REUTLINGEN-BETZINGEN. Sekt, Häppchen, Ehrengäste. So feierte der Projekt- und Gebietsentwickler BPD (Bouwfonds Immobilienentwicklung) im Juni den Spatenstich fürs Egelhaafareal und so feierte er am 16. September auch den Baggerbiss für die »Umleitung« des alten Mühlkanals in ein naturnah gestaltetes Bachbett. Doch wenig später passierte Seltsames: In der nahe Schulsporthalle hob sich der Boden, sie musste gesperrt werden. Die Stadtentwässerung Reutlingen (SER) und die BPD machten sich an die Ursachenforschung und stellten fest, dass der Schaden tatsächlich mit dem verlegten Mühlkanal zu tun hat.
Praktische und ökologische Gründe
Der Verlegung des Mühlkanals misst die BPD fast einen so hohen Stellenwert wie dem Spatenstich bei. Aus praktischen Gründen, denn nur so ist der Gewässerrandstreifen zum Wohnbauprojekt auf dem Egelhaafareal hin einzuhalten. Gleichzeitig schafft sie aber auch jede Menge ökologischen Mehrwert. Denn der Mühlkanal wurde aus seinem Betonkorsett befreit und in einem Linksknick in ein neues, naturnah gestaltetes Bachbett umgeleitet. Sandsäcke verhindern, dass das Wasser weiter in den alten Kanal fließt. Später soll ein Damm als Blockade eingebaut werden.
Unerwünschter Nebeneffekt
Die »Rückgabe des Mühlbachs an die Natur«, wie es die BPD-Verantwortlichen ausdrückten, hatte aber einen unerwünschten Nebeneffekt. Als sich der Boden in der Sporthalle wölbte und die SER-Experten sie genauer inspizierten, stellten sie fest, dass der Wasserpegel in den Drainageschächten höher war als das Niveau des Hallenbodens. Als erste Maßnahme wurde das Wasser aus den Schächten abgepumpt, berichtet Torsten Müller, Abteilungsleiter Gewässer und Regenwassermanagement bei der SER auf GEA-Nachfrage. »Dann ging es an die Ursachenforschung.« Wegen des zeitlichen Zusammenhangs lag die Vermutung nahe, dass der angestiegene Wasserstand mit dem verlegten Mühlkanal zu tun hat.
Mühlkanal wieder rückverlegt
Also wurde alles wieder rückgängig gemacht, die Sandsack-Blockade am alten Einlass beseitigt und so der naturnahe Bach trockengelegt. Die Rückverlegung des Mühlkanals ins alte Betonbett zeigte Wirkung, der Hallenboden senkte sich wieder. Das Tragwerk der Halle blieb unbeschädigt, inzwischen ist sie wieder zu zwei Dritteln nutzbar. Ein Drittel ist noch gesperrt, weil dort Trocknungsgeräte aufgestellt sind. Bis die Maßnahmen greifen und die Halle wieder komplett nutzbar ist, könnte es laut städtischer Pressestelle noch etwa zwei Wochen dauern.
Schicht ohne Tonanteil
Der alte Mühlkanal war dicht, BPD und SER gingen davon aus, dass es der neue Bachverlauf ebenfalls ist. Der kommt logischerweise ganz ohne Beton aus, hat aber eine Tonschicht, die fast den gleichen Effekt hat: Sie lässt so gut wie kein Wasser durch. Nach der im Vorfeld von der BPD veranlassten geologischen Untersuchung hatten die Experten deshalb grünes Licht für die Verlegung gegeben. Für die Grundwasserblase, die sich unter dem Hallenboden gebildet hat, sind laut Torsten Müller zwei Ursachen möglich. »Es muss irgendwo im neuen Bachbett eine unerkannte Schicht geben, die den Tonanteil nicht hat.« Bei den geologischen Untersuchungen könne man nur Stichproben nehmen, hundertprozentige Sicherheit gebe es deshalb nicht. Die andere Möglichkeit: »Irgendwo im Untergrund kann ein altes Rohr sein, dass sehr schnell sehr viel Wasser führen konnte.« Weil das Egelhaafareal eine Industriebrache war, sei das durchaus denkbar.
Zusätzliche Abdichtung
Wie und wo auch immer: Inzwischen ist das Problem gelöst. Und zwar mit einer zusätzlichen Tonabdichtung, die in die Bodenschicht des Bachbetts eingegraben wurde. Außerdem wurde ein Riegel zum Schulgelände hin eingebaut. »Diese Lösung behebt alles«, sagt Müller. Vorgeschlagen und umgesetzt wurde sie von der BPD – in enger Abstimmung mit der SER, die das Projekt samt Gewässer-Untersuchungen als Träger der Unterhaltslast fachlich begleitet. Das neue Bachbett ist also wieder dicht, in etwa zwei Wochen soll es re-aktiviert werden. Dass das zu viel versickerte Grundwasser überhaupt zum Problem werden konnte, liegt laut Torsten Müller auch an einer baulichen Besonderheit: »Wenn der Hallenboden nicht so tief ansetzen würde, wäre alles nicht so schlimm gewesen.« (GEA)