REUTLINGEN. Wenn Schüler freiwillig früher in die Schule kommen und länger bleiben. Wenn sie eigene Ideen voranbringen, neue Fragen stellen, Verantwortung übernehmen und Eigeninitiative zeigen. Wenn Schüler begeistert über die eigene Arbeit sprechen. Dann findet man sich selten im gewöhnlichen Schulunterricht wieder, vielmehr muss da die Zeit in etwas investiert worden sein, was die Jugend von heute bewegt. So geschehen in der Reutlinger Laura-Schradin-Schule, die am Freitag zu ihrem Markt der Möglichkeiten einlud. Zwei Wochen lang hatten die Schüler an verschiedenen Projekten unter dem übergeordneten Thema der Nachhaltigkeit gearbeitet.
Was bedeutet aber eigentlich Nachhaltigkeit? Mit dem Begriff verbinden viele sofort Umwelt- und Klimaschutz. Doch er beinhaltet weit mehr als das. Ein Auszug aus der Definition des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung lautet folgendermaßen: Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden.
Seit der 1992 in Rio de Janeiro abgehaltenen UN Konferenz für Umwelt und Entwicklung ist Nachhaltigkeit als globales Leitprinzip akzeptiert. 2015 beschlossen dann die Vereinten Nationen in der Agenda 2030 17 »Sustainable Development Goals« (SDGs), mit der sich die Weltgemeinschaft Ziele für eine nachhaltige Entwicklung gesteckt hat.
Diese 17 Ziele waren die Grundlage für den Markt der Möglichkeiten. »Nachhaltigkeit ist schon länger Thema bei uns in der Schule, jetzt wollten wir es in einem Projekt umsetzen«, erzählt Dr. Jana Hof, die zusammen mit ihrer Kollegin Vera Kaphegyi für die Durchführung verantwortlich war. Ungefähr 120 Schüler und 43 Lehrer haben an den verschiedenen Stationen zwei Wochen lang gearbeitet.
Das Ergebnis war ein Sammelsurium von Ideen, Aspekten und Präsentationen. Eine in diesen zwei Wochen zusammengestellte Schülerband spielte »Globale Dorfmusik«. »Nachhaltiger Schmaus in der Region« stellte die kulinarische Nachhaltigkeit in den Vordergrund, bei »Afghanistan – a failed state?« lernten Schüler aus den Erfahrungen eines afghanischen Flüchtlings über seine Heimat. »Nachhaltige Computertechnik« legte die Dimensionen des Elektroschrotts dar, darüber hinaus gab es ein Podcastprojekt zum Thema Inklusion. Das drehte sich nicht nur um behinderte Menschen, sondern zum Beispiel auch um Verbrecher, die resozialisiert werden sollen. Die Ideen dazu lieferten die Schüler, die Umsetzung natürlich auch. In vielen anderen Arbeiten wurden weitere Bereiche der Nachhaltigkeit beleuchtet.
Hof betonte: »Nachhaltigkeit betrifft nicht nur das Klima. Sie beinhaltet auch Frieden, Leben, Produktion, Natur und vieles mehr. In diesen zwei Wochen haben wir deutlich gesehen, dass den Schülern das bewusst geworden ist.« Was sie und ihre Kollegen besonders gefreut hat: »Man hat in diesen zwei Wochen gemerkt, wie sehr die Schüler Lust auf dieses Projekt hatten und ohne Notendruck arbeiten konnten.« Weiter: »Auch die Lehrer entspannten sich. Das hat allen gutgetan.«
Schülerin Vanessa Casnico, die zusammen mit ihrer Freundin Denise Lobert das Thema Stress bearbeitete, schlug in die gleiche Kerbe: »Die zwei Wochen haben großen Spaß gemacht. Mit Nachhaltigkeit hatten wir uns schon vorher im Seminarkurs beschäftigt, aber hier jetzt auch zu sehen, was die anderen Gruppen erarbeitet haben, ist super.«
Man merkte allen Beteiligten an, dass der Markt der Möglichkeiten vor allem den Schülern die Chance bot, sich abseits des normalen Frontalunterrichts selbst auszudrücken, selbst einzubringen, »selbst ins Handeln zu kommen«, wie Hof es formulierte. Ein Konzept mit vielen Möglichkeiten. Das ist nachhaltiger Unterricht. (GEA)