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Aktuell Kommunalwahl

Fakten und Kurioses zur Reutlinger Gemeinderatswahl

Der neue Stimmenkönig, das allerallerjüngste Mitglied, ein patzender Spitzenkandidat: Was es bei der Gemeinderatswahl an Überraschungen und Kuriosem gab.

Zufrieden mit sich und der Welt: Stimmenkönig Frank Glaunsinger von der CDU bei der Wahlparty in der Alten Bank.
Zufrieden mit sich und der Welt: Stimmenkönig Frank Glaunsinger von der CDU bei der Wahlparty in der Alten Bank. Foto: Pieth
Zufrieden mit sich und der Welt: Stimmenkönig Frank Glaunsinger von der CDU bei der Wahlparty in der Alten Bank.
Foto: Pieth

REUTLINGEN. Deutlich verjüngt. Das ist Rekord: Die gerade mal 16 Jahre alte Eleanor Weber von den Grünen und Unabhängigen ist das jüngste Mitglied in der Geschichte des Reutlinger Gemeinderats. Die Schülerin kam, sah und fuhr mit 10.340 Stimmen gleich ein beachtliches Ergebnis ein - und das, obwohl sie »nur« auf Listenplatz 11 kandidierte. Ganz schön jung auch ihr Kollege in der neuen Fraktion, der 18-jährige Jaron Immer, der mit 14.874 Stimmen das drittbeste Ergebnis bei den Grünen und Unabhängigen einheimste. Die Jüngste bei den Kommunalwahlen 2019, Katharina Ernst, landete auf Platz zwei und ist mit ihren heute 26 Jahren im Altersvergleich fast schon abgeschlagen. Auf die Jugend hat auch die CDU gesetzt. Mit Erfolg, denn die beiden Youngster Maximilian Menton (Jahrgang 1995) und Anna Mylona (Jahrgang 1997) haben es auf Anhieb geschafft, Menton sogar mit dem drittbesten Ergebnis bei der CDU. Auch Vincent Fischer (Jahrgang 2003) von WiR trägt zur Verjüngung des Gremiums bei. Das FDP-Urgestein Hagen Kluck eher nicht: Mit 80 Jahren ist er der Älteste im Gemeinderat, bekam aber immerhin fast 500 Stimmen mehr als 2019.

Zusammen für Progression. Unter dem Slogan »Aktivist*innen in den Reutlinger Gemeinderat« hatten sich vier junge Kandidaten, die sich unter anderem bei Fridays for Future engagieren, im Endspurt des Wahlkampfs auf dem Social-Media-Portal Instagram zusammengeschlossen und auf dem Kanal der »Zelle« gemeinsam für mehr junge und progressive Stimmen im Reutlinger Gemeinderat geworben: Timo Widmaier (Linke), Eleanor Weber und Jaron Immer (Grüne) sowie Malte Höflinger (SPD).

Flashmob mit Konservativen? Wer einen begeisterten Tanzlehrer in seiner Liste aufnimmt, muss mit so etwas wohl rechnen: Ralph Boden hatte sich für die CDU aufstellen lassen und im Wahlkampf durchaus ernsthaft geplant, seinen Co-Kandidaten kurz vor knapp noch mit einem Tanz-Flashmob auf dem Marktplatz zu Aufmerksamkeit zu verhelfen. Auch oder gerade unter Nicht-Stammwählern. Die weiblichen Stadtparlamentarier in spe nahmen die Idee begeistert auf, die männlichen eher skeptisch. Leider ließ sich das Projekt nicht umsetzen. Terminlich alle unter einen Hut zu bekommen, erwies sich als zu schwierig. Mit ähnlich auflockernden Vorstößen im Gemeinderat ist nicht zu rechnen: Auf Listenplatz 17 errang Boden mit 8.147 Stimmen nur 2,28 Prozent.

Kein Glück mit Spitzenkandidaten. Dass es ein Spitzenkandidat nicht ins Gremium schafft, kommt eher selten vor. Bei den Freien Wählern ist es allerdings schon das zweite Mal, dass die Nummer Eins sang- und klanglos untergeht. 2019 war es Hans Hubert Krämer, der vom besten Listenplatz nicht profitieren konnte. Diesmal ist es Jürgen Neumeister, Datenschutzbeauftragter und Vorsitzender der FWV e.V.: Mit 7.651 Stimmen verpasste der Spitzenkandidat den Einzug ins Gremium. Einigermaßen überraschend auch das Aus für Jürgen Fuchs: Vier Mal wurde der Bürgermeister a.D. schon in den Gemeinderat gewählt, ein fünftes Mal schaffte es der 78-Jährige bisherige Fraktionsvorsitzende der FWV nicht. 6.950 Reutlinger gaben ihm ihre Stimme, bei der letzten Wahl waren es noch 9.561. Deutlich überholt wurde Fuchs diesmal von Jenny Winter-Stojanovic, die mit 10.301 Stimmen ein Direktmandat ergatterte. 2019 war die Betzingerin, die im größten Stadtbezirk auch im Ortschaftsrat aktiv ist, mit 8.899 Stimmen knapp gescheitert. Sie wird nicht nur für eine Verjüngung der Fraktion sorgen, sondern sie auch deutlich bunter machen: Das Markenzeichen der Betzingerin sind feuerrote lange Haare.

Neuer Stimmenkönig. Der Stimmenkönig 2024 kommt von der CDU und heißt Frank Glaunsinger. Das mögen einige überraschend finden, denn im Gemeinderat zeigte der Notfallsanitäter bisher wenig Profil. Andere überrascht es nicht, denn der 59-Jährige ist zugänglich, offen und bestens vernetzt durch seinen Job und die Ehrenämter. Glaunsinger zog 2019 mit 15.911 Stimmen erstmals in den Gemeinderat ein - ein Ergebnis, das sich schon damals sehen lassen konnte. Jetzt legte er deutlich zu, bekam 23.530 Stimmen und löst damit Dr. Karsten Amann von den Grünen und Unabhängigen ab, der bei den letzten Kommunalwahlen mit 27.844 Stimmen den Rekord aufstellte. Diesmal bekam Amann »nur« 21.025 Stimmen, was wohl auf den nicht gerade vorteilhaften Bundestrend der Grünen zurückzuführen ist. Schwacher Trost für den Fachanwalt: Immerhin hat es noch für Platz Drei hinter Gabriele Gaiser im Gesamtranking und für Platz Eins bei den Grünen und Unabhängigen gereicht.

Reife Leistung: 85.906 Wahlberechtigte, insgesamt 1,5 Millionen Stimmzettel, davon etwa 1.200 ungültige - und trotzdem waren die etwa 1.000 im ganzen Rathaus verteilten Wahlhelfer schon kurz nach 16 Uhr fix und fertig mit der Auszählung der Gemeinderatswahl, die völlig pannenfrei über die Bühne ging. Chapeau! (GEA)