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Open-Air-Kino Reutlingen: »Dream-Team« meistert Übergang

Zwei alte Bekannte beim Reutlinger Open-Air-Kino: Gerhard Steinhilber und Klaus Kupke unterstützen den neuen Kamino-Chef Hasan Ugur. Positive Zwischenbilanz.

Überbrückungshilfe auf Reutlinger Art: Beim Open-Air-Kino im Spitalhof bilden (von links) die Urgesteine Gerhard Steinhilber und
Überbrückungshilfe auf Reutlinger Art: Beim Open-Air-Kino im Spitalhof bilden (von links) die Urgesteine Gerhard Steinhilber und Klaus Kupke mit Neuzugang Hasan Ugur dieses Jahr ein gutgelauntes Dreigespann. Foto: Steffen Schanz
Überbrückungshilfe auf Reutlinger Art: Beim Open-Air-Kino im Spitalhof bilden (von links) die Urgesteine Gerhard Steinhilber und Klaus Kupke mit Neuzugang Hasan Ugur dieses Jahr ein gutgelauntes Dreigespann.
Foto: Steffen Schanz

REUTLINGEN. Das mit dem Ruhestand kann eine flüchtige Sache sein: Gerhard Steinhilber (69) und Klaus Kupke (67) wurden gefühlt eben erst nach Jahrzehnten des ehrenamtlichen Engagements fürs Reutlinger Open-Air-Kino verabschiedet – der langjährige Bundeshalle- und Kali-Betreiber im Jahr 2020 und der Sommerkino-im-Spitalhof-Erfinder und einstige Sachgebietsleiter für Kinder- und Jugendkultur beim Amt für Schule, Jugend und Sport der Stadt 2022. Diesen Sommer sind sie wieder da. Schon lange vor dem Start der 25. Open-Air-Kino-Saison am 8. August stemmte der einstige in Abstimmung mit dem aktuellen Kamino-Vorstand die Programmauswahl. Kurz zuvor montierten sie mit weiteren Ehrenamtlichen die neue Leinwand. Und seither stellen sie wieder jeden Abend sicher, dass alles läuft.

Dazu gehört es etwa, den angemeldeten und genehmigten Bestuhlungsplan einzuhalten, und das Be- und Abstuhlen – mit den anderen Helfern – auf der tagsüber für Feuerwehr, Handwerker und Lieferanten freizuräumenden Durchfahrt. Pünktlich um 21 Uhr begrüßt Kupke dann die Besucher in »dem schönen Wohnzimmer der Stadt«, und Steinhilber führt fachkundig in den jeweiligen Film ein. Vorausgesetzt, der Schlüssel zum Aufbewahrungsraum lässt sich auftreiben, klettern die rüstigen, gutgelaunten Rentner dazwischen auch mal auf eine schwindelerregende Ausziehleiter, um die Reepschnüre fürs Zuziehen des Vorhangs am abgesperrten Metzgerstraßen-Zugang umzufädeln. »Wie früher«, sagen sie und lachen. Nur eins ist diesmal anders: Fast immer ist während der 22-tägigen Spielzeit Hasan Ugur an ihrer Seite, der neue Geschäftsführer des Kamino.

»«War klar, dass wir nochmal einspringen»«

Ihm zuliebe haben sich die beiden gern reaktivieren lassen. Kupke und Steinhilber sehen sich nicht als Urgesteine, die nicht loslassen können. Das ist ihnen wichtig, zu betonen. Aber der langjährige Kamino-Geschäftsführer Andreas Vogt, der in den vergangenen Jahren auch das Open-Air-Kino übernommen hatte, war relativ kurzfristig ausgeschieden. Sein Nachfolger Ugur hatte damit erst am 1. April die neue Stelle im Genossenschaftskino angetreten, welches das Open-Air seit 2021 zusammen mit der Stadt Reutlingen veranstaltet. Da war für die beiden klar: Um ihm die Einarbeitung zu ermöglichen, braucht es Überbrückungshilfe. »Da war klar, dass wir nochmal einspringen«, sagt Kupke, der seinen langjährigen Kompagnon mit zurück ins Boot holte. Der 51-jährige Ugur sollte sehen: »Wie machen die das? Was muss man beachten?«, erklärt Kupke, der nach wie vor Teil des dreiköpfigen Kamino-Vorstands ist. Bei aller Film- und Festivalerfahrung des neuen Geschäftsführers: Das kann keiner aus dem Nichts.

Hasan Ugur geht nun seit 8. August tagsüber in seinem Büro der weiterlaufenden Kamino-Arbeit nach und abends zwischen 18 Uhr und Mitternacht oder 1 Uhr früh ist er – je nach Filmlänge – im Spitalhof anzutreffen. »Die Tage sollten mehr Stunden haben«, sagt er. Aber wie seine Mentoren Steinhilber und Kupke finde er das Gelände direkt am Marktplatz als Freiluftkino-Gelände ideal. Der bisherige Programmmanager der Französischen Filmtage Tübingen/Stuttgart (FFT) schwärmt von den guten Bedingungen im Spitalhof. Er mag die Stammgäste, die sich gern schon gut eine Stunde vor Programmstart unter den Robinien und dem großblättrigen Blauglockenbaum einfinden, um Getränke von Egbert Schönefeld und seinem Kamino-Theken-Team und Flammkuchen von Uli Thiele – dem einzigen Externen – zu genießen. »Die Leute sprechen miteinander«, freut sich der ruhige, freundliche Neuzugang mit französischen Wurzeln. Das sei heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr. Insbesondere seit Corona.

»Wie drei Wochen Heiligmorgen«

Wenn sich nach vollendeten Vorarbeiten und bevor er sich an die Kasse setzt, dann auch noch Gerd Gawlowski am Stehtisch dazugesellt, dann ist für Hasan Ugur das »Dream-Team« komplett. Der 70-jährige Filmvorführer ist neben Schönefeld, den Helfern an Theke und Kasse und dem diesjährigen Führungstrio unverzichtbar.

Für Gerhard Steinhilber sind die lauen Sommerkinoabende unter Bäumen immer »wie drei Wochen Heiligmorgen«, sagt er. Im stimmungsvollen Spitalhof treffe man stets viele Menschen, die sonst das ganze Jahr hindurch nicht zusammenkommen. Vorläufig war für den 69-Jährigen damit nach zehn Tagen Schluss, denn am Donnerstag schon musste das »Dream-Team« ohne den Filmspezialisten auskommen. Er hat sich mit Corona angesteckt. Als ihn Ute Geiser am Mittwochabend gefragt hatte, »Wie oft macht Ihr das noch?«, versicherte Steinhilber: »Nur dieses eine Mal.« Worauf die Vertreterin der Kreissparkasse Reutlingen als Hauptsponsor neben dem GEA humorvoll nachhakte, »und wie oft sagt Ihr das noch?« Da lachen alle drei vom Sommerkino-Führungstrio. Beim Jubiläum zum 25-Jährigen im nächsten Jahr soll Hasan Ugur das Open-Air alleine leiten. Nun ja, in alleiniger Verantwortung, denn alleine sind die Kamino-Macher dank ihrer Genossenschaftsstruktur ja nie. (GEA)

Fast Halbzeit: Gute erste Bilanz

Dieses Wochenende hat das Reutlinger Open-Air-Kino fast schon seine Halbzeit erreicht: Zehn Filme waren bereits im Spitalhof zu sehen, zwölf folgen von Dienstag bis zum 1. September noch. Dank des schönen Wetters mit milden, trockenen Abenden fällt die Bilanz bislang positiv aus. Einen mit 500 Besuchern komplett ausverkauften Platz wie beim Auftakt am 8. August mit dem bezaubernden GEA-Wunschfilm »Es sind die kleinen Dinge« gab es seitdem zwar nicht mehr, aber an keinem Abend sank die Besucherzahl unter 230, erklärt Hasan Ugur. Die meisten Abende bislang lockten zwischen knapp 300 und knapp 400 Filmfans an.
Einen Höhepunkt erlebten die Open-Air-Kino-Fans am Donnerstag mit dem Alpenfilm-Festival, das auf seiner Tour in Kooperation mit der lokalen Alpenvereinssektion zum zweiten Mal in Reutlingen, aber erstmals im Freien Station machte. Auch die Gründerin und Chefin des Independent-Festivals, Sandra Freudenberg aus Bad Tölz, die zur Vorstellung von »viereinhalb« ganz unterschiedlichen Filmen, die »das Kulturgut Alpinismus transportieren«, angereist war, nannte die Kulisse »traumhaft«, bevor sie Gerd Gawlowski im Projektionsraum zurief: »Zeig', was du kannst, Film ab!« (dia)