REUTLINGEN. Das Grauen lauert im nächtlichen Polizeipräsidium ebenso wie in den unübersichtlichen Höhlensystemen der Schwäbischen Alb und auf schneebedeckten Gipfeln Colorados. Auf einem Kreuzfahrtschiff mit Fahrtrichtung Nord-Nordwest genauso wie am heimischen Herd, wo die schwäbische Hausfrau todbringende Gutsle backt. Überall dort haben die Autoren der 15. GEA-Kriminacht neue spannende Geschichten angesiedelt.
Am Freitag, 6. Dezember, sind dazu im ausverkauften Oertel+Spörer-Saal auf dem GEA-Gelände am Burgplatz wieder zehn Autoren aus Hamburg und München, Mägerkingen und Neckartailfingen zu Gast. Etwa die Hälfte davon Ersttäter - nicht, was das Kriminalgeschichtenschreiben anbelangt, aber in Bezug auf einen Auftritt beim Reutlinger Benefizabend. Eine Besonderheit dieses fiktional blutigen Abends: Viele Geschichten beruhen auf wahren Begebenheiten - und unter den Opfern sind überproportional viele Journalisten.
Der gute Zweck vereint
Was alle eint: Von nah oder fern, die zehn Schriftsteller treten ohne Honorar auf. Und die Lesedauer eines jeden ist begrenzt. Nur sieben Minuten haben die Krimiautoren, bevor das Publikum auf ein hochgehaltenes Schild der Schiedsrichterin hin »Peng!« ruft. Dann ist Schluss, und sei's mitten im Satz.
Was sie unterscheidet: Schreibstil, Erzählhaltung und die Art und Weise, wie sie ihre Texte vortragen. Die Bandbreite reicht an diesem Nikolausabend vom Regional-Krimi über den Thriller zur Kurzgeschichte.
Stile und Vortragsweise variieren
Obwohl noch keiner von Julian Letsches Bergfreunden »tot auf der Hütte blieb«, haben den gelernten Zimmermann eigene Alpin-Erfahrungen inspiriert. Im Auftakt zu seiner neuen Krimireihe liefern sich in »Tödliche Freundschaft« der Schwabe Bruno und der Schweizer Beat in eisigen Höhen »ein Spiel auf Leben und Tod«.
»Einen Salto mortale geschlagen« habe die Krimi-Autorin in ihr beim Anblick der Bühne des Naturtheaters Hayingen, erzählt die Gomadingerin Ingrid Zellner. Dort spielt denn auch der neue Fall um die Reutlinger Kommissare der Dramaturgin in »Viel Tod um nichts«. Los geht's aber im indischen Amritsar.
Zwei Fälle auf der Alb
Als Psychologe mit Arbeitserfahrung im Gmünder Frauengefängnis Gotteszell ermittelt Jochen Benders Ermittler Jens Hurlebaus in Melchingen im Oldtimer-Fälscher-Milieu.
Kommissarin Theodora Klein, erfunden von der »zwischen Gasthof und Friedhof« in Neckartailfingen lebenden Ruth Edelmann-Amrhein, lernt »die Macht des Bösen« kennen. Dialoge und Vortrag sind top. Selbst das »Bondidsch-Schtudio« kommt der Schwäbin geschmeidig über die Lippen.
Von der Hochfinanz ins Krematorium
Dass Georg Brun ein Neuling bei der Kriminacht ist, merkt man dem Münchner nicht an. »Jetzt drückt's auf die Uhr und lasst's die sieb'n Minuten einfach laufen«, sagt der Ex-LKA- und Ministerialbeamte gelassen humorvoll, den 2021 historische Romane zum leichteren Krimi-Fach führten. Bei der Lektüre von »Venusgold« graut es wohl vor allem Käufern von Wirecard-Aktien - und dem gemeinen Boulevardreporter.
Zurück von der Crime Cruise mit »Tatort«-Darsteller Dietmar Bär, hat der pensionierte Reutlinger Kripo-Mann Frank Schröder für »Eiskalte Gnade« nicht nur in alten Akten, sondern auch im Krematorium und Krankenhaus recherchiert. Wer mehr über den Serienmörder, der »Patienten erlöst«, wissen will: Am Donnerstag, 17 Uhr, liest der Mägerkinger mit Veit Müller im W 109 in der Reutlinger Wilhelmstraße. »Der Eintritt ist frei, der Austritt kostet 'ne Spende«, kündigt er an.
Klaustrophobie und Gin-Gutsla
Linda Graze, selbst »Enge-Räume-Schisser« mit psychologischen Interessen, überlässt in »Tief unter der Alb« die junge Fotografin Laura einem undurchschaubaren Auftraggeber mit wechselnder Agenda. So erzeugt das »Shooting« in der Höhle doppelt Gänsehaut.
Der einstige »Spiegel«-Journalist und HSV-Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Ertel weckt im Kurzkrimi »Klimakurs auf Nordnordwest« sprachlich überaus versiert Empathie für die oft geschmähten Klimakleber.
Und das Autoren-Duo Edi Graf und Veronika Wieland, bekannt für kulinarisch-kriminalistische Delikte, beendet den Abend passend zur Vorweihnachtszeit »be-Gin-lich« mit fatalen Gutsle auf dem Backblech. Doch auch ihrer fiesen Mär macht nach sieben Minuten ein lautes »Peng!« vorzeitig den Garaus.
Mit Band, Broten und zwei gut gelaunten Moderatoren
Weitere beliebte Bestandteile dieses vom Reutlinger General-Anzeiger, dem Verlag Oertel+Spörer und der länderübergreifenden Krimiautorenvereinigung Syndikat organisierten Charity-Formats sind die GEA-Band, die sich für diesen Abend »Deadline« nennt, das gut gelaunte Moderatoren-Duo Iris Goldack und Veit Müller sowie blutrote Getränke und Schmalzbrote gegen Bares - jeweils auch in entschärfter Variante ohne Alkohol und tierisches Fett.
Die Einnahmen aus dem Verkauf der gespendeten Verpflegung fließen wie der Erlös aus dem Buchverkauf, Eintritt und Spenden in ein soziales Projekt, diesmal an den Reutlinger Verein »Pfunzkerle«. Der finanziere damit etwa Sensibilisierungstraining zur Gewaltprävention unter Buben und Männern, erklärt Holger Tewes im Gespräch mit Veit Müller. (GEA)
Spenden für »Pfunzkerle«
Der Erlös aus der Reutlinger GEA-Kriminacht fließt stets in ein Projekt, das im weitesten Sinn mit Kriminalität zu tun hat. Da nach jüngsten Angaben des Bundeskriminalamts 2023 mehr als 250.000 Menschen in Deutschland Opfer häuslicher Gewalt wurden, profitiert davon diesmal die pädagogische Jungenarbeit des Tübinger Vereins »Pfunzkerle«.
Die umfasst die Bereiche Gewaltprävention in Schule und Jugendhilfe, Rückfallprävention für sexuell übergriffige Jugendliche, Selbstbehauptung, Erlebnis- und Sexualpädagogik. Männer finden dort Beratung und Training, damit sie Aggressionen und Verletzung auf andere Weise als mit Zuschlagen auflösen. Zudem kümmern sich die Mitarbeiter des Vereins um Männer, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind.
Über Spenden freut sich der gemeinnützige Verein auch nach der Kriminacht mit dem Stichwort »Kriminacht« aufs Konto bei der KSK Tübingen IBAN DE63 6415 0020 0004 6237 75. (GEA)