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Feuerwerksverbot in Reutlingen: Böll statt Böller

Jedes Jahr schnell vergriffen: Feinstaubschleudern vom Wühltisch.  FOTO: MEYER
Jedes Jahr schnell vergriffen: Feinstaubschleudern vom Wühltisch. FOTO: MEYER
Jedes Jahr schnell vergriffen: Feinstaubschleudern vom Wühltisch. FOTO: MEYER

Irgendwie ist es schizophren. Da nehmen Bund, Land und Stadt jede Menge Kohle in die Hand, um die Feinstaubkonzentration auch im Reutlinger Luftraum zu verringern und dann kommt da dieses Silvester um die Ecke gebogen und trübt alle Jahre wieder die Öko-Bilanz. Denn traditionell als ultimative Partikel-Party aufgezogen, führt der Jahreswechsel ja berechenbar sämtliche Reinhalte-Bemühungen der zurückliegenden zwölf Monate ad absurdum. Und zwar gründlich.

Natürlich steht die Achalmstadt mit ihren buchstäblich atemberaubenden Emissionsexzessen nicht alleine da und ist bloß eine Raketenabschussbasis unter zahllosen. Doch das macht die Sache mitnichten besser – wie Messungen zeigen. Vertraut man nämlich Studien des Umweltbundesamtes, dann herrscht am Neujahrstag in der gesamten Republik extrem dicke Luft: Laut Behörde vergiften die Freunde funkensprühender Fontänen mit bundesweit 2.000 Tonnen krebserregenden Mikroteilchen die Atmosphäre. Eine traurige Tatsache, die nachdenklich stimmt.

Doch was dagegen tun? Die Silvesterfeiern dahin gehend reglementieren, dass ab sofort pro Haushalt nurmehr zwei Wunderkerzen abgefackelt werden dürfen? Oder an die Vernunft der Hobby-Pyrotechniker appellieren? Kann man beides machen, wird aber erfahrungsgemäß nichts bringen. Weswegen es an-geraten scheint, endlich ein ökologisch wertvolles Kontrastprogramm zum herkömmlichen Silvester-Tamtam auf die Beine zu stellen. Etwa für den Reutlinger Marktplatz, der ja heuer erstmals zur böllerfreien Zone erklärt wird. Weshalb hier reichlich Raum für einen alternativen Jahreswechsel zur Verfügung steht.

Eröffnet werden könnte dieses etwas andere Event beispielsweise von Eleven in knallfroschgrünen Tüll-Tutus, die eine Leuchtrakete tanzen. Während die Bäckerinnung für die passende Geräuschkulisse sorgt: mittels einiger Tausend unters feierlaunige Volk gebrachter Papiertüten, die Schlag Mitternacht zum Platzen gebracht werden. Derweil das Rote Kreuz mit einer Schminkecke am Start ist und jedem, der’s möchte, authentisch aussehende Brandwunden dritten Grades ins Gesicht maskenbildnert. Und die Feuerwehr? Die simuliert einen Großeinsatz – beim Spitalhof, der dank der Lichtkünstler-Agentur »Inferno« in Vollbrand zu stehen scheint.

Schräg gegenüber schenkt eine Selbsthilfegruppe, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, »Gute-Vorsatz-Bowle«, sprich Mineralwasser, an die Gaffer aus und Schauspieler Heiner Kondschak tröstet als »Lola Blau« über die fehlenden Promille in den Pappbechern hinweg. Nebenbei – das kriegt der Kondschak locker hin – mimt er das Systemfeuerwerk »Terminator 4.000« und rezitiert Böll.

Und wer seine Moneten trotz dieser zündenden Ideen lieber sinnlos verpulvern will? Der ist gut beraten, vor dem Jahreswechsel noch auf die Schnelle bayerische Expertise einzuholen. Heißer Tipp: Einfach Andi Scheuer kontaktieren. Dann klappt’s mit dem Geldverbrennen. Garantiert. (GEA)