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Aktuell Agrar

Landwirte in der Citykirche im Dialog

Die Citykirche lädt zum Gespräch ein über Verbraucherwünsche, Marktmacht und den Zorn der Bauern. Drei Betroffene schildern ihre Lage in Zeiten der Globalisierung

Cornelia Eberle, Stefanie Müllerschön, Peter Werner und Thomas Fuhr in der Reutlinger Citykirche am Nikolaiplatz. FOTO: WURSTER
Cornelia Eberle, Stefanie Müllerschön, Peter Werner und Thomas Fuhr in der Reutlinger Citykirche am Nikolaiplatz. FOTO: WURSTER
Cornelia Eberle, Stefanie Müllerschön, Peter Werner und Thomas Fuhr in der Reutlinger Citykirche am Nikolaiplatz. FOTO: WURSTER

REUTLINGEN. Im Herbst vergangenen Jahres tauchten die grünen Kreuze auf Äckern und Wiesen auf. Cornelia Eberle, Pfarrerin in der Citykirche, hat die Wahrzeichen der Bauerninitiative »Land schafft Verbindung« als eine Aufforderung verstanden: »Redet mit uns!« Aus der Aufforderung hat sie eine Einladung gemacht, an Landwirte und Verbraucher, um sich im geschützten Raum der Kirche zu begegnen und auszutauschen.

Wie geht es den Landwirten in der Region? Vor welchen Herausforderungen stehen sie? Was wünschen sich Verbraucher, wie können diese eine regionale und faire Landwirtschaft unterstützen? So lauten die Leitfragen einer mehrteiligen Dialogreihe in der Citykirche, die jetzt mit der Vorstellung von drei Landwirten ihren Anfang nahm.

100 Hektar Äcker und Wiesen

Drei Bauern mit ganz unterschiedlichen Betrieben und Philosophien folgten der Einladung des City-Kirchenteams, Peter Werner aus Römerstein-Strohweiler, Stefanie Müllerschön aus Mittelstadt und Thomas Fuhr aus Degerschlacht. Die Erzählungen der Drei verbindet erst einmal eines: Bullerbü war gestern, alle drei betreiben Unternehmen beachtlicher Größenordnungen. Peter Werner ist Chef von 150 »Mitarbeiterinnen«, wie er seine Milchkühe nennt, dazu kommen 80 Kälber, seine »Auszubildenden«. Bullenmästerin Müllerschön ist jetzt die einzige Vollerwerbslandwirtin in Mittelstadt und Öko-Bauer Fuhr treibt stolze 100 Hektar Äcker und Wiesen um. Das zeigt auch, dass die Zahl der Höfe in den letzten Jahrzehnten dramatisch gesunken ist, vielleicht ist auch das eine Ursache für die Entfremdung von Erzeugern und Verbrauchern. Vorbei sind die Zeiten, in denen jeder Reutlinger einen Bauern in der Verwandt- oder wenigstens Nachbarschaft hatte. Gut sichtbar sind die Bauern immer noch, sie und ihr schweres Gerät und das gefällt nicht jedem Spaziergänger, der durch die Felder wandert, und dabei ignoriert, dass er sich auf Wirtschaftswegen bewegt, die für die Landwirtschaft angelegt wurden.

Man werde bewusst ignoriert, manchmal angefeindet – das tue weh, meint Müllerschön. Womit sie bei dem fehlenden Respekt ist, den alle drei so unterschiedlichen Unternehmer beklagen. Müllerschöns füttern ihre Tiere ausschließlich mit Getreide und Heu von den eigenen Flächen, sie schlafen auf Mittelstädter Stroh. Auf zugekauftes Kraftfutter – meist Soja aus Südamerika – wird bewusst verzichtet. »Das billige Futter wollen wir nicht, das brauchen wir nicht – aber das kostet«. Unterm Strich stehe die Null, »unsere Arbeit ist wertlos«.

Und mit den Kosten haben alle Landwirte Probleme. 3,70 Euro für das Kilo Rindfleisch, wild schwankend zwischen 20 und 40 Cent für den Liter Milch: Die Erzeugerpreise sind und bleiben niedrig, die Kosten für Diesel und Strom, für den Unterhalt von Maschinen und Stallungen aber steigen – »das brauche ich Ihnen nicht zu erzählen«, wendete sich Peter Werner an die Zuhörer. Am Verkaufspreis können die Bauern nicht drehen, erklärt Werner: Fünf Handelsriesen, etwas mehr als 200 Molkereien und 60 000 Milchbauern, beschreibt er die Marktpyramide. Marktmacht der Erzeuger bleibe da ein frommer Wunsch.

Um dem Preisdruck auszuweichen, hat sich Thomas Fuhr der regionalen Bioland-Erzeugergemeinschaft Rebio angeschlossen. Die Verkaufspreise sind dort besser, die Ähren wachsen aber auch für Biobauern nicht in den Himmel: »Biolandwirtschaft bedeutet doppelter Preis bei halbem Ertrag«, kalkuliert der Ackerbauer. Das ist für den Nachwuchs wenig attraktiv, Fuhrs Kinder haben – bisher – andere berufliche Wege eingeschlagen. Wenn Fuhr ohne Nachfolger in den Ruhestand geht, könnten seine kleinen Äcker, die um Degerschlacht die Feldflur abwechslungsreich gestalten, Maismonokulturen weichen, die landauf, landab Biogasanlagen versorgen.

Nächster Termin 27. April

Und die Politik? Sie gefalle sich im Erlass von Verordnungen, die oft schon reformiert werden, bevor die alten richtig gegriffen haben, klagen alle Bauern, ob konventionell oder nicht. Keiner hat ein Problem mit strengen Auflagen – ein Existenzproblem bekommen sie dann, wenn ihre hochwertigen Produkte auf dem Weltmarkt konkurrieren müssen. Und der ist mit den globalen Handelsabkommen in Degerschlacht, Mittelstadt und Strohweiler angekommen.

Die Reihe »Regional und fair – Landwirte und Verbraucher im Dialog« in der Citykirche wird am 27. April, 19.30 Uhr, fortgesetzt. Dann gibt Experte Richard Riester Einblicke in die Produktion von Lebensmitteln. Im Mai, der genaue Termin steht noch nicht fest, geht es um regionale Vermarktung. (GEA)