REUTLINGEN. Vieles ist noch rätselhaft und darf erforscht werden in den beiden Kellern unter dem Eduard-Lucas-Haus. Insbesondere die Nutzung der Quelle im Tiefkeller ist ungeklärt. Gäste dürfen miträtseln, wenn die Keller zusammen mit dem Eduard-Lucas-Haus an der Reutlinger Pomologie am Tag des Offenen Denkmals am 8. September der Öffentlichkeit gezeigt werden.
Ulrich Schroefel, ehemaliger Geschäftsführer und jetzt ehrenamtlicher Mitarbeiter des Kreisverbands der Obst- und Gartenbauvereine (KOV), hat sich mit der Geschichte des Hauses beschäftigt. Die Verdienste von Eduard Lucas, Pionier der Obstbaumkunde und 1859 Gründer der privaten Lehranstalt für Gartenbau, Obstkultur und Pomologie (Obstbaukunde) in Reutlingen, seien unbestritten. »Er war durch die Ausbildung von rund 3.000 Baumwarten in Hohenheim und Reutlingen nicht nur maßgeblich an der Streuobstwiesenkultur beteiligt«, so Schroefel. Sein Werk »Anleitung zum Obstbau«, 1850 erschienen und heute in der 33. Auflage erhältlich, sei auch immer noch Grundlage der Gärtnerausbildung mit Fachrichtung Obstbau.
Lange Zeit vergessen
Als Lucas nach Reutlingen kam, erwarb er im Gewann »Öschhägle« die Grundstücke für seine Pomologie. An der Ecke der heutigen Friedrich-Ebert-Straße/Alteburgstraße baute er sein Wohnhaus. Es erhielt einen Keller, dessen verputztes Gewölbe sich auf Säulen mit Jahreszahlen abstützt, die wohl aus einem Abrisshaus stammten. Von dort aus gelangt man in einen weiteren Kellerraum, der heute unter der Hanganpflanzung liegt. Darüber befand sich früher eine Remise, berichtet Schroefel. Die beiden Räume, als »Lucaskeller« bezeichnet, seien lange Zeit vergessen gewesen. Sie gerieten erst wieder ins öffentliche Bewusstsein, als die Stadt 1997 das Buch »Reise nach Reutlingen 1862« mit historischen Aufnahmen von Knud Knudson herausgab. Der König von Norwegen hatte ihn nach Reutlingen geschickt, um dort etwas über Obst- und Gartenbau zu erfahren. Knudson hatte dabei unter anderem auch den Lucaskeller fotografiert. Mit Genehmigung der GWG als damaliger Hauseigentümerin wurde er 2008 ausgeräumt und soll am 14. September 2024 auf dem Eduard-Lucas-Fest mitsamt dem denkmalgeschützten Gebäude vom Kreisverbands der Obst- und Gartenbauvereine übernommen werden.
Unter dem Lucashaus existiert jedoch noch ein weitaus älterer Keller, der von der Straße her durch ein Holztor erreichbar ist. Vermutlich wurde dieser sogenannte Tiefkeller mit zwei Räumen als Lager, möglicherweise auch als Eiskeller von der Gartenwirtschaft der ehemaligen Brauerei Kalbfell genutzt, die sich darüber befand. Sie musste dem Lucashaus weichen. Eine Besonderheit ist die Quelle, die im Keller austritt und in ein 2,7 Meter tiefes Becken fließt. Dicke Packungen von Kalksinter zeigen, dass die Quelle, gespeist von Wasser aus der Pomologie, hier seit langem besteht. Ein rostiges Eisengestell über dem Becken deutet auf eine Nutzung. »Es gab eine heute vermauerte Öffnung nach oben zur Gastwirtschaft«, berichtet Schroefel. Möglicherweise habe man das Wasser, dessen Qualität noch geprüft werden soll, als Trinkwasser, zur Kühlung oder mindestens zum Gläserspülen genutzt. Eine Überlaufrinne leitete überschüssiges Wasser wohl in den Straßenkanal und ist heute mit Sinterblättern überkrustet. Der Klimawandel mache sich auch an der Quelle bemerkbar, die in den letzten zwei Jahren nur noch sporadisch floss.
Als Luftschutzkeller genutzt
Vor der Quelle steht noch ein bisher ungeöffneter Behälter aus Betonringen, der möglicherweise im Zweiten Weltkrieg als Notwasserbehälter diente. Denn die Gewölbe wurden als Luftschutzkeller von den Hausbewohnern, Anliegern sowie Schulklassen des Kepplergymnasiums genutzt. Hierfür wurde auch eine Backsteinwand gegen Granatsplitter eingezogen.
Als der KOV den Keller ausräumte, musste auch reichlich Humus herausgeschaufelt werden. Denn im Keller hatte Samen Stiegler eine Zeitlang seine Blumenzwiebeln gelagert. Viele Reutlinger dürften den Keller schon kennen. Er war bereits zweimal in der Kulturnacht geöffnet und beeindruckte durch seine Lichtinstallationen. (GEA)