REUTLINGEN. Wer die Reutlinger Lokalpolitik aufmerksam verfolgt, der weiß: AfD-Stadtrat Hansjörg Schrade hat einige wenige Themen, in die er sich nahezu wie ein Pitbull verbissen hat. Das Reutlinger Brennstoffzellen-Müllauto, das sich als »nicht praxistauglich« erwies, gehört dazu. Ebenso das 2019 eingeführte neue Stadtbus-Konzept der Reutlinger Stadtverkehrsgesellschaft (RSV). In der immer dienstags erscheinenden GEA-Kolumne »Ziemlich parteiisch« hat Schrade im Juli scharf gegen das Stadtbus-Konzept geschossen. Doch offenbar mit falschen Zahlen, wie nun Finanzbürgermeister Roland Wintzen betont. Bus-Fake-News von der Reutlinger AfD?
So schreibt Schrade unter anderem, dass fürs neue Stadtbus-Netz »seit 2019 über 75 Millionen Euro Steuergeld ausgegeben wurden«. Wintzen betont im jüngsten Finanzausschuss diesbezüglich an Schrade gewandt: »Ich muss Ihnen sagen, ich kann die 75 Millionen rechnerisch nicht nachvollziehen.« So habe die AfD in diesem Rechenspiel weder die Landes- und Bundeszuschüsse miteinbezogen, die es fürs Stadtbus-Netz gegeben hatte, noch die Erstattungen der umliegenden Gemeinden, die ebenfalls vom neuen Netz profitieren und es bezuschussen. Wenn man diese zwei Komponenten einrechne, komme man im angesprochenen Zeitraum »nicht auf 75 Millionen, sondern auf einen Betrag von rund 27 Millionen« aus der Reutlinger Stadtkasse.
Gab es ein Bewertungsgutachten?
Als einen »Tiefpunkt von Verantwortungslosigkeit« bezeichnet die AfD in ihrer Kolumne die städtische Übernahme der bisher in Privatbesitz befindlichen Anteile an der RSV - wodurch das Unternehmen 2021 vollständig in kommunalen Besitz überging. Dies sei ohne ein Bewertungsgutachten geschehen, so Schrade. Auch dem widerspricht Finanzbürgermeister Wintzen: Es habe wohl ein Gutachten gegeben. Zudem habe das Regierungspräsidium den Vorgang geprüft und genehmigt. Dem einmaligen Kaufpreis von 6,5 Millionen Euro stünden nun jährlich »positive Effekte in siebenstelliger Höhe gegenüber - durch den Wegfall der Garantiedividenden und der Kapitalkonten der Kommandantisten sowie durch die Schaffung des steuerlichen Querverbunds«. Der Kaufpreis sei somit wieder »eingespielt« worden.
Final schreibt die AfD in der GEA-Kolumne, dass die in nur fünf Jahren um 106 Millionen Euro gestiegene Verschuldung der Stadt »zum größten Teil« durch das neue Bussystem entstanden sei. Wintzen entgegnet dem: »Die Verschuldung im Kernhaushalt der Stadt« sei in diesem Zeitraum um rund 40 Millionen gestiegen. Der Rest entfalle auf die gestiegene Verschuldung der Eigenbetriebe Stadtentwässerung (SER) und Technische Betriebsdienste (TBR), habe mit dem neuen Stadtbus-Netz also nichts zu tun. Auch dürfe man nicht vergessen: Die Stadt habe seit 2019 rund 316 Millionen Euro in Schulen, Kitas, Straßen und Co. investiert.
Aktuelle Zahlen lagen vor
Die SPD hatte vor der Sommerpause einige Fragen an die Stadt zum Thema Busnetz gestellt - unter anderem die Kosten betreffend. Die Stadt hatte diese Fragen beantwortet, die aktuellen Zahlen wurden am 16. Juli - also eine Woche vor Erscheinen der GEA-Kolumne - den Gemeinderatsmitgliedern zur Kenntnis gegeben. Darauf wies der Grünen-Fraktionsvorsitzende Dr. Karsten Amann in der jüngsten Sitzung hin. Und stellte AfD-Mann Schrade dann eine rhetorische Frage: »Eine Woche vorher bekommen Sie die richtigen Zahlen - und verwenden trotzdem die falschen?« (GEA)