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Aktuell »Der III. Weg«

Neonazis: Flyer-Aktion gegen Moschee in Reutlingen

Das Verlesen einer umstrittenen Koransure in der Al-Ikhlas-Moschee ruft in Reutlingen Neonazis auf den Plan: Aktivisten der Kleinpartei »Der III. Weg« haben Flyer bei Oststadt-Anwohnern rund um das Gebäude verteilt. Die Polizei prüft, ob ihr Inhalt strafrechtlich relevant sein könnte.

Dieses Flugblatt haben Reutlinger Oststadtbewohner unlängst in ihren Briefkästen vorgefunden.
Dieses Flugblatt haben Reutlinger Oststadtbewohner unlängst in ihren Briefkästen vorgefunden. Foto: Andrea Glitz
Dieses Flugblatt haben Reutlinger Oststadtbewohner unlängst in ihren Briefkästen vorgefunden.
Foto: Andrea Glitz

REUTLINGEN. Kurz vor Silvester hatten Bewohner der Reutlinger Oststadt im Bereich der Leonhardstraße Post der neonazistischen Kleinstpartei »Der III. Weg« im Briefkasten. Auf einem Flugblatt warnen die Verfasser, die für »das wahre Deutschland« kämpfen, vor der »Islamisierung unserer Heimat«. Sie prangern »Araber-Clans, Muezzinrufe in unseren Straßen und Anschläge auf Andersgläubige unter Allah-Akbar-Rufen« an und fordern ein »Nein zur Moschee in meiner Stadt«.

In der Leonhardstraße steht auch die Al-Ikhlas-Moschee, die kurz vor Weihnachten in den medialen Fokus geraten war, weil ein Imam dort während der Koranrezitation im Ramadan den sogenannten Schwertvers vorgetragen hatte. Dessen isolierte Zitierung »Tötet die Ungläubigen« sorgt immer wieder für Irritation und Angst. Moscheevertreter hatten dies als üblichen Vorgang im Rahmen der Gesamtverlesung bezeichnet, was Islamexperten dem GEA gegenüber bestätigten. Auch die Polizei bezeichnete das Rezitieren von Koranversen nicht als »strafrechtlich relevantes Verhalten«.

Hassprediger ausweisen

Diese Information hielt die Rechtsextremisten nicht von der Steckaktion ab. Näher äußern will man sich dem GEA gegenüber dazu nicht: »Wir sprechen nicht mit der Presse«, heißt es am anderen Ende der Leitung beim Anruf der auf dem Flyer angegebenen Rufnummer. Auskunft gibt es nur kurz und knapp zur Frage, wer denn »die wahren Deutschen« sind, für die »Der III.Weg« kämpft: Deutsch sei, »wer deutsche Eltern und Großeltern hat«.

»Familie-Heimat-Tradition«: Aufkleber des III. Wegs in Pliezhausen .
»Familie-Heimat-Tradition«: Aufkleber des III. Wegs in Pliezhausen . Foto: Malte Klein
»Familie-Heimat-Tradition«: Aufkleber des III. Wegs in Pliezhausen .
Foto: Malte Klein

Beim Reutlinger Polizeipräsidium haben zu Beginn des Jahres einige Anwohner solche Flyer abgegeben, heißt es auf Nachfrage bei der Pressestelle. Derzeit werde noch geprüft, ob ihr Inhalt strafrechtlich relevant sein könnte. Anhänger und Sympathisanten der – nicht verbotenen – Partei seien im Zuständigkeitsbereich des Reutlinger Polizeipräsidiums in letzter Zeit überwiegend mit Flyer- und Kleberverteilaktionen aktiv gewesen. Dabei hätten sich aber keine strafrechtlich relevanten Handlungen ergeben. Ein Kontext der aktuellen Flugblätter zu den Geschehnissen in der Al-Ikhlas-Moschee sei zunächst nicht erkennbar, könne aber letztlich »nicht gänzlich ausgeschlossen werden«.

Die Recherche auf der Website der Partei »Der III. Weg« bestätigt allerdings schnell das Naheliegende. Dort heißt es: »Nachdem es in der in Reutlingen verorteten Al-Ikhlas-Moschee zum Aufruf zur Tötung von vermeintlichen ›Ungläubigen‹ gekommen war, verteilten Aktivisten des Stützpunktes Württemberg Hunderte Flugblätter in den Anwohnerbriefkästen rund um das Gebäude in der Sankt-Leonhard-Straße«.

Partei will »drohenden Volkstod« abwenden

Im Internet wird auch präzisiert, wie aus Sicht der Partei mit »Hasspredigern, Islamisten und radikalisierten Mohammedanern fremdländischer Herkunft, die gegen Nicht-Mohammedaner hetzen«, umzugehen ist: »ausweisen in die Herkunftsländer«. Moscheen, in denen zum Hass aufgestachelt werde, seien zu schließen, islamistische Vereinigungen konsequent zu verbieten.

Forderungen, die durchaus breite Zustimmungen finden dürften, werden, wie auf der Internetseite der Partei nachlesbar ist, mit Agitation gegen Ausländer und Asylbewerber generell gemixt. Umwelt- oder Tierschutz, Wohnen, Arbeit: auch mit »unverdächtigen« Themen macht die Partei Politik, übt teils nachvollziehbare Kritik insbesondere im Sozialbereich – wobei die Segnungen des Sozialstaats wohlgemerkt nur Deutschen zugutekommen sollen.

In Zielsetzungen, Habitus und Wortwahl sind dabei die Anleihen an den historischen Nationalsozialismus unübersehbar: Wenn etwa das traditionelle Familienbild gepriesen wird, das »konsequente Förderung kinderreicher Familien zur Abwendung des drohenden Volkstods« erfordere. Einher gehen solche Forderungen mit Homophobie und Stimmungsmache gegen andersartige sexuelle Ausrichtungen und Lebensweisen.

Der Landesverfassungsschutz beobachte die »neonazistische Kleinpartei« im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags, heißt es in Stuttgart auf Nachfrage, wie denn die Bedeutung des Dritten Wegs einzuschätzen ist. Die Partei verfüge bundesweit über vergleichsweise wenige Mitglieder und keine flächendeckenden Strukturen. In Baden-Württemberg bestehe seit März 2022 ein »Stützpunkt Württemberg« und seit November 2024 ein »Stützpunkt Bodensee/Nordbaden«. Im Juni 2024 sei zudem ein Stützpunkt der Jugendorganisation »Nationalrevolutionäre Jugend« (NRJ) für Baden-Württemberg geschaffen worden. Wo genau diese sich befinden, verrät der Landesverfassungsschutz der Presse nicht.

Wenig Mitglieder, hohe Aktivität

Die Verfassungshüter rechnen der Partei rund 50 Personen im Land zu – »mit steigender Tendenz«, wie es heißt. Der Mitgliederzuwachs resultiert ihrer Einschätzung nach »aus der hohen Aktivität« der Partei. Neben Flyeraktionen zählen dazu Infostände, Kundgebungen, sogenannte Aktionstage und Gedenkfeiern. »Der III. Weg« sei landesweit in verschiedenen Städten und Gemeinden aktiv, auch in Reutlingen und Umgebung: Ein räumlicher Schwerpunkt der Aktionen lasse sich aber nicht feststellen.

Unlängst habe die Partei die landesweite Kampagne »Unsere Heimat ist nicht ihr Wirtschaftsstandort« initiiert, in der die rechtsextremistische Ideologie des Dritten Wegs klar zutage trete, die neben »ideologischem Fanatismus« auch eine »unverhohlene Feindseligkeit gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung« zum Ausdruck bringe. Kernaussage der Kampagne: Die wirtschaftliche Elite sehe Deutschland nur als Wirtschaftsstandort, nicht als »Heimat für das Volk«. Diese Sichtweise trage – neben der LGBTQ-Community sowie der Zuwanderung nach Deutschland – zur »Zerstörung des deutschen Volkes« bei.

Gewalttaten von Mitgliedern der Partei in Baden-Württemberg seien dem Landesverfassungsschutz nicht bekannt. Zuletzt habe »Der III. Weg« weder an den baden-württembergischen Kommunalwahlen noch an der Europawahl 2024 teilgenommen. Bei der Landtagswahl in Brandenburg habe er nur wenige Stimmen auf sich vereinigen können. Dies unterstreiche »die derzeitige politische Bedeutungslosigkeit« des Dritten Wegs. Soweit das Fazit aus Stuttgart.

Bei Corona- und Bauernprotesten dabei

Auffallend in Reutlingen: Die Kleinstpartei tritt (auch) hier immer wieder in Erscheinung, wenn es Aufruhr gibt. So waren Anhänger bei den Corona-Demonstrationen und den Bauernprotesten in Reutlingen dabei, teils erkennbar an Shirts mit der Aufschrift »National. Revolutionär. Sozialistisch«. Diese »Parteikleidung« soll der »Nationalrevolutionär« laut Internetseite tragen, wenn er »im Einsatz« ist. Beim Christopher-Street-Day in Reutlingen im Juni vergangenen Jahres beklagten Veranstalter »Anfeindungen«, die sie Parteianhängern der neonazistischen Partei zuordneten – solche Störaktionen des Dritten Wegs sind mittlerweile bundesweit zu beobachten.

Im Süden der Republik bleiben die Anhänger eher unauffällig. Bisweilen zeigt man soziales Engagement, wie im Dezember in Orschel-Hagen auf dem Dresdner Platz. An einem Infostand des Dritten Wegs bewarben Aktivisten nach eigenen Angaben auch die »Deutsche Winterhilfe«: ein Angebot zur kostenlosen Ausgabe von Winterkleidung und Spielsachen an »bedürftige Landsleute«.

Im Osten hingegen gab es schon markante Demonstrationen mit fahnenschwenkenden Parteigängern in Reih’ und Glied, etwa in Chemnitz und Plauen. Doch verzichtet die Partei auch dort, scheint es, seit einiger Zeit auf größere Aufmärsche.

Demonstration des Dritten Wegs  2018 im sächsischen Chemnitz.
Demonstration des Dritten Wegs 2018 im sächsischen Chemnitz. Foto: Jan Woitas
Demonstration des Dritten Wegs 2018 im sächsischen Chemnitz.
Foto: Jan Woitas

In Berlin fallen derweil aktuell laut einem Zeitungsbericht der »WELT« Aktivisten des Dritten Wegs auf, die in Parks und Sportanlagen Kampfsporttraining absolvieren. Bemerkenswert sei dies unter anderem, weil auch Mitglieder der Jugendorganisation (NRJ) zunehmend mit Gewalttaten in Erscheinung träten.

»Der III. Weg« habe sich in den vergangenen drei Jahren »zur aktivsten Bestrebung im Spektrum des traditionellen Rechtsextremismus in Berlin entwickelt«, sagte Innenstaatssekretär Christian Hochgrebe nach Angaben der WELT Anfang 2024 im Berliner Verfassungsschutzausschuss. Dort habe Berlins oberster Verfassungsschützer Michael Fischer gewarnt, dass viele frühere NPD-Mitglieder beim Dritten Weg aktiv seien – was auch an »der Radikalität dieser Gruppierung« liege, der man mit besonderer Besorgnis entgegentrete. (GEA)