REUTLINGEN/TÜBINGEN. »Mit dem Mobilitätspass und der Mobilitätsgarantie leisten wir in Baden-Württemberg Pionierarbeit und einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung des öffentlichen Verkehrs«, sagte Landesverkehrsminister Winfried Hermann gestern anlässlich des Kickoff-Termins zu Mobilitätspass und Mobilitätsgarantie in Baden-Württemberg. Mit der digitalen Auftaktveranstaltung haben Verkehrsministerium und Modellkommunen offiziell die gemeinsame Arbeit an den Projekten aufgenommen. Auch die Städte Reutlingen und Tübingen sind dabei.
Die Stadt Reutlingen erhofft sich laut Baubürgermeisterin Angela Weiskopf durch die Teilnahme als Modellkommune »konkrete Erkenntnisse für zukunftsweisende Wege im Sinne der Mobilitätswende«. Die gesetzlichen Grundlagen sollen bis im kommenden Jahr geschaffen werden. Dann würden mögliche konkrete Maßnahmen in die Gremien vor Ort eingebracht. Bei den Pilotuntersuchungen wird ein Knackpunkt die Finanzierung der geplanten massiven Angebotsausweitung bei Bus und Bahn sein. Sie könne nur als »gemeinsame Kraftanstrengung« aller verantwortlichen Akteure – Bund, Land und Kommunen – gelingen, so Herrmann.
Finanzbedarf klären
»Der Finanzbedarf muss auf den Tisch«, mahnte Landrat Joachim Walter (Tübingen), Präsident des Landkreistags Baden-Württemberg. Dafür seien die Modellrechnungen der richtige Ansatz. Dabei liege es auf der Hand, dass das Land für eine von ihm vorgegebene Mobilitätsgarantie auch die Finanzierungsverantwortung trage.
Der Mobilitätspass dürfe als Nahverkehrsabgabe nur für die Finanzierung darüber hinaus gehender ÖPNV-Zusatzleistungen erhoben werden.
Steffen Jäger, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, forderte, das grundlegend neue Instrument müsse »gut und ergebnisoffen« erprobt werden und das Konzept dann Antworten sowohl für die urbanen als auch für die eher ländlichen Räume geben.
In den Untersuchungen zum Mobilitätspass wird unter anderem die Ausgestaltung der Varianten, sowie mögliche Einnahmepotenziale zum Ausbau des ÖPNV und die Kosten-Nutzen-Relation für die Bürger ermittelt. Der Mobilitätspass soll den Kommunen gesetzlich die Möglichkeit bieten, zusätzliche Mittel für den ÖPNV-Ausbau zu generieren.
In einem im Auftrag des Verkehrsministeriums erarbeiteten Gutachten wurden bereits drei Varianten untersucht: Je nachdem müssten Einwohner einer Kommune (Bürgerticket), Kfz-Halter in einem festgelegten Gebiet (Nahverkehrsabgabe) oder Kfz-Nutzer auf definierten Straßen (Straßennutzungsgebühr) eine verpflichtende Abgabe leisten.
Als Gegenleistung ist ein persönliches ÖPNV-Guthaben in gleicher Höhe vorgesehen, das beim Ticketkauf eingelöst werden kann.
Zeitgleich soll die Mobilitätsgarantie den ÖPNV mit einem verlässlichen Angebot von 5 bis 24 Uhr aufwerten. Alle Orte sollen dann zu den gängigen Verkehrszeiten im Ballungsraum mindestens alle 15 Minuten und im ländlichen Raum alle 30 Minuten angebunden sein. Flexible On-Demand-Angebote wie Kleinbusse oder Anruf-Sammel-Taxis könnten Lücken füllen.
Nach einem Aufruf des Verkehrsministeriums im Sommer 2021 hatten sich zahlreiche Kommunen als Modellregionen beworben. Mit 13 Bewerbungen wurden 21 Städte und Landkreise abgedeckt – ein Drittel der Landesfläche.
Umfrage: Mehrheit für Angabe
77 Prozent der Baden-Württemberger stehen nach einer Umfrage des Ministeriums dem Ausbau des ÖPNV-Angebots selbst dann positiv gegenüber, wenn dafür eine Abgabe eingeführt werden sollte. Je jünger die Befragten, desto geringer sei der Anteil der Befragten gewesen, die sich eine solche Abgabe gar nicht vorstellen können. (eg/igl)