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Pollen fliegen in der Region schon im Januar

Der Klimawandel ist schuld: Der Vorfrühling beginnt jetzt schon im Januar. Mediziner und Meteorologen bestätigen das und Heuschnupfen-Geplagte spüren es: Die ersten Pollen sind unterwegs und haben's in sich. Was das auch für Nicht-Allergiker bedeutet.

Die Blüten eines Haselnussstrauches sind mit Raureif bedeckt und heben sich im Gegenlicht der Sonne ab. Der Pollenflug der Pflan
Die Blüten eines Haselnussstrauches sind mit Raureif bedeckt und heben sich im Gegenlicht der Sonne ab. Der Pollenflug der Pflanzen hat bereits begonnen, auch wenn es in letzter Zeit kalt war. Foto: Pia Bayer/dpa/dpa
Die Blüten eines Haselnussstrauches sind mit Raureif bedeckt und heben sich im Gegenlicht der Sonne ab. Der Pollenflug der Pflanzen hat bereits begonnen, auch wenn es in letzter Zeit kalt war.
Foto: Pia Bayer/dpa/dpa

REUTLINGEN/METZINGEN/FREIBURG. Die ersten Menschen in Reutlingen und der Region spüren es schon, das typische Kribbeln in der Nase, die anschwellenden Schleimhäute oder die triefenden Augen. Sie ahnen: Pollen sind bereits unterwegs. Das Leiden der Pollenallergiker beginnt immer früher im Jahr: »Wenn wir die heutigen Daten, mit denen aus den 1950er-Jahren vergleichen, müssen wir feststellen, dass der Vorfrühling einen ganzen Monat früher einsetzt«, sagt Dr. Christina Engler. Sie arbeitet am Zentrum für Medizin-meteorologische Forschung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Freiburg und kennt sich mit dieser Folge des Klimawandels genau aus.

Eine sei eben: Die Blüten der Pflanzen schlagen immer früher aus und damit beginne der Pollenflug. Die ersten Frühblüher sind die Haselsträucher und die Purpurerle. »Die Purpurerle wurde in den vergangenen Jahrzehnten gerne in unseren Städten angepflanzt. Zusammen mit der Haselblüte verursachen sie die ersten Beschwerden bei den Allergikern«, erklärt die Medizinerin Christina Engler. Die beiden seien sogenannte Zeigepflanzen. Sie zeigten durch ihre Blüte an, wann der Winter endet und der Vorfrühling beginnt. Daraus haben Meteorologen den Phänologischen Kalender erstellt. Durch das komplette Jahr bestimmen die Pflanzenblüten und -früchte darin die Jahreszeiten. So läutet die Apfelblüte den Vollfrühling ein, die Lindenblüte den Hochsommer und die Eichelfrucht den Herbst.

»Wir kommen alle aus einer pollenfreien Zeit. Da fühlt sich die Rückkehr jetzt für Betroffene umso härter an«

»Durch den Klimawandel haben sich große Verschiebungen ergeben«, so Engler. So sei noch in den 1950er-Jahren der Winter viel länger gewesen und der Vorfrühling habe erst im März begonnen. Jetzt dauere der Winter nur noch etwa acht Wochen und der Vorfrühling beginne einen ganzen Monat früher. Noch etwas komme in diesen letzten Januartagen hinzu: »Wir kommen alle aus einer pollenfreien Zeit, eben dem Winter. Da fühlt sich die Rückkehr jetzt für Betroffene umso härter an«, so Engler.

Die Symptome der Pollenallergie beginnen immer früher im Jahr.
Die Symptome der Pollenallergie beginnen immer früher im Jahr. Foto: Robert Kneschke/dpa
Die Symptome der Pollenallergie beginnen immer früher im Jahr.
Foto: Robert Kneschke/dpa

Für Heuschnupfen-Geplagte bedeute diese Entwicklung: Pollen fliegen nicht nur früher, sondern auch länger. Doch damit nicht genug, weiß Engler: »Nach neuesten Forschungen sind die Pollen aggressiver geworden. Das heißt, vereinfacht gesagt, sie enthalten mehr Inhaltsstoffe, die eine Allergie auslösen können.« Das bedeutet auch, dass mehr Menschen eine Pollenallergie entwickeln könnten. Forscher gehen davon aus, dass bald die Hälfte der Bevölkerung auf Pollen, die länger fliegen und stärker sind, allergisch reagierten. Das könne alle Menschen treffen, auch solche, die noch nie im Leben allergisch auf Pollen reagiert haben. Das bestätigen auch Mediziner aus der Region. Der Metzinger Arzt Dr. Helmut Feth sagt: »Das kann auch Menschen jenseits der 60 Jahre erwischen.«

Es gebe Hinweise darauf, dass die Pflanzen aggressivere Pollen produzieren, weil sie damit auf den Klimastress reagieren, ist Engler überzeugt: »Es ist wärmer und trockener, viele Pflanzen haben gerade in den Städten immer häufiger den Hitzestress. Sie reagieren darauf mit diesen heftigeren Pollen, als Überlebensstrategie. Mehr Pollen und solche mit mehr Inhaltsstoffen sollen das Überleben der eigenen Pflanzenart sicherstellen.«

»Ich habe den Eindruck, dass sind die Pollen aggressiver geworden sind«

Feth weist in diesem Zusammenhang daraufhin, dass eine Pollenallergie auch die Gefahr birgt, später an Asthma zu erkranken. Er bestätigt: »Ich habe bei meiner Arbeit ebenfalls den Eindruck gewonnen, dass die Pollen aggressiver geworden sind. Es sind neue Allergiker hinzugekommen, auch solche, die ihr Leben lang nie Probleme hatten.« Der Reutlinger HNO-Arzt Dr. Phillipp Gonser ergänzt: »Nach der Corona-Zeit, nachdem alle die Masken abgelegt haben, sind viele offenbar sensibler für Infektionen und Allergien geworden.«

Eine Lösung, den zunehmenden Fällen von Allergien zu begegnen, sei die Desensibilisierung. Diese könne Betroffenen tatsächlich helfen. Sie müssten aber Geduld haben und bei der Therapie dranbleiben. Sie dauere lange und sei für die Patienten nicht immer einfach und auch mitunter unangenehm. Viele würden sie frühzeitig abbrechen oder unterbrechen. Wer allerdings durchhalte, habe gute Chancen, in einer der kommenden Pollensaisons beschwerdefrei zu werden. Davon sind auch die Mediziner Helmut Feth und Phillipp Gonser überzeugt: »Eine Desensibilisierung kann gut helfen und ist aus medizinischer Sicht zu empfehlen, gerade mit Blick auf die wachsende Asthma-Gefahr.« (GEA)