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Aktuell Schädlinge

Misteln gefährden den Reutlinger Streuobstbestand

Die einen haben sie – bevorzugt zwischen Tür und Angel – zum Knutschen gerne, die anderen würden sie am liebsten mit Stumpf und Stiel ausrotten: Misteln, die seit einigen Jahren auf dem Vormarsch sind und Reutlingens Streuobstbeständen zusetzen.

Das Entfernen von Misteln ist ein aufwendiges Geschäft. Archiv-Foto: Förder
Das Entfernen von Misteln ist ein aufwendiges Geschäft. Archiv-Foto: Förder
Das Entfernen von Misteln ist ein aufwendiges Geschäft. Archiv-Foto: Förder

REUTLINGEN/REICHENECK. Etwa in Reicheneck, wo Fritz Epple einige Apfelbäume sein Eigen nennt, die qua Mistelbefall bös’ in Mitleidenschaft gezogen wurden. Einer von ihnen hat sein grünes Leben sogar schon ausgehaucht: weil ihm »Viscum Album« – so der wissenschaftliche Name des Halbschmarotzers – Saft und Kraft entzogen hat und ihn die vergangenen Hitzesommer in Trockenstress versetzt hatten.

Doch auch auf Gönninger, Sondelfinger und Rommelsbacher Streuobstflächen gibt’s Mistel-Alarm. Weshalb es angeraten scheint, den grünen Vampiren, die ihren Wirten mittels Saugwurzeln Wasser und Nährstoffe entziehen, den Garaus zu machen. Denn unter besonderem Schutz stehen die immergrünen Parasiten, die durch den Kot von Vögeln verbreitet werden, nicht.

Wer ihrer Herr werden will, muss, wie Fachleute sagen, akribische Baumpflege betreiben. Doch genau an dieser Stelle liegt der Hase im Pfeffer: Streuobstbäume befinden sich meist im Besitz von Senioren; also Männern wie Fritz Epple, die zusammen mit ihren Gewürzluiken und Goldparmänen älter geworden sind. »Ganz ehrlich«, sagt Epple, » die Pflege ist mühsamer als früher«. Und: »Die Jungen haben entweder keine Zeit oder kein Interesse mehr oder sie sind fortgezogen.«

Die Mistel-Plage ist mittlerweile derart augenfällig, dass sie im März dieses Jahres sogar thematischen Einzug in der Bauausschuss des Gemeinderats gehalten hatte. Hier wurde befunden, dass Reutlingens Streuobstbestände ein ökologisch und kulturhistorisch wertvolles Gut seien, das zu erhalten sich lohne. Allerdings: Das kostet Geld. Allein zur Revitalisierung bestehender Bäume sowie für Neupflanzungen auf städtischen Streuobstflächen würden »in einem ersten Schritt« rund 100 000 Euro fällig, hieß es. Doch dann kam Corona. Und ob im Stadtsäckel jetzt noch genug Münzen klimpern oder Scheine rascheln, um Gewürzluike und Goldparmäne zu retten, ist fraglich. Nicht nur für Fritz Epple. (GEA)