REUTLINGEN. Mindestens acht Gegendemonstrationen sind nach Angaben der Reutlinger Stadtverwaltung schon angemeldet, wenn am Samstag, 26. April, ab 14 Uhr, Anhänger der Bewegung »Gemeinsam für Deutschland!« auf die Straße gehen. Das Bündnis ruft an diesem Tag in verschiedenen Städten in ganz Deutschland zu Protestmärschen auf. Auch in Reutlingen, seit den Corona-Demonstrationen ein beliebter Tummelplatz für Kreuz- und Querdenker aller Art, wird in den sozialen Medien für die Teilnahme getrommelt.
Die Stadtverwaltung will aus Datenschutzgründen auf Nachfrage nicht verraten, wer die Demonstration vor Ort angemeldet hat. Aus dem Reutlinger Polizeipräsidium ist zunächst nur zu erfahren, dass sich die Polizei auf eine »größere Versammlungslage« vorbereitet. Die im Internet genannte Pressestelle von »Gemeinsam für Deutschland!« (GfD) war nicht zu erreichen. Dort sind aber zentrale Forderungen der Bewegung nachzulesen: »flächendeckende Grenzkontrollen, Schutz der Bevölkerung, keine Tauruslieferung, keine weiteren Milliarden für die Ukraine, Wahrung der Meinungsfreiheit und Schluss der Spaltung unserer Gesellschaft«.
»Wir vernetzen uns mit bestehenden Bewegungen aus der Coronazeit und aus dem Mittelstand«
Als einer der GfD-Initiatoren findet sich an anderer Stelle in den sozialen Medien Dennis Prakenings. Der 45-Jährige aus Lübeck berichtet von einem rund 35-köpfigen Organisations-Team und vielen Helfern in den Bundesland-Gruppen, »allesamt normale bodenständige Bürger aus allen Schichten der Gesellschaft«.
Er kündigt weitere bundesweite Demonstrationstermine an – im besten Falle »alle zwei Wochen. Wir sind gerade dabei uns, mit bestehenden Bewegungen aus der Coronazeit und aus dem Mittelstand weiter zu vernetzen und bekommen immer mehr Zulauf«, schreibt er im Interview mit der neurechten Querdenkerzeitung »Demokratischer Widerstand«.
Der bekennende AfD-Wähler räumt darin die Ähnlichkeit der GfD-Forderungen mit denen der AfD ein. Zugleich schreibt sich die Bewegung Parteilosigkeit auf die Fahne: Man wolle auf die Missstände im Land aufmerksam machen und die breite Masse erreichen.
Bei der GfD-Demonstration Ende März in Stuttgart mit rund 1.500 Teilnehmern waren neben Impfgegnern, Kriegsgegnern und Staatsverdrossenen Zeitungsberichten zufolge allerdings auch wieder stramme Rechtsaußen unterwegs: etwa Anhänger der neuen rechtsextremistischen Jugendgruppierung »Unitas Germanica« oder die Gruppierung »Zollern-Jugend Aktiv«.
»Normale bodenständige Bürger aus allen Schichten der Gesellschaft«
Wer ist am 26. April in Reutlingen zu erwarten? In Reaktion auf aktuelle Medienberichte betont GfD, es handle sich nicht um eine rechtsextreme Veranstaltung. Man distanziere sich vielmehr »ausdrücklich von jeglicher Form von Extremismus, Rassismus, Antisemitismus und Gewalt« und arbeite aktiv daran, extreme Strömungen auszuschließen. Man dulde keine »Instrumentalisierung der Bewegung«.
Auch in Reutlingen hatten die großen und anhaltenden Proteste der Coronazeit Publikum aus der extremrechten Szene angezogen, etwa Anhänger der Kleinstpartei »Der III.Weg«, die im Raum Reutlingen erhöhte Aktivität an den Tag legt.
Als eine Reutlinger Mitorganisatorin der hiesigen Impfkritiker-Bewegung »Ich-mach-da-nicht-mit« vor gut zwei Jahren von einer gewissen »Organisations-Müdigkeit« des Teams nach zweieinhalb Jahren Corona-Protest sprach, beklagte sie auch, dass zuletzt »zu viele schwarz-weiß-rote Reichsfahnen auf den Demonstrationen der Impfkritiker unterwegs« gewesen seinen, deren Anliegen nicht zu denen der Reutlinger Organisatoren gepasst hätten. In der schrumpfenden Zahl der übrigen Demonstranten seien die Rechtsextremen zu dominant geworden.
Gleichwohl könnten die Reutlinger Corona-Protest-Initiatoren ihre Müdigkeit abgestreift haben. Und wenn GfD-Initiator Dennis Prakenings wie angekündigt für die bundesweite neue Bewegung Ankerpunkte in alten Demonstrationsstrukturen sucht, könnte er in Reutlingen fündig werden: Zumindest macht »Ich-mach-da-nich-mit« auf Telegram Werbung für die Demonstrationen von »Gemeinsam für Deutschland!«, auch für den 26. April in Reutlingen.
Es bleibt nun abzuwarten, wie die Organisatoren das zu erwartende erneute Mitmischen der Rechtsextremen in Reutlingen verhindern wollen. Unterdessen keimen erste Befürchtungen auf, dass sich die Achalmstadt wie schon in Corona-Zeiten nach dem Großeinsatz der Polizei wieder zu einer Demonstrations-Hochburg entwickeln könnte. (GEA)