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Grüne Reutlingen: Jaron Immer über seine Ziele für den Bundestag

Der Reutlinger Stadtrat und Aktivist Jaron Immer wurde am Freitagabend vom Grünen-Kreisverband zum Kandidat für den Bundestagswahlkampf nominiert. Warum er diesen Schritt geht, was seine Ziele für Berlin wären und wie er auf die aktuelle Regierung blickt.

Jaron Immer will für die Grünen in den Bundestag einziehen. Am Freitagabend wurde er vom Reutlinger Kreisverband zum offiziellen
Jaron Immer will für die Grünen in den Bundestag einziehen. Am Freitagabend wurde er vom Reutlinger Kreisverband zum offiziellen Kandidaten für die Wahl 2025 nominiert. Foto: Frank Pieth
Jaron Immer will für die Grünen in den Bundestag einziehen. Am Freitagabend wurde er vom Reutlinger Kreisverband zum offiziellen Kandidaten für die Wahl 2025 nominiert.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN. Sommer 2019: Angela Merkel ist noch Bundeskanzlerin von Deutschland, das Wort Corona verbinden die Menschen damals ausschließlich mit Bier, und Russlands Überfall auf die Ukraine kann sich noch kaum jemand vorstellen. Jaron Immer feiert in Reutlingen seinen 14. Geburtstag und bekommt ein Handy. Es ist der Startschuss für seine Laufbahn als Aktivist. Die Klimaprotestbewegung Fridays for Future befindet sich damals in Deutschland auf ihrem ersten Höhepunkt, Greta Thunberg ist in aller Munde. Hunderte Ortsgruppen haben sich gegründet. Und Jaron Immer beginnt, sich in Reutlingen zu engagieren. »Ohne Handy war das noch nicht möglich«, erinnert er sich schmunzelnd.

Heute, fünf Jahre später, ist er eins der bekanntesten Gesichter der Protest-Bewegung in der Stadt, seit drei Jahren Sprecher des Landesverbandes. Und nun will er für die Grünen in den Bundestag einziehen. 40 von 46 anwesenden Mitgliedern des Kreisverbands der Grünen haben ihm am Freitagabend in der Wittumhalle in Rommelsbach ihre Stimme gegeben und ihn zu ihrem Kandidaten für den nächsten Bundestagswahlkampf gemacht.

»Ich will die Menschen einbinden«

Im Juni erst wurde er mit 14.874 Stimmen für die Grünen und Unabhängigen in den Reutlinger Gemeinderat gewählt, im Juli hat er Abitur gemacht, vor zwei Wochen hat sein Studium in Tübingen begonnen. Geowissenschaften, »inhaltlich ein klarer Bezug zum Klima«. Nächstes Ziel Bundestag - geht das nicht ein bisschen schnell? Immer überlegt nicht lange: »Ich komme ja aus dem Klimaschutzbereich und mein klares Ziel war es immer, Einfluss zu bekommen auf das, was im Klimaschutzbereich passiert.« Das habe er lange bei Fridays for Future probiert, dann erkannt, dass der Einfluss als Aktivist seine Grenzen hat. Die einfache Schlussfolgerung für den 19-Jährigen: »Wenn ich was erreichen will, dann reicht es eben nicht, Aktivist zu sein.«

Und so wuchs die Idee heran, es als Bundestagskandidat zu probieren. Bei der aktuellen Grünen-Abgeordneten aus Reutlingen, Beate Müller-Gemmeke, absolvierte er im Sommer ein knapp vierwöchiges Praktikum. Sie selbst verkündete zu Beginn der Woche, dass sie nicht mehr kandidieren will. Weg frei also für den Youngster der Reutlinger Grünen. In den letzten beiden Wochen habe er »praktisch jeden Ortsverein der Grünen im Kreis« besucht, erzählt Immer, und sich und seine Ziele vorgestellt. Seit Ende der Woche ist die Kandidatur offiziell.

»Wer heute 18 Jahre alt ist, war 13, als Corona kam«

Seine Generation sei in einer »Krisenstimmung« aufgewachsen, sagt Immer. »Wer heute 18 Jahre alt ist, war 13, als Corona kam.« Er nimmt in seiner Altersgruppe einen Vertrauensverlust in die Politik wahr und ist überzeugt, dass man junge Menschen mit »lösungsorientierten Ansätzen« wieder überzeugen kann, vom rechten Rand zurückzukommen. »Wir dürfen nicht dem Populismus verfallen, wir müssen besonnen Entscheidungen treffen.« Für ihn etwas, das einen guten Bundespolitiker ausmacht.

Sollte er in den Bundestag einziehen, will er einen weiteren Schwerpunkt seiner Arbeit auf sozial gerechten Klimaschutz legen. »Man hat durchaus noch eine Mehrheit für Klimaschutz«, findet er. »Nur haben viele Menschen eben das Gefühl, dass sie nicht mitgenommen werden.« Dritter Schwerpunkt seiner Arbeit im Bundestag - wenn's denn so weit kommt - wäre die kommunalpolitische Perspektive. »Wir Kommunen stehen vor so vielen Herausforderungen«, sagt der Jung-Stadtrat. »Und es ist mir ein absolutes Anliegen, das auch im Bundestag aufzuzeigen.«

»Ja, ich habe mit manchen Zugeständnissen in der Ampelregierung meine Probleme«

Sollte er gewählt werden, will er sein Amt im Gemeinderat aber aufgeben. Denn selbst ein so außergewöhnlich engagierter junger Mensch wie Jaron Immer hat Grenzen. Zu seiner Partei steht der 19-Jährige weiter felsenfest - trotz aller Erschütterungen in den letzten Wochen. Immer, selbst im Landesvorstand der Grünen Jugend, hat nach eigenen Angaben nie einen Austritt erwogen, wie es beispielsweise der Bundesvorstand der Jugendorganisation getan hat. »Wir Grüne waren in der Regierung die, die soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz versucht haben voran zu treiben«, sagt er. »Ja, ich habe mit manchen Zugeständnissen in der Ampelregierung meine Probleme. Aber ich glaube weiter an die Grünen, ich bin sehr in dieser Partei verwurzelt.«

Sein Alter sieht er mehr als Chance, denn als Hindernis. Sollte er gewählt werden, muss er schauen, wie sich Bundestag und Studium in Tübingen vereinen lassen. Aber Immer betont: »Wenn man junge Menschen wie mich im Bundestag haben will, dann ist eben auch klar: Die haben noch keine Berufsausbildung.« Das sei für ihn übrigens auch nicht das wichtigste und einzige Kriterium, das einen guten Politiker ausmache. Sondern »dass man den Menschen zuhört und es schafft, sie einzubinden«. Das will er in den kommenden Wochen und Monaten tun. (GEA)