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Aktuell Ehrungen

Rommelsbacher Räte über Lust und Frust am Ehrenamt

Für 20 Jahre kommunalpolitisches Ehrenamt wurden jüngst in Reutlingens Bezirksgemeinden verdiente Räte mit Silber-Nadeln des Städtetags gewürdigt. Auch in Rommelsbach haben drei Gemeindevertreter Abzeichen und Urkunden erhalten. Ihr Debüt wurde anno 2004 von einem Paukenschlag begleitet. Was seither gewuppt wurde.

Haben für jeweils zwanzig Jahre im kommunalpolitischen Ehrenamt die silberne Nadel des Städtetags erhalten (von links): Markus K
Haben für jeweils zwanzig Jahre im kommunalpolitischen Ehrenamt die silberne Nadel des Städtetags erhalten (von links): Markus Kern, Andrea Löffler und Georg Leitenberger. Foto: Frank Pieth
Haben für jeweils zwanzig Jahre im kommunalpolitischen Ehrenamt die silberne Nadel des Städtetags erhalten (von links): Markus Kern, Andrea Löffler und Georg Leitenberger.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN-ROMMELSBACH. Ja, ja, die liebe Kommunalpolitik. Sie kann sich ziemlich zäh gestalten und dabei gewaltig Nerven kosten. Manchmal lässt sie deshalb Hälse anschwellen; und fast immer erfordert sie Wachsamkeit und Durchhaltevermögen. Außerdem verlangt sie nach profunden Kenntnissen einer Fremdsprache, derer die wenigsten mächtig sind: bürokratisch. Und - als wäre all das noch nicht genug - sind in der Kommunalpolitik durchaus auch Heimwerker-Qualitäten gefragt: Der dicken Bretter wegen, die immer mal wieder gebohrt werden müssen.

Na, wie schaut's aus. Spontane Lust auf ein kommunalpolitisches Ehrenamt bekommen? Nicht? Dann bitte jetzt den Hut ziehen: vor Menschen wie Andrea Löffler, Georg Leitenberger und Markus Kern, die sich seit sage und schreibe zwei Dekaden für ihre Bezirksgemeinde Rommelsbach einsetzen und jüngst für dieses ausdauernde Engagement - wie rührige »Zwanziger« in anderen Reutlinger Teilorten ebenfalls (der GEA berichtete) - mit der silbernen Ehrennadel des Städtetags gewürdigt wurden.

»Frischen Wind« ins Bezirksamt bringen

Klar, dass bei derlei Anlässen Erinnerungen geweckt und zahlreiche »Weißt-du-Nochs« ausgetauscht werden. Weshalb das Rad der Rommelsbacher Ortsgeschichte hier und heute um zwanzig Jahre zurückgedreht sei.

September 2004: Der Souverän hat seine Wahl getroffen und der knapp 6.000 Einwohner zählenden Nordraumgemeinde eine zusätzliche Fraktion beschert. Neben den etablierten Politgruppen "Bürger für Rommelsbach" und "Wählervereinigung Rommelsbach" mischen nun auch Repräsentanten von "Rommelsbach aktiv" im Ratssaal mit. Vom kommunalpolitischen G’schäft haben sie zwar wenig bis gar keine Ahnung, sind jedoch hoch motiviert und wollen, wie sie betonen, »Frischen Wind« ins Bezirksamt bringen.

Auch der zweite Kreisverkehr am südlichen Ortsportal blieb Rommelsbach zunächst als Behelfs-Rondell erhalten und weckte traurige
Auch der zweite Kreisverkehr am südlichen Ortsportal blieb Rommelsbach zunächst als Behelfs-Rondell erhalten und weckte traurige Erinnerungen an den dauerhaft-provisorischen »Lego-Kreisel« im Herzen der Gemeinde. Foto: Meyer Jürgen
Auch der zweite Kreisverkehr am südlichen Ortsportal blieb Rommelsbach zunächst als Behelfs-Rondell erhalten und weckte traurige Erinnerungen an den dauerhaft-provisorischen »Lego-Kreisel« im Herzen der Gemeinde.
Foto: Meyer Jürgen

Unter ihnen Andrea Löffler und Georg Leitenberger, deren erste Schritte auf kommunalpolitischem Parkett - anders als die von Markus Kern, der für die »Wählervereinigung« gänzlich geräuschlos Einzug ins Gremium hält - von einem Paukenschlag begleitet werden. In der konstituierenden Sitzung, bei der der einst »amtlich bestellte« und später immer wiedergewählte Ortsvorsteher Wilhelm Brielmann erwartungsgemäß im Schultesamt bestätigt werden soll, kommt es zu etwas nach der Gemeindereform noch nie Dagewesenem: zu einem Gegenkandidaten.

Denn der Debütant Georg Leitenberger bewirbt sich ebenfalls um den Chefsessel. Was vom Gros der Zuschauer mit großen Augen zur Kenntnis genommen wird. Die Stimmung schwankt zwischen Respekt und Empörung. Mutig sei’s, sagen die einen. Als dreist empfinden es andere. Ergebnis des Votums: Brielmann geht als neuer, alter Schultes aus dem Rennen - mit acht Pro- und drei Contra-Stimmen.

Wichtige Themen mit Schwung angepackt

War Leitenbergers Vorstoß ein Affront? Nein, sagen die drei Silbernadel-Träger unisono: »Das war absolut legitim. Zu einer echten Wahl gehört nun mal mehr als nur ein Kandidat.« Wiewohl das vor zwanzig Jahren mitnichten alle Gemeindevertreter so gesehen haben und sich alsbald abzeichnen sollte, dass aus Brielmann und Leitenberger keine Freunde werden. Dessen ungeachtet startet der Bezirksgemeinderat mit Schwung in die nächste Legislaturperiode und packt wichtige Themen an.

Noch gibt es in Rommelsbach keinen Kreisverkehr und kein Pflegeheim. Die Festhalle in der Tannheimer Straße verkommt zusehends zum Sanierungsfall und in der örtlichen Grundschule am Reisweg nähern sich die räumlichen Kapazitäten allmählich ihrem Limit. Unzufrieden ist man im Flecken mit der »Neuen Mitte«, deren SB-Markt die Schließung droht (und nach Rettungsversuchen auch vollzogen wird), derweil sich viele Bürger davor fürchten, dass Mobilfunkanbieter zusätzliche Sendemasten aufpflanzen. Überdies sollte dringend in den Hochwasserschutz investiert werden und die Expansionswünsche des Mineralwasserabfüllers Romina wollen tunlichst so gestaltet sein, dass sie sich nicht nachteilig auf ihr nachbarschaftliches Umfeld auswirken.

Vor ihrer überfälligen Erhaltungssanierung bot Rommelsbachs Festhalle nicht nur im Sanitärbereich einen bedenklich heruntergekom
Vor ihrer überfälligen Erhaltungssanierung bot Rommelsbachs Festhalle nicht nur im Sanitärbereich einen bedenklich heruntergekommenen Anblick. Foto: Pacher Ursula
Vor ihrer überfälligen Erhaltungssanierung bot Rommelsbachs Festhalle nicht nur im Sanitärbereich einen bedenklich heruntergekommenen Anblick.
Foto: Pacher Ursula

Kein Zweifel: Es gibt einiges zu tun. Und die drei Newcomer bringen sich mit Verve ein. Jede und jeder auf seine Weise und mit persönlicher Expertise. Der Landwirt Markus Kern sensibilisiert Gremium und Zuhörerschaft für bäuerliche Bedürfnisse, argumentiert - noch bevor die Idee baulicher »Innenverdichtung« aufs kommunalpolitische Tapet kommt - gegen Flächenfraß und für ein besseres Hochwassermanagement. Kriminalhauptkommissar Georg Leitenberger, einstiger Kopf der Initiative »Bürger contra Sendemast«, bleibt an eben diesem Reizthema dran und erweist sich darüber hinaus - ebenso wie Physiotherapeutin Andrea Löffler - als kritischer Geist, der selten schluckt, was die Verwaltung druckt. Außerdem plädieren alle drei Neulinge dafür, dass in Rommelsbach nach dem Vorbild anderer Bezirksgemeinden eine Bürgerfragestunde installiert wird.

Letzteres sorgt für Debatten und Lagerbildung. Die einen finden’s überflüssig, die anderen bürgernah. Fünf Jahre sollen ins Land gehen, bis sich Rommelsbachs Einwohner 2009 erstmals zum Auftakt öffentlicher Sitzungen mit Fragen ans Gremium wenden dürfen. Für andere Projekte muss indes weit mehr Geduld aufgebracht werden, bis an ihnen - sei’s wegen bürokratischer Hürden, sei’s wegen Geldmangels - der sprichwörtliche Knopf dran ist.

Motivierend: Kleinere Erfolge und »Sternstunden«

Jedoch: Gut Ding braucht eben manchmal Weile. Dafür kann sich das Ergebnis in aller Regel sehen lassen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an den Bau zweier Gemeinschaftsschuppenanlagen, an die Inbetriebnahme des Netto-Markts vis-à-vis der »Neuen Mitte« und der des Regenüberlaufbeckens Luiben. Erinnert sei außerdem an die Erhaltungssanierung der Festhalle Tannheimer Straße und an die Grundschulmensa in Holzständer- statt Containerbauweise .

Hinzu kommen »Sternstunden« wie die Eröffnung des lokalen Pflegeheims. Vorausgegangen waren ihr elendslange Sitzungen mit und ohne Gastreferenten sowie ein Schock: weil die BruderhausDiakonie als designierte Betreiberin der geplanten Senioren-Einrichtung völlig unvermutet mit der Botschaft um die Ecke bog, dass ein Neubau unter Einbeziehung und Erhalt der »Alten Schule« nicht rentabel sei. Und das, obschon es zuvor doch geheißen hatte, dass das ortsbildprägende Gebäude architektonisch integriert werden könne.

Stationen eines Polit-Bummels mit Bezirksbürgermeisterin Gabriele Gaiser: Die Rommelsbacher Wehr braucht ein neues Domizil. Dafü
Stationen eines Polit-Bummels mit Bezirksbürgermeisterin Gabriele Gaiser: Die Rommelsbacher Wehr braucht ein neues Domizil. Dafür kämpft der Ortschaftsrat nicht erst seit vorgestern. Foto: Meyer Jürgen
Stationen eines Polit-Bummels mit Bezirksbürgermeisterin Gabriele Gaiser: Die Rommelsbacher Wehr braucht ein neues Domizil. Dafür kämpft der Ortschaftsrat nicht erst seit vorgestern.
Foto: Meyer Jürgen

»Das hat uns vier Jahre gekostet«, sagt Georg Leitenberger. Zumal man sich im Flecken mit keinem Abriss abfinden mochte und die BruderhausDiakonie darob eine Rolle rückwärts machte. Nicht so der Bezirksgemeinderat um den damaligen Ortsvorsteher Siegfried Thumm - dem ersten rein ehrenamtlichen Schultes nach Brielmann.

Thumm und das Gremium geben sich nämlich nicht mit zweifelhaften Behauptungen zufrieden, prüfen erneut, sondieren, bleiben am Ball und finden in der RAH eine Betreiberin, die das angeblich Unmögliche möglich macht und die »Alte Schule« in ihren Pflegebetrieb eingliedert.

Drei Listen ziehen an einem Strang

Zu diesem Zeitpunkt ist die Polit-Gruppe »Bürger für Rommelsbach« übrigens längst Geschichte. Statt ihrer haben die Christdemokraten Sitze im Gremium eingenommen und stellen seit 2019 - Schultes Thumm sah altersbedingt von einer neuerlichen Kandidatur für den Ortschaftsrat ab - mit Gabriele Gaiser die Bezirksbürgermeisterin.

Nach wie vor sind es also Räte dreier Listen, die die Interessen Rommelsbachs vertreten. Allerdings keine, die in inhaltlicher Konkurrenz stehen. Die Reibereien von einst sind fraktionsübergreifender Geschlossenheit gewichen. »Wir ziehen an einem Strang«, bringt es Markus Kern auf den Punkt. Andrea Löffler und Georg Leitenberger nicken bestätigend. Löffler spricht von einem »Wir-Gefühl«, das sie zuvor vermisst habe. Jetzt sei es definitiv da. Und alle Drei sind mit sich und ihrem kommunalpolitischen Wirken im Reinen, alle Drei haben erfahren dürfen, dass ihr Ehrenamt unterm Strich ein zielführendes ist. Das motiviert zu neuen Taten.

Was für den Teilort gut zu nennen ist. Denn »Baustellen« gibt es g’rad g’nug: vom projektierten Feuerwehrhaus bis hin zum Mehrgenerationenpark, vom lückenlosen Radwegenetz bis hin zu einer weiteren Gemeinschaftsschuppenanlage gilt es, allerlei zu wuppen. Das hierfür notwendige Rüstzeug hat sich das Trio binnen der zurückliegenden zwanzig Jahre erworben. Aus einstigen »Debütanten« sind »alte Hasen« geworden: Gemeindevertreter, die fließend »bürokratisch« sprechen und präzise wissen, wie dicke Bretter gebohrt werden. (GEA)