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Aktuell Theater Patati-Patata

Phänomen Streuobstwiese

»Perspektivwechsel« heißt das neue Stück des Theaters Patati-Patata. Es widmet sich dem Alltag in Italien, Syrien und in Deutschland.

Lebendiges Spiel, originelle Einfälle: »Perspektivwechsel« von Patati-Patata. FOTO: BÖHM
Lebendiges Spiel, originelle Einfälle: »Perspektivwechsel« von Patati-Patata. FOTO: BÖHM
Lebendiges Spiel, originelle Einfälle: »Perspektivwechsel« von Patati-Patata. FOTO: BÖHM

REUTLINGEN. Wie verläuft der Alltag in Syrien, der Türkei, Italien oder Deutschland? Und wie wirkt das auf andere? In seinem neuen Theaterstück, das am Montag im franz.K Premiere feierte, greift das Theater Patati-Patata Reutlingen diese Fragen auf. Unter der Regie von Sonka Müller entstand aus eigenen Erlebnissen das Stück »Perspektivwechsel«.

Das lebendige Spiel und die vielen originellen Einfälle der Schauspielerinnen und Schauspieler im Alter zwischen 14 und 60 Jahren zogen die Zuschauer von Anfang an in ihren Bann. Dabei nutzten die Akteure auch die Gänge und den Raum vor der Bühne. Beispielsweise wurde er zum Meer und die Bühne selbst zum Schiff, von dem aus Flüchtlinge aus einer winzigen Nussschale gerettet wurden.

Dies passte zum Anliegen der »Seebrücke Reutlingen«, die vor dem Theaterstück auf der Bühne ihre Arbeit präsentierte und dem Theater für sein Engagement dankte.

Thema Wohnungsmangel

Neben diesen ernsten Themen kam auch der Humor nicht zu kurz. So lautete eine der ersten Fragen eines fiktiven Reporters an Flüchtlinge und Migranten aus Panama, Aleppo oder Italien, was ihnen am besten an Deutschland gefalle. Die Natur, die Sauberkeit – und das Pfandflaschensystem. »Bei uns gibt es das nicht. Und deshalb liegen überall Plastikflaschen herum«, hieß es. Auch das Bier wurde genannt. Damit konnte sich Moslem Muhannad allerdings nicht anfreunden, sondern lobte stattdessen den Apfelsaft. Prompt bekam er das Phänomen der schwäbischen Streuobstwiese erklärt.

In mehreren Szenen wurde die Suche nach einer Wohnung in Deutschland thematisiert. »Ich bekomme nicht mal einen Termin zur Besichtigung«, meinte ein Mitspieler aus Syrien. Sobald der Vermieter seinen Akzent höre, lege er auf.

Lange Warteschlangen bildeten sich vor der GWG und dann heiße es »mehrseitige Anträge ausfüllen«. Ist es endlich geschafft und die Wohnung kann bezogen werden, sei sie oft einfach zu klein. Dargestellt wird das im Stück durch eng aufgestapelte Hocker. »Der Wohnungsmangel ist eine Problematik für die ganze Gesellschaft«, wurde konstatiert. Die Bau- und Immobilienbranche brauche eine fördernde Politik, um für mehr sozialen Wohnraum zu sorgen.

Doch zu Hause in Syrien gebe es noch ganz andere Probleme, sagte Muhannad. Gas, Wasser und Strom seien nur sporadisch erhältlich, es sei denn, man habe die richtigen Verbindungen. Not macht erfinderisch, und so wurde auf der Bühne ein Fahrrad zur Stromerzeugung umgebaut. Seile gingen von dort als imaginäre Stromkabel in den Zuschauerraum.

Indem das Publikum die Schnüre zwischen sich ausspannte, entstand fast dasselbe Bild, das als Beamerprojektion vom Kabelgewirr in Aleppo an die Wand geworfen wurde. »In Arabien gibt es nur einen Artikel«, freute man sich. Und schob gleich eine Deutschstunde hinterher, in der Flüchtlinge und Migranten nicht nur drei Artikel, sondern auch vier Fälle verinnerlichen sollten.

Am Schluss stand die Diskussion, was Freiheit ist. Verschiedene Antworten führten zu einer einzigen Aussage: »Das Wichtigste.« Das mit donnerndem Beifall bedachte Stück ist auch am kommenden Montag, 15. Juli, um 19.30 Uhr zu sehen. (gb)