REUTLINGEN-OFERDINGEN. Überspülte Straßen, vollgelaufene Keller, beschädigte Autos, Schlamm und Unrat aus den Schächten: Hochwasser ist oft lebensgefährlich und schnell summieren sich die Schäden im mehrstelligen Bereich. Was eigentlich als Jahrhundert-Ereignis bezeichnet wird, tritt immer häufiger ein.
Auch die Region wird immer wieder von Starkwetter-Ereignissen gebeutelt - man erinnere sich nur an den Hagel-Sturm 2013, der für Verwüstung und Milliardenschäden sorgte. Oder an den Hochsommer 2023. Damals verwandelte eine Gewitterzelle die Reutlinger Innenstadt mitten im August in eine Eislandschaft, 2024 traten etliche Flüsse im Landkreis nach anhaltendem Dauerregen über die Ufer und ließen Berghänge ins Rutschen kommen. Die Stadt Reutlingen hat deshalb ein Starkregen-Risikomanagement erarbeitet, dessen Ziele und Grundsätze derzeit in den einzelnen Bezirksgemeinden vorgestellt werden.
Weiter als in anderen Bezirksgemeinden
In Oferdingen ist man in Sachen Hochwasserschutz schon relativ weit gediehen, auch im Vergleich zu anderen Bezirksgemeinden, berichtet Torsten Müller, Abteilungsleiter Gewässer und Regenwassermanagement bei der Stadtentwässerung Reutlingen (SER). Dies liegt zum einen daran, dass in der Pliezhäuser Straße momentan einen neues RÜB gebaut wird und man dabei auch gleich einen neuen Kanal bis in den Besterwasen verlegt. Dadurch entsteht ein Synergieeffekt, sagt Müller. Auch die topografischen Gegebenheiten sind von Vorteil. In der Straße gibt es ein starkes Gefälle, erklärt Müller, große Wassermengen können, wenn die Kanäle vergrößert worden sind, schnell abgeführt und in den Neckar geleitet werden.
Auch die Grundstücksverhandlungen für einen Graben gegen Überflutungen sind relativ erfolgreich verlaufen. Die Stadt ist in der Zwischenzeit im Besitz von sieben zusammenhängende Flächen, ein Teil hat ihr bereits gehört, für weitere konnte man die Eigentümer überzeugen, sie zu verkaufen. Das ist durchaus nicht immer der Fall: Gerade bei Grundstücken in Ortsrandlage wollen die Besitzer ihr Land oft nicht verkaufen, weil sie darauf hoffen, dass es irgendwann einmal Bau-Erwartungsland wird, auf dem ihre Nachkommen dann bauen oder das sie als Bauplatz veräußern können. Kompliziert gestalten sich die Verhandlungen außerdem oft, wenn es sich um Erbengemeinschaften handelt, die sich nicht einig werden, oder auch, wenn keine eigene Betroffenheit besteht. Logischerweise verkauft jemand, der selbst in einem Gefährdungsgebiet wohnt, eher mal einen Acker oder eine Wiese als jemand, der anderswo wohnt.
Keine Hochwasser-Demenz
Auch der zeitliche Abstand zu Unwetterkatastrophen spielt eine Rolle. Der Fachmann von der SER erklärt, dass man möglichst schnell nach einer Überflutung aktiv werden sollte, bevor die Betroffenheit nachlässt. »Sonst tritt die sogenannte Hochwasser-Demenz ein«, verdeutlicht Müller. Oferdingen ist in den vergangenen 22 Jahren dreimal »abgesoffen« - 2002, 2005 und 2021. Das ist noch in Erinnerung und hat eventuell eine Rolle bei den Verhandlungen gespielt.
Mit den erworbenen Flächen könne wahrscheinlich das »größte Unheil abgewendet werden« erklärt Müller, auch wenn der Graben nicht ganz bis auf Altenburger Gemarkung reicht, was noch besser gewesen wäre. »Wir sind zuversichtlich, dass wir damit eine gute Lösung schaffen können«. Zudem geht die Umsetzung relativ schnell, 2026 soll der neue Kanal fertig sein, und die Kosten sind überschaubar, da die Ortsmitte ohnehin zur Großbaustelle wird und die SER den Hochwasserschutz daran ankoppeln kann. (GEA)