto: Stephan Zenke

Hansjörg Schrade (AfD)

Die Gesamt-Energie-Bilanz von modernen Verbrennermotoren ist besser als beim Batterieauto, gerade auch über lange Zeiträume gesehen, da die Lebensdauer der Batterie begrenzt ist. Die Herstellung der Batterie benötigt sehr viel Strom, und der Abbau von Lithium und Kobalt verursacht große Umweltschäden und soziale Missstände in den Herkunftsländern.

Vor allem aber führt beim aktuellen Strom-Mix jedes zusätzliche Elektroauto zu einem höheren Stromverbrauch, der natürlich nur durch zusätzliche Kohle- und Gaskraftwerke zu bedienen ist, da die unsicheren Stromquellen Wind und Sonne kein verlässliches Angebot bereitstellen. Ohne massivste steuerliche Subventionen (und Strafsteuern für die Hersteller und die CO2-Steuer für Diesel und Benzin) wäre die E-Mobilität nicht konkurrenzfähig.

Was von EU, CDU, SPD und Grünen hier betrieben wird, ist wirtschaftlicher Selbstmord aus ideologischen Gründen, der Arbeitsplatzabbau beginnt schon. Ein aktuelles Papier der Deutschen Bank nennt Kosten für den Staat durch Subventionen und Steuerverzicht für ein E-Auto der gehobenen Mittelklasse von über 20 000 Euro, wenn das Fahrzeug als Firmenwagen genutzt wird, wird dieser Betrag noch höher.

Die Abgeordnete Jessica Tatti
Die Abgeordnete Jessica Tatti will weiter im Bundestag wirken. Foto: Frank Pieth
Die Abgeordnete Jessica Tatti will weiter im Bundestag wirken.
Foto: Frank Pieth

Jessica Tatti (Linke)

Das Ende des Verbrennermotors muss und wird kommen. Damit sich die für Baden-Württemberg und Deutschland bedeutende Automobilbranche schnell auf die neuen Antriebsformen – Elektromobilität, aber auch die Brennstoffzellentechnologie für Lkw, Busse und Bahnen – umstellen kann, sind verbindliche Zeitpläne für den Ausstieg aus der Produktion des Verbrenners notwendig.

In Baden-Württemberg arbeiten bis zu 200 000 Beschäftigte direkt am Verbrennungsmotor. Und für diese Beschäftigten braucht es Alternativen. Dazu gehört auch, dass die Antriebe und Batterie-Technologien nicht irgendwo produziert werden, sondern hier in Baden-Württemberg. So werden Arbeitsplätze gesichert. Auch bei den Zulieferern sind die Sorgen groß, dass es zu Kahlschlägen kommt.

Das heißt: Wir stehen vor der industriepolitischen Herausforderung, dass wir alternative Ansiedlungen brauchen, ebenso wirksame arbeitsmarktpolitische Instrumente, wie ganz konkrete Weiterbildungsangebote und Jobgarantien, um den hoch qualifizierten Beschäftigten der Branche gute Arbeit zu sichern. Denn ihr Wissen ist für die Industrie auch in Zukunft unverzichtbar.