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So geht’s mit dem Reutlinger Marktplatz weiter

Die Stadt will den Marktplatz für wenig Geld aufhübschen. Die Pläne dazu hatten im Juli für Aufregung gesorgt. Was die Gemeinderäte nun fordern, wie die Marktbeschicker auf das Vorhaben blicken und wie es weitergehen soll.

Der Reutlinger Marktplatz an einem sonnigen Augusttag. Stadt und Marktbeschicker sind sich einig: Mehr Schatten wäre wichtig und
Der Reutlinger Marktplatz an einem sonnigen Augusttag. Stadt und Marktbeschicker sind sich einig: Mehr Schatten wäre wichtig und gut für alle. Doch was den Schatten spenden soll und wo - daran scheiden sich die Geister. Foto: Frank Pieth
Der Reutlinger Marktplatz an einem sonnigen Augusttag. Stadt und Marktbeschicker sind sich einig: Mehr Schatten wäre wichtig und gut für alle. Doch was den Schatten spenden soll und wo - daran scheiden sich die Geister.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN. Was am 22. Juli im Rathaus genau gesprochen wurde, bleibt wohl für immer ein Geheimnis für die breite Öffentlichkeit. Der GEA durfte damals an der nicht-öffentlichen Sitzung zur geplanten Umgestaltung des Marktplatzes nicht teilnehmen. Nur rund 20 Marktbeschicker waren dabei sowie die Gastronomen Uwe Grauer (»Alexandre«) und Katerina Mavrodi (»Alte Bank« und »Nua«), Baubürgermeisterin Angela Weiskopf und Mitarbeiter der Verwaltung. Und WiR-Stadtrat Dr. Jürgen Straub, der sich »reingemogelt« hatte in die Sitzung, zu der die Gemeinderäte eigentlich nicht eingeladen worden waren.

Baubürgermeisterin Weiskopf beteuert bis heute, dass in der Einladung wie in der eigentlichen Sitzung immer wieder betont worden sei: Es geht nur um erste Pläne, nichts ist in Stein gemeißelt. Andere Sitzungsteilnehmer bestätigen das. Landwirt Frank Kuhn, der den Markt als verlängerter Arm der Verwaltung leitet, ist dagegen diametral anderer Meinung. Daraus machte er auch als Zuhörer in der jüngsten Sitzung des Bauausschusses keinen Hehl. Die Marktbeschicker seien vor vollendete Tatsachen gestellt worden, sagt er dem GEA. Zumindest habe sich das so angefühlt. Die Verwaltung habe damals Pläne präsentiert, die mit ihnen im Voraus nicht abgestimmt worden seien und die für ihn und seine Kollegen höchst unpraktisch seien.

Die Ideen, mit denen die Stadt auf die Beschicker zugegangen war: Die großen grünen Kreise  zeigen den Baumbestand, die kleinen
Die Ideen, mit denen die Stadt auf die Beschicker zugegangen war: Die großen grünen Kreise zeigen den Baumbestand, die kleinen grünen Kreise zeigen mögliche neue Baumstandorte. Foto: Grafik Stadt
Die Ideen, mit denen die Stadt auf die Beschicker zugegangen war: Die großen grünen Kreise zeigen den Baumbestand, die kleinen grünen Kreise zeigen mögliche neue Baumstandorte.
Foto: Grafik Stadt

Den größten Ärger ziehen sechs Bäume auf sich. Die Stadtverwaltung schlägt vor, diese auf dem Marktplatz zu pflanzen. Der Platz – im Sommer eine Betonwüste – soll so schattiger werden, die Aufenthaltsqualität soll steigen. Zwei Bäume an der dem Marktplatz zugewandten Seite des Landens »Vorwerk«. Zwei eher in der Mitte des Platzes, zwischen Nua-Außengastronomie und dem Kiosk. Einen in der Mitte der Nua-Terrasse. Und einen an der Ecke Nua/Wilhelmstraße. So zeigt es zumindest der Plan aus dem Tiefbauamt, der auf Juni 2024 datiert ist. Bäume können nicht überall gepflanzt werden, ihr Standort hängt maßgeblich auch von den im Untergrund verlaufenden Leitungen ab.

»Diese Baumstandorte werden seitens der Marktbeschicker sehr kritisch bewertet«

»Diese Baumstandorte werden seitens der Marktbeschicker sehr kritisch bewertet«, heißt es recht nüchtern in einem Protokoll von der besagten emotionalen Sitzung, das dem GEA vorliegt. Sie befürchten Probleme beim Auf- und Abbau der Stände, sowie »eine Laubproblematik im Herbst«. Ein neben dem Nua geplantes Spielgerät hatte ebenso für Kritik bei Beschickern und Gastronomen gesorgt. Dieses hat die Verwaltung nun gecancelt. An den Bäumen hält man offenbar aber fest. Auch, weil eine mobile Kübel-Lösung wohl wenig praktikabel ist. Ein Baum-Kübel, der zwei Meter lang und breit ist, wiegt nämlich so viel, dass er nur noch mit schwerem Gerät transportierbar ist. Das hat die Stadt geprüft. Ein flexibles Hin- und Herschieben der Mini-Bäume beim Marktaufbau durch die Beschicker ist somit nicht möglich »Das hilft uns also gar nicht«, sagt der Sickenhäuser Landwirt Martin Frech, der den Markt zusammen mit Kuhn leitet. »Außerdem bringen Bäume in der Größe doch keinen Schatten!«

Das desolate Pflaster in den Randbereichen soll ausgebessert werden, darin sind sich alle einig.
Das desolate Pflaster in den Randbereichen soll ausgebessert werden, darin sind sich alle einig. Foto: Frank Pieth
Das desolate Pflaster in den Randbereichen soll ausgebessert werden, darin sind sich alle einig.
Foto: Frank Pieth

Am 12. Oktober, einem Samstag, sollen die Baumstandorte nun bei einem »Fahrversuch« frühmorgens um 5 Uhr geprüft werden. Dann bauen die Beschicker auf. Mit Pollern werden die geplanten Bäume dargestellt, dann soll sich zeigen, ob die Ideen der Stadt praktikabel sind oder nicht. »Ich werde auch da sein«, verspricht Baubürgermeisterin Angela Weiskopf. Für Marktmeister Kuhn ein Schritt in die richtige Richtung. Auch wenn er weiter sauer ist, dass sein Alternativvorschlag – eine Allee parallel zum Zinser, in der Mitte des Platzes – nicht weiter geprüft wird. Auch eine weitere Idee der Beschicker findet sich nicht in der städtischen Planung: eine Pergola. »Man braucht dazu nur eine Stahlstange. Und von der aus spannt man Drahtseile«, sagt Beschicker Martin Frech. Einjährige Pflanzen könnte er sich hier vorstellen, die an den Seilen entlang wachsen und Schatten spenden. »Das ist auch deutlich pflegeleichter als ein Baum«, sagt er. Im Winter könnte man Lichterketten oder Christbaumkugeln aufhängen, »man hätte immer wieder neu die Chance, das zu gestalten«.

»Das Vorgehen der Verwaltung hat bei uns für große Irritation gesorgt«

In der Bevölkerung wurden die städtischen Umgestaltungsvorschläge stark diskutiert. Im Gemeinderat sind sie mittlerweile zu einem kleinen Politikum geworden. Vor allem die CDU schießt heftig gegen die Verwaltung. »Das Vorgehen der Verwaltung hat bei uns für große Irritation gesorgt«, so Fraktionschefin Gabriele Gaiser. Sie spricht von sechsstelligen Beträgen, mit denen die »Umgestaltung light« zu Buche schlagen würde. »Und das ist für uns kein kleiner Betrag.« Woher sie diese Zahl hat, wurde allerdings nicht klar. Auf GEA-Anfrage wollte die städtische Pressestelle keinen Kostenrahmen nennen, da es sich eben nur um Ideen und Vorschläge handle.

Jaron Immer (Grüne) sieht die Sache unaufgeregter: »Das sind doch nur Planungen, wir beschließen ja noch nichts.« Er bemängle aber, dass das Spielgerät komplett aus den Planungen verschwunden sei, und bringt die Sport-Boxen wieder ins Gespräch, die der Jugendgemeinderat mal angeregt hatte. Auch Erich Fritz (FWV) sieht die Sache pragmatischer als die CDU: »Der Zeitpunkt für eine Umgestaltung wird wahrscheinlich immer der falsche sein.« Und »es ist doch auch für die Marktbeschicker langfristig von Vorteil, wenn der Platz hübscher wird«, findet Ramazan Selcuk (SPD). Schärfere Töne dagegen von Regine Vohrer (FDP), die mit dem Weihnachtsmarkt in den Dezemberwochen auch um den Marktplatz konkurriert hat. Sie sieht eine »Hypersensibilität der Marktbeschicker«, die sich immer noch »auf ein Marktrecht aus dem 12. Jahrhundert beziehen«. Dieses wolle sie gar nicht in Abrede stellen – aber ihr fehle die Bereitschaft der Beschicker anzuerkennen, dass es eben auch »neue Interessen« gibt und dass sich »die Zeiten geändert haben«.

»Das sind doch nur Planungen, wir beschließen ja noch nichts«

Anfang Oktober wird eine Arbeitsgruppe aus Betroffenen, Stadtmarketing, RT-aktiv, Anrainern und Verwaltung die überarbeiteten Pläne besprechen. Wohl am 10. Oktober wird die Umgestaltung wieder Thema im Bauausschuss sein. Auch sichert Baubürgermeisterin Weiskopf nach Kritik einiger Räte dann eine öffentliche Info-Veranstaltung zum Thema zu, noch vor den besagten »Fahrversuchen«. Und dann wird sich zeigen, wie es mit dem Herzstück Reutlingens weitergeht. (GEA)

Was unkritisch aufgenommen wurde

Es gab durchaus auch Punkte in der städtischen Planung, die von allen Seiten begrüßt werden. So sollen im Zuge der »Umgestaltung light« Leuchten, Mülleimer und Sitzgelegenheiten ausgetauscht werden - allesamt nicht mehr im besten Zustand. Außerdem soll der Bodenbelag in den Randbereichen des Platzes erneuert werden, der an vielen Stellen uneben ist und einem Flickenteppich gleicht. (kk)

Auch die Mülleimer sollen ausgetauscht werden.
Auch die Mülleimer sollen ausgetauscht werden. Foto: Frank Pieth
Auch die Mülleimer sollen ausgetauscht werden.
Foto: Frank Pieth