REUTLINGEN. Am Mittwochmorgen gelingt rund 260 Einsatzkräften von Polizei und Zoll ein Schlag gegen eine Diebes- und Hehlerbande mit Hauptsitz in Reutlingen. Während in der Eberhardstraße ein unscheinbar wirkendes Gebäude von maskierten Beamten durchsucht wird, gibt es auf dem Parkplatz des Kreuzeichestadions einen zweiten Einsatz. Hier steht frühmorgens abfahrbereit der große Lkw, mit dem die Bande wohl monate- und jahrelang Diebesgut - zusammen mit legalen Paketen - nach Georgien und Italien transportiert hat. Der Lastwagen wird festgesetzt, die Ladung durchsucht.
»Rund 10 bis 15 Tonnen Pakete hatte der Lkw in den letzten Wochen immer geladen«, berichtet Ludwig Waldinger, Pressesprecher des Landeskriminalamts (LKA) Bayern. Eine schier unglaubliche Dimension. Auch beim Zugriff ist der Lkw proppevoll. Was ist eine legale Sendung ins Ausland und wobei handelt es sich um Hehlerware? Das ist gar nicht so einfach zu unterscheiden. Doch der Zoll ist spezialisiert auf solche Untersuchungen.
Jedes Paket wird gescannt
Aus dem Lastwagen heraus wird jedes Paket in ein Röntgenfahrzeug des Zolls geschoben. Im Innenraum sitzt ein Beamter der Behörde, ein sogenannter Bildauswerter. Er hat vom LKA Anhaltspunkte bekommen, wonach er suchen muss: Die georgische Diebesbande hatte es wohl hauptsächlich auf Markenkleidung, Alkohol, Elektrogeräte, Parfüm und andere Kosmetika abgesehen.
Auf einem Bildschirm verfolgt der Zollbeamte, was da so übers Fließband läuft - und das erfordert ein geschultes Auge. Anhand der Farben kann er erkennen, wie hoch die Dichte des Paketinhalts ist. Also ob es sich um Kleidung oder andere Stoffgegenstände, um Glas oder um Eisen handelt. Fürs ungeübte Auge ergibt sich ein wildes und kunterbuntes Bild. Doch der Profi sieht sofort: Glasschalen, Muffinform, Trinkgläser, Schokolade. »Ein eher unverdächtiges Paket«, sagt er. Im nächsten verbirgt sich wohl eine Küchenmaschine, ein weiteres Paket ist wohl voller Kleidungsstücke. Er achtet genau darauf, was sich in den Paketen verbirgt, und ob die Kombinationen ungewöhnlich sind.
Aufmerksam wird der Mann, als er Schuhe mit »Christian Dior« Schriftzug erkennt. »Wer verschickt auch solche Schuhe«, fragt er rhetorisch - und sortiert das Paket als verdächtig aus. Die aussortierten Pakete werden dann auf einen Tisch geladen und von Zoll- und Polizeibeamten geöffnet. Diese finden dabei so einiges: Von Kopfhörern und Handys bis Raffaelo, von Capri-Sonne bis Teddybär.
Bleiben die Pakete verdächtig, werden die Sender und Empfänger schließlich vom LKA notiert. Und es beginnt eine wirklich kleinteilige Ermittlungsarbeit. Wo kommt das Paket her? Gab es dort eventuell Diebstahl-Serien? Gibt es verdächtige Aufkleber auf den Paketen? Können Gegenstände eventuell per Seriennummer als geklaut identifiziert werden?
Die verdächtigen Sendungen landen an diesem Mittwochvormittag auf einem separaten Haufen. »Der Lastwagen hatte rund 500 bis 700 Pakete geladen«, sagt ein Zollbeamter. »Circa ein Viertel hat die Prüfung nicht bestanden, da ist mutmaßlich Diebesgut drin.« Die Diebesbande hat im Laufe der Monate und Jahre wohl einen »Schaden in Millionenhöhe« angerichtet, sagt LKA-Sprecher Waldinger dem GEA.
Festgenommen werden an diesem Tag nicht die »einfachen Diebe«, sondern Kurierfahrer und die Köpfe der Bande. 12 Festnahmen verzeichnet die Polizei insgesamt, elf davon in der Reutlinger Eberhardstraße. Dort wird auch der mutmaßliche Kopf der Organisation, ein 54-jähriger Georgier, festgenommen. (GEA)