Logo
Aktuell Amtsgericht

Kinderpornografie: Älbler wird nach Jugendstrafrecht verurteilt

Urteil im Prozess wegen Kinderpornografie gegen einen 25 Jahre alten Mann aus einer Albgemeinde.

Justitia ist beim Blick aufs Alter nicht blind.
Justitia. Foto: Ebener/DPA
Justitia.
Foto: Ebener/DPA

KREIS REUTLINGEN. Am Ende schenkte Richterin Insa Föhn der Aussage des Opfers mehr Glauben als dem Angeklagten. Heraus kam eine Jugendstrafe von zwei Jahren, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung. Dem 25 Jahre alten Mann aus einer Albgemeinde war vorgeworfen worden, ein 13 Jahre altes Mädchen aus Hessen, das er in einem Erwachsenen-Chat kennengelernt hatte, dazu bewegt zu haben, sexuelle Handlungen an sich vorzunehmen und ihm davon Bilder und Videos zu schicken.

Das Gericht hatte es sich nicht einfach gemacht und ein erneutes Verhör des Opfers mit anwaltlichem Beistand angeordnet. Ziel war es, die Glaubwürdigkeit des Mädchen besser einschätzen zu können. Das auf Video aufgenommene Verhör wurde dann im Amtsgerichts Reutlingen unter Ausschluss der Öffentlichkeit und des Angeklagten abgespielt.

Persönliche Lebensumstände im Fokus

Danach ging es um die persönlichen Lebensumstände des Angeklagten. Er ist derzeit erwerbsunfähig, befindet sich in psychiatrischer Behandlung und lebt mit seiner 37 Jahre alten Lebensgefährtin, mit der er eine knapp zwei Jahre alte Tochter hat. Seine Lebenspartnerin hat weitere drei Kinder, die aber im Heim oder bei einer Pflegefamilie untergebracht sind. Er selbst hat eine Tochter aus einer früheren Beziehung. Ab Mai soll eine stufenweise Wiedereingliederung ins Arbeitsleben beginnen.

Groß geworden ist er im Allgäu. Schon 2005 zog der leiblicher Vater aus, die Mutter heiratete seinen Bruder. Streit und Gewalt waren in der Ehe an der Tagesordnung, prekäre Verhältnisse prägten das Zusammenleben. Einen qualifizierten Schulabschluss hat der Angeklagte nicht vorzuweisen. Bei zwei Arbeitsstellen wurde er wegen Alkohol- und Drogenproblemen entlassen. Er bezieht eine Erwerbsminderungsrente.

Zerrüttete Verhältnisse

Laut ärztlichem Gutachten leidet der Angeklagte unter dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADHS) und einer retardierten Persönlichkeitsentwicklung. Ein Psychologe attestierte ihm entwicklungsmäßig ein Alter von 16 Jahren.

Staatsanwältin Bettina Schmid hielt die Videoaussagen des Opfers für glaubwürdig: »Sie hat von Anfang an gesagt, ich bin 13 Jahre alt.« Der Angeklagte habe dagegen immer »gebetsmühlenartig betont« wegen der Altersbegrenzung der Chatgruppe auf 18 Jahre, davon ausgegangen zu sei, das sie volljährig sei.

»Eine klassische Aussage gegen Aussage-Konstellation«, so die Staatsanwältin. Jedoch wögen die Aussagen des Opfers schwer, wonach sie Angst hatte, Eltern und Geschwister würden von dem Chat erfahren. Der Angeklagte habe gedroht sie zu besuchen, er wisse, wo sie wohne. Auch dass er erst später beim Duschvideo ihr Gesicht gesehen habe, sei völlig unglaubwürdig. Schmid warf ihm zudem vor, sich zu wenig mit seiner Tat und seinen schädlichen Neigungen auseinanderzusetzen. Seine schwierige Kindheit, seine psychischen Probleme und die prekären Lebensumstände hielt sie ihm zugute. Sie plädierte deshalb für eine zweijährige Jugendstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, da eine Vollstreckung des Urteils nicht sinnvoll sei. Zusätzlich solle er eine Präventionsambulanz besuchen und 50 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

Unreflektierter Umgang mit Taten

»Wem glaubt das Gericht«, fragte Pflichtverteidiger Maximilian Keller. Sein Mandant bleibe bei seiner Aussage. Keller gab zu bedenken, dass das Opfer durchaus Gründe gehabt habe, der Polizei und den Eltern gegenüber darauf zu beharren, von Anfang an ihr Alter genannt zu haben. Die sexuellen Handlungen, die sein Mandant vom Opfer gefordert habe, seien sicher nicht frei erfunden. Der Angeklagte habe dies auch eingeräumt. Im Ergebnis sei er zudem nachweisbar im Besitz kinderpornografischen Materials gewesen, was ein Strafbefehl vom 24. Januar 2022 belege. Keller wollte keinen Antrag zum Strafmaß nennen, begrüßte jedoch die Auflagen der Staatsanwaltschaft.

Nach 30-minütiger Beratung kam das Gericht zu einem Urteil, das sich an die Ausführungen der Staatsanwaltschaft anlehnte. Die Aussagen des Opfers bezüglich seien glaubwürdig gewesen. Negativ zu bewerten, sei auch der bislang unreflektierte Umgang des Angeklagten mit seinen Taten und die fehlende Aufarbeitung. So lautete das Urteil zwei Jahre Jugendstrafe auf Bewährung. Der Angeklagte verzichtete auf Rechtsmittel. (ber)

 

IM GERICHTSSAAL

Richterin: Insa Föhn; Schöffen: Christine Speidel, Tobias Kern; Staatsanwältin Bettina Schmid; Pflichtverteidiger Maximilian Keller