REUTLINGEN. Schon im Vorfeld vermuteten Eltern, Lehrer und Schüler, dass Online-Lernplattformen unter der Auslastung in die Knie gehen würden. Montagmorgen passierte genau das: Die Server der Plattformen Moodle & Co. waren kurz nach Schulstart überlastet. Auf den Instagram- und Facebook-Kanälen des GEA klagten viele User über Störungen. Am Telefon berichteten Reutlinger Lehrkräfte über einen chaotischen ersten Homeschooling-Tag nach den Ferien.
»Wir haben den Unterricht mit 28 Kindern gestartet, von 9 Uhr an sind dann alle nach und nach rausgeflogen. Es war eine Katastrophe«, sagte die Lehrerin einer weiterführenden Schule in Reutlingen, die wie die weiteren Gesprächspartner anonym bleiben will. Für etwa eine halbe Stunde versuchte sie die Lage in den Griff zu bekommen. Das bedeutete gleichzeitig zu unterrichten, Eltern und Schülern via Messenger oder Telefon technischen Support zu geben und sich selbst immer wieder in das fragile System einzuloggen. Für ihren Unterricht nutzt sie zwei verschiedene Plattformen. Beide seien gegen 9.30 Uhr praktisch unbrauchbar gewesen, nur vier Kinder hätten dem Unterricht dann noch folgen können. Ein Zustand, der bis zum Nachmittag anhielt.
Ihr Hauptkritikpunkt: »Aus dem ersten Lockdown hat man zu wenig gelernt. Die Budgets erhöhen und ein paar Geräte verteilen reicht nicht.« Die Lehrerin vermisst ein einheitliches Konzept, sowohl im Land als auch an den einzelnen Schulen. »Wir haben weder einen Plan A, noch einen Plan B für einen Notfall wie heute«, sagt sie. Stattdessen gebe es nur ein Konzept für die drei Wochen im Januar.
Das führe auf allen Seiten zu Unzufriedenheit. Bei der Schulleitung, aber auch bei den Lehrern, die sich wirklich bemühen und am Ende trotzdem den Unmut der Eltern abbekommen. Am meisten würden jedoch die Schüler leiden.
Moodle-Störung führt zu Doppelbelastung
Ähnlich sieht das ein Kollege, der an einer Reutlinger Berufsschule arbeitet. »Onlineunterricht bringt nur sehr engagierte Schüler weiter«, sagt er. Viele bräuchten jedoch mehr Kontrolle, Anleitung und Feedback. Das sei online nur schwer möglich, selbst wenn alles reibungslos funktioniere.
Wie bei vielen anderen hat Moodle am Montag auch bei ihm nicht funktioniert. »Ich war zunächst überfordert und wusste nicht, wie ich weitermachen soll«, sagte er. Unklar sei gewesen, ob er eine andere Plattform, beispielsweise Zoom, hätte nutzen dürfen. Als Alternative blieb nur, Aufgaben per Mail zu versenden. Eine individuelle Kommunikation sei so aber unmöglich. Glücklicherweise habe Moodle nach etwa 30 Minuten wieder funktioniert, sonst hätte er seinen Unterricht »nicht durchziehen können«.Störungen führen zu MehrarbeitAus einem Reutlinger Gymnasium berichtet eine Lehrerin, dass an ihrer Schule bereits im Vorfeld über Alternativen zum Videounterricht beraten wurde: »Wir Hauptfachlehrer haben beschlossen, dass eine Videokonferenz pro Woche pro Lehrer reichen muss, damit die Server nicht noch mehr belastet werden«, erzählt sie dem GEA. Sie habe daher am Sonntagabend versucht, schriftliche Materialien auf einer alternativen Plattform hochzuladen, die die Schule statt Moodle nutzt. Weil auch die Alternative morgens störungsanfällig sei, habe sie auf eine schnellere Datenverbindung am Abend gehofft. »Um 16 Uhr war ich mit Unterrichtsvorbereitung fertig.« Bis 17 Uhr wurde die Plattform gewartet. »Ab fünf ging ich im Laufe des Abends immer wieder zum PC, um zu schauen, ob die Materialien online sind.« Vier Stunden brauchte der Upload.
»Am Montagmorgen wurde dann erst angezeigt, dass die Daten doch nicht aktualisiert werden konnten.« Bis alles klappte, war die Unsicherheit groß. Die Unzuverlässigkeit der Plattformen führe auch dazu, dass die Arbeitsbelastung doppelt hoch sei: »Wenn die Videokonferenz nicht klappt, brauchen die Schüler ja trotzdem etwas zu tun.« Die Lehrerin erzählt, sie müsse daher stets parallel vorbereiten: »Materialien für Videounterricht und Materialien für Unterricht ohne Video, falls das ausfällt.« (GEA)