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Partydroge Lachgas auf dem Vormarsch: Polizei und Reutlinger Mediziner warnen

Lachgas scheint als Partydroge bei Jugendlichen und Schülern auf dem Vormarsch zu sein. Zumal das Gas ganz einfach und legal in der Drogerie oder am Kiosk zu haben ist. Warnungen werden lauter, nachdem es erste Fälle in der Region Neckar-Alb gegeben hat. Was die Polizei, Fachleute und ein Kinder- und Jugendarzt in Reutlingen sagen.

Weggeworfene Lachgas-Kartuschen und Luftballons liegen in einem Park.
Weggeworfene Lachgas-Kartuschen und Luftballons liegen in einem Park. Foto: Teresa Dapp/dpa
Weggeworfene Lachgas-Kartuschen und Luftballons liegen in einem Park.
Foto: Teresa Dapp/dpa

REUTLINGEN. Lachgas als Droge auf Partys oder etwa Festivals zu konsumieren, ist in den europäischen Metropolen wie London, Paris oder Amsterdam schon weit verbreitet. In Hamburg oder Berlin ist Lachgas offenbar besonders bei Schülern beliebt. In der Region Neckar-Alb sind erste Fälle vom Polizeipräsidium Reutlingen registriert worden: »In unserem gesamten Zuständigkeitsbereich sind wenige Einzelfälle aktenkundig«, bestätigte Polizeisprecher Martin Raff eine entsprechende GEA-Anfrage.

Das geschmacklose und leicht süßlich riechende Lachgas wird zur Droge, wenn es überdosiert eingeatmet wird. Die Polizei warnt bundesweit nicht nur im Internet vor einem Missbrauch des Treibhausgases mit dem chemischen Kürzel N²O. Es sei eben nur vermeintlich harmlos und könne zu schlimmen Folgen führen: »Benommenheit, Halluzinationen, Schwindel, Kopfschmerz.« Sogar vor Lebensgefahr warnt die Polizei auf einer eigenen Internetseite.

Warnung vor vielfältigen Gesundheitsschäden

Der erhoffte Effekt der Konsumenten ist in der Regel: starke Euphorie, auch Benommenheit und Halluzinationen. Inhaliert wird Lachgas, indem es zuerst in Luftballons gefüllt, und dann eingeatmet wird. Nicht zu verwechseln mit Luftballons, die mit Helium gefüllt werden (siehe Infobox). Unmittelbar nach dem Inhalieren setzt der Rausch ein und hält ein paar Sekunden bis zu drei Minuten. Der regelmäßige Konsum, warnt die Polizei, könne zu schweren Gesundheitsschäden führen. In Kombination mit anderen Drogen wie Cannabis können laut Infoblatt der Polizei Blutdruckabfall, Bewusstlosigkeit und sogar Tod die Folgen sein.

Die Drogeninformationsseite drugcom.de warnt: »Häufige Nebeneffekte sind leichte Kopfschmerzen und Schwindel. Typischerweise sind Konsumierende kurzzeitig desorientiert und haben Koordinationsstörungen, wodurch das Risiko für Stürze steigt. Manchen wird schlecht oder sie müssen sich übergeben. Wird die Person bewusstlos, besteht das Risiko, am Erbrochenen zu ersticken.«

Manche Gesundheitsschäden nicht mehr rückgängig zu machen

Der Sprecher der Reutlinger Kinder- und Jugendärzte, Dr. Till Reckert, hat zwar noch keine Patienten mit Folgen von Lachgasmissbrauch behandeln müssen, kennt aber den gefährlichen Trend bereits. Er sagt: »Alles, was man macht, um sich gezielt zu berauschen, ist medizinisch gesehen nicht gut für den Körper.« Er beklagt zudem, dass sich solche Trends über die bekannten Social-Media-Kanäle immer schneller verbreiten würden: »Sie sind wie Zunder für kurzen Spaß mit langen Problemen.« Zu den gesundheitlichen Problemen gehörten unter anderem Nervenschäden im Rückenmark, Taubheitsgefühle in den Händen und Bewegungsstörungen mit Gehproblemen. Bei Jugendlichen käme hinzu, dass Lachgas geistige Fähigkeiten beeinträchtige, das Kurzzeitgedächtnis störe und Lern- und Denkschwierigkeiten verursache. Es komme zu einer Störung des Vitamin-B12-Stoffwechsels, was zu Blutarmut, Haarausfall, Gedächtnisschwäche oder depressiver Verstimmung führen könne. In einem Notfall müsse Patienten das Vitamin B12 zugeführt werden, und: »Wenn es zu Notfallsituationen kommt, braucht man einen Notarzt mit Sauerstoff an Bord.« Der Kinder- und Jugendarzt warnt außerdem davor, dass es zu Gesundheitsschäden kommen kann, die nicht mehr rückgängig zu machen sind: »Dann kann man diese nicht mehr behandeln beziehungsweise heilen.«

Eigentlich als »Sahnekapseln« im Handel

Das Problem: In Deutschland ist Lachgas frei verkäuflich, weil es normalerweise zum Auffüllen von Kartuschen zur Herstellung von Sprühsahne verwendet wird. Deshalb sind die Nachfüllpatronen für diese Sahneaufschäumer in Drogerien oder Supermärkten und im Internet auch als »Sahnekapseln« erhältlich. In anderen Ländern wie den Niederlanden und Großbritannien ist Lachgas hingegen bereits als Droge eingestuft. Frankreich hat den Verkauf an Minderjährige verboten.

Die Polizei wendet sich im Internet übrigens auch direkt an Eltern und Lehrer und empfiehlt: »Sprechen Sie offen mit Ihren Kindern und klären Sie sie über die Gefahren von Drogenkonsum mit potenziell langfristigen Auswirkungen auf.« Können all diese Warnungen den gefährlichen Trend in Reutlingen und der Region noch aufhalten? Das wird sich zeigen. (GEA)

Partyspaß mit Luftballons: Das unterscheidet Helium von Lachgas

Partyspaß mit Gas und Luftballons: Das gibt's in zwei Versionen. Eine ist der Spaß mit den lustigen Piepsstimmen, die alle bekommen, die Helium einatmen. Nur ganz kurz, das reicht schon und alle, die gleich darauf beginnen zu sprechen, klingen wie Micky Maus oder die Schlümpfe. Das Helium, das so wundersam, aber nur kurz stimmverändernd wirkt, lässt zudem die Luftballons in den Himmel steigen. Der Grund: Das flüchtige Gas leichter ist als Luft. Die Lachgas-Version hat nur die Luftballons und das Einatmen gemeinsam. Beim Einatmen verändert sich die Stimme nicht und auch Luftballons fliegen nicht in die Höhe. Lachgas gehört außerdem zu den gefährlichen Klimagasen. Sein Erwärmungspotential ist nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen 273-mal höher, als das von CO₂.